Die Ampelregierung nimmt immer mehr Gestalt an. Was aber heißt das personell? Wer könnte was werden? Zwei Vizekanzler sind im Gespräch - doch Baerbock ist nicht dabei. Derzeit sieht das Lagebild so aus:

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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1. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Es wird gerne übersehen, dass Steinmeier von einer Ampelregierung im Amt gerettet wird. Mit einer Jamaika-Regierung dagegen wäre seine Wiederwahl in einem halben Jahr unwahrscheinlich. Steinmeier hatte zum Auftakt des Bundestagswahlkampfs überraschend undiplomatisch seine Kandidatur angekündigt. Das war ein ziemlich heikles Unterfangen, denn mit einer 15-Prozent-SPD im Rücken wäre er kaum wiedergewählt worden. Vor allem, da er zum Zweitrundenstart seiner Amtszeit bereits 66 Jahre zählen würde und sowohl Union wie Grüne endlich eine Frau im obersten Staatsamt sehen wollten. Fast alle bisherigen Bundespräsidenten waren betagte Herren. Mit Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Ilse Aigner (CSU) waren präsidiable Kandidatinnen im Gespräch. Nun aber gilt: Steinmeier ist weithin respektiert, macht keine herausragende, aber eine gute Figur und Olaf Scholz wird ihn unbedingt halten.

2. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Der Kanzlerkandidat wird in einer lange Karriere als Politi-Profi den finalen Schritt ins Kanzleramt gehen können. Scholz war bereits Innensenator in Hamburg (2011), SPD-Generalsekretär (2002-2004), Bundesminister für Arbeit und Soziales (2007 bis 2009), Erster Bürgermeister von Hamburg (2011 bis 2018). Seit März 2018 ist er Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen. Auch in seinem Umfeld herrscht große Regierungserfahrung. Die SPD ist in den vergangenen 25 Jahren 21 Jahre in der Regierung dabei.

3. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne)

Die Parteivorsitzende und Spitzenkandidatin der Grünen hat zwar einen skandalgetrübten Wahlkampf geführt und ihre Reputation beschädigt. In einer Ampelregierung übernähme sie gleichwohl eine Schlüsselrolle. Sie strebt ins Auswärtige Amt und wäre dann nach Joschka Fischer die zweite grüne Spitzenbesetzung als Deutschlands Außenministerin. Baerbock spricht wahrscheinlich das beste Englisch aller bisherigen Amtsinhaber, sie verfügt über eine verbindliche Konzilianz und fachliche Vorkenntnisse aufgrund ihres Studiums und ihrer Tätigkeit im Umfeld des Europaparlaments, es fehlt ihr allerdings jedwede Erfahrung in Regierung oder Diplomatie.

4. Vizekanzler und Finanzminister Christian Lindner (FDP)

Angesichts zweier stärkerer Koalitionspartner gibt Lindner das Finanzministerium einen Hebel zum Machtausgleich. Mächtig ist das Ressort, weil es wegen seiner Haushaltskompetenz in alle anderen Ministerien hineinregieren kann. Der Finanzminister ist machtpolitisch ohnedies eine Art Vizekanzler, Lindner aber wird diesen Titel wohl auch offiziell bekommen und sich das Amt mit Robert Habeck teilen. Das Grundgesetz gesteht dem Bundesfinanzminister ausdrücklich ein Vetorecht bei allen finanzpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung zu, das sogar gegenüber dem Bundeskanzleramt gilt. Als Finanzminister würde Lindner in die Rolle des Feuerwehrmanns der neuen Regierung schlüpfen, zugleich aber seine wichtigsten Punkte (Steuer- und Schuldendisziplin sowie eine Reform zur Steuervereinfachung) durchsetzen können..

5. Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD)

Heil ist seit 2018 Bundesminister für Arbeit und Soziales und seit Dezember 2019 stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. Innerhalb der SPD genießt er hohes Ansehen auch wegen seiner Sachkunde und Durchsetzungsstärke in der Sozialpolitik. Heil verkörpert das SPD-Versprechen für einen Mindestlohn von mindestens 12 Euro und hat mit Olaf Scholz enge machtpolitische Bande.

6. Vizekanzler und Umwelt- und Energieminister Robert Habeck (Grüne)

Habeck hat in seiner Partei und in der Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten erheblich an Reputation gewonnen, weil er im Bundestagswahlkampf als der stärkere grüne Kandidat wahrgenommen wird, gleichwohl der angeschlagenen Baerbock loyal den Rücken stärkt. Habeck ist bereits Umweltminister in Schleswig-Holstein, verfügt also über Fach- und Regierungserfahrung. Die Grünen fordern allerdings ein machtpolitisch gestärktes Ministerium, entweder um den Bereich Verbraucherschutz aus dem Landwirtschaftsministerium oder um den Bereich Energiepolitik aus dem Wirtschaftsministerium. Zugleich wird Habeck Vizekanzler, was ihn zur machtpolitischen Nummer eins der Grünen werden läßt.

7. Verteidigungsminister Lars Klingbeil (SPD)

Der SPD-Generalsekretär gilt als Architekt des Wahlkampferfolges der Sozialdemokraten. Seine gut durchdachte und clever geplante Kampagne wird Klingbeil in der Partei hoch angerechnet. Klingbeil hat ein enges Verhältnis zu Olaf Scholz. Der wird seinen General mit einem Ministerposten belohnen. Das Verteidigungsministerium würde passen. Klingbeil ist der Sohn eines Berufssoldaten der Bundeswehr und wuchs am Truppenstandort Munster auf. Er ist Mitglied im Verteidigungsausschuss und hat neben der Digitalpolitik die Bundeswehr als Kompetenzfeld. Klingbeil ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik und war Mitglied im Förderkreis Deutsches Heer. Politisch setzt er sich für eine Anhebung des Wehretats ein.

8. Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister Toni Hofreiter (Grüne)

Unter Deutschlands Bauern dürfte diese Berufung für einige Unruhe sorgen. Bei den Grünen allerdings erhofft man sich von Hofreiter die Umsetzung der seit Jahren geforderten "Agrarwende". Der Diplom-Biologe und (über die südamerikanische Lilien) promovierte Hofreiter fordert seit Langem die "flächendeckende Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft". Hofreiter hat ein Buch geschrieben, das nun Programm werden könnte: "Fleischfabrik Deutschland: Wie die Massentierhaltung unsere Lebensgrundlagen zerstört und was wir dagegen tun können".

9. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)

Er war der deutsche Oberwarner in der Corona-Pandemie - für Millionen bereits der gefühlte Gesundheitsminister. Lauterbach ist Mediziner und Gesundheitsökonom. 1996 wurde er als neu berufener Professor mit der Gründung des Institutes für Gesundheitsökonomie, Medizin und Gesellschaft (IGMG) beauftragt, das Ende Februar 1997 an der Universität Köln gegründet wurde. 1998 wurde Lauterbach Direktor des neu gegründeten Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE). Von 1999 bis zur Wahl in den Bundestag im September 2005 war Lauterbach Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Lauterbach tritt für eine Bürgerversicherung im deutschen Gesundheitswesen ein.

10. Verkehrsminister Marco Buschmann (FDP)

Als "Erster Parlamentarischer Geschäftsführer" der FDP-Bundestagsfraktion hat er sich einen Namen als messerscharfer Analytiker erworben. Der promovierte Jurist gilt als Macher bei den Liberalen. Er ist ein erklärter Gegner des Tempolimits und findet: "Der Vorschlag bleibt unkreative Verbotspolitik mit höchst umstrittener Wirkung. Besser wären dynamische Höchstgeschwindigkeiten, die sich an Gefahren orientieren und eine moderne Verkehrssteuerung zur Vermeidung von Staus." Buschmann gilt als einer der engsten Vertrauten des FDP-Bundesvorsitzenden Lindner. Er war bereits Generalsekretär der NRW-FDP sowie Bundesgeschäftsführer der FDP.

11. Entwicklungshilfeministerin Kathrin Göring-Eckardt (Grüne)

Sie hatte auf das Amt der ersten Bundespräsidentin gehofft. Nun wird sie sich mit einem Fachministerium zufrieden geben müssen. Seit Jahren engagiert sie sich für höhere Entwicklungsausgaben, für eine Neuordnung der Schulden von Entwicklungsländern sowie der fairen Verteilung von Impfstoffen auch in ärmeren Ländern.

12. Bildungsministerin Saskia Esken (SPD)

Esken ist seit 2013 im Deutschen Bundestag und seit 2019 zusammen mit Norbert Walter-Borjans Bundesvorsitzende der SPD. Über die ehrenamtliche Elternvertretung kam sie zur Bildungspolitik und war von 2012 bis 2014 als stellvertretende Vorsitzende des Landeselternbeirats Baden-Württemberg tätig. Olaf Scholz hat Esken im Wahlkampf als ministrabel ausgerufen und könnte sie so geschickt in die Kabinettsdisziplin einbinden, um alsbald selbst den SPD-Parteivorsitz zu übernehmen.

13. Innenministerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP)

Sie war die Erste Bürgermeisterin von Düsseldorf und engagiert sich in der FDP seit Jahren für mehr Sicherheit - äußere wie innere. Strack-Zimmermann sitzt im Verteidigungs- wie im Innenausschuss, sie ist Präsidiumsmitglied im Förderkreises Heer, Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Ihr Credo: "Wir wollen effektive Sicherheitsbehörden, die Sicherheit als Schutz der Freiheit begreifen. Sie sollen objektiv in die Lage versetzt werden, mit angemessener Ausstattung und professioneller Organisation ihren gesetzlichen Aufträgen nachzukommen. Das ist besser, als jeden Tag Gesetzesverschärfungen symbolisch zu diskutieren. Wir fordern daher Haushaltspriorität für Polizei und Justiz."

14. Justizminister Volker Wissing (FDP)

Wissing gilt als "Mister Ampel", lange bevor die Bundesrepublik sich mit dieser Konstellation ernsthaft beschäftigt hat. So war er im Mainzer Ampelkabinett von Malu Dreyer seit 2016 Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, vor allem aber stellvertretender Ministerpräsident. Wissing hat nicht nur Jura studiert (in Saarbrücken und Freiburg), erstes und zweites Staatsexamen, er wurde auch zu einem (grünen!) Thema promoviert mit der Arbeit "Überlassungspflichten begründende Gemeinwohlinteressen im System des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes". Wissing trat hernach nicht - wie viele andere Politiker - in irgendeine Kanzlei ein, um rasch Geld oder Karriere zu machen. Er wurde Richter und Staatsanwalt in den Weiten von Rheinland-Pfalz, Landau und Zweibrücken waren seine Stationen. Später gründete er - jeder guter Liberale hat irgendwann irgendein Unternehmen gegründet - die auf Wirtschaftsrecht und Vermögensnachfolge ausgerichtete Kanzlei "Wissing Rechtsanwälte".

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15. Familienministerin Christine Lambrecht (SPD)

Eigentlich wollte die bisherige Justiz- und Familienministerin Schluss machen mit der Politik. Doch kurz vor der Wahl zeichnete sich bei der 56-Jährigen ein Sinneswandel ab. Nun würde sie gerne Familienministerin bleiben. Das ist allerdings umstritten. Als Alternativen aus der SPD kämen Stefanie Hubig (die rheinland-pfälzische Bildungsministerin hat sich als Chefin der Kultusministerkonferenz in der Corona-Pandemie einen Namen gemacht) und Katarina Barley (die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments könnte zurück nach Berlin kommen) infrage.

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