Die Chefs von CDU, CSU, SPD, AfD, FDP, Grünen und Linken versuchen in einer Fernsehrunde, die Menschen von ihren Konzepten zu überzeugen. Unterschiede werden klar, Schärfe bleibt aus. Ob das genügt, um einen eher lahmen Europa-Wahlkampf in Schwung zu bringen?

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Alle Bundestagsparteien mit Ausnahme der AfD haben angesichts des Skandals um die FPÖ in Österreich vor einer Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten gewarnt. Knapp eine Woche vor der Europawahl versuchten die Vorsitzenden der im Parlament vertretenen Parteien am Montagabend in der ARD-Sendung "Gipfeltreffen Europa - Die Parteichefs im Gespräch", die Wähler von ihren Konzepten zu überzeugen. Während bei den Themen wie Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit oder Migration große Differenzen deutlich wurden, präsentierten sich die Parteichefs unaufgeregt und ohne scharfe Töne in der Debatte.

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, die Vorgänge in Österreich zeigten, "was in Rechtspopulisten steckt in ganz Europa". Bei der Europawahl müsse ein Signal gegen Rechtspopulisten gesetzt werden. Für die CDU seien diese keine Koalitionspartner, mit denen man zusammenarbeiten werde. Diese Aussage ist auch mit Blick auf die im Herbst anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen von Bedeutung, wo Mehrheiten ohne die AfD oder aber die Linkspartei nur schwer möglich sein könnten.

Lindner kritisiert Rechtspopulisten

SPD-Chefin Andrea Nahles sagte, sie hoffe auf einen Denkzettel für die Rechtspopulisten und jene konservativen Parteien, die ihnen zur Macht verholfen hätten. Deutschland müsse "das Bollkwerk gegen Rechts und für dieses demokratische Europa sein." CSU-Chef Markus Söder betonte, Rechtspopulisten müsse die rote Karte gezeigt werden. AfD-Chef Jörg Meuthen sagte dagegen, außerhalb Österreichs und auch in Deutschland würden die Vorgänge keine Rolle spielen.

Linken-Chef Bernd Riexinger sagte, er erhoffe sich, dass die Menschen erkennen, dass Rechtspopulisten "nichts auf der Pfanne haben, was die Interessen der Mehrheit der Menschen in Europa betrifft". FDP-Chef Christian Lindner sagte, in Österreich sei es den Rechtspopulisten nicht um den Willen des Volkes gegangen, "sondern die betrachten Politik als ein Geschäftsmodell". Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock warnte, Rechtspopulisten wollten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kaputt machen. Jedem müsse nun klar sei, "dass man mit Rechtsnationalisten nicht zusammenarbeiten darf".

AKK für robusteres Durchgreifen

Die Video-Affäre um den inzwischen zurückgetretenen FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat Österreich wenige Tage vor der Europawahl in eine Staatskrise getrieben. Strache hatte seinen Rücktritt erklärt, weil ein heimlich aufgenommenes Video Käuflichkeit im Wahlkampf 2017 nahelegte.

Kramp-Karrenbauer forderte verstärkte Möglichkeiten für die EU, gegen Staaten bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit vorzugehen. "Die EU hat da schon Zähne und Mechanismen", diese müssten aber noch schärfer werden. Baerbock sagte, es dürfe keine öffentlichen Gelder mehr geben, wenn europäische Werte mit Füßen getreten würden. Dies forderte auch Nahles. Sie schlug vor, die Mittel sollten dann direkt an zivilgesellschaftliche Kräfte fließen.

In der Migrationspolitik verlangte Nahles eine Kraftanstrengung für eine humanitäre, geordnete Flüchtlingspolitik in Europa. Kramp-Karrenbauer sagte, im Rahmen "flexibler Solidarität" müsse Ländern mit EU-Außengrenzen wie Italien und Griechenland geholfen werden, etwa durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Baerbock betonte: "Wir wollen eine europäische Grenzsicherung (...), aber wir wollen keine Militarisierung." Flüchtlinge hätten ein Recht darauf, in Europa einen Asylantrag zu stellen.

Differenzen in der Sozialpolitik

Söder verlangte, Schleppern und Schleusern das Handwerk zu legen. Lindner pochte auf mehr Zusammenarbeit mit Afrika im Kampf gegen Fluchtursachen. Meuthen hingegen forderte: "Wir brauchen eine Festung Europa." Seenotrettung müsse es geben, aber die Menschen müssten dann zurückgeschickt werden, "wo sie hergekommen sind". Riexinger hielt dem entgegen: "Die Idee einer Festung Europas ist absurd."

Große Unterschiede wurden auch in der Sozialpolitik deutlich. Nahles verlangte, die EU-Staaten sollten für den Fall einer Wirtschaftskrise in einen Fonds einzahlen. Daraus solle ein Staat im Krisenfall Mittel entnehmen können, so dass er weiter investieren könne. Das Geld müsse zurückgezahlt werden, wenn sich das Land erholt habe. Söder hielt dem entgegen: "In der Praxis haben sich solche Systeme selten bewährt." Lindner betonte: "Ich bin kein großer Freund von Transferzahlungen in die Staatshaushalte." Meuthen forderte, "dass die Sozialpolitik und die Arbeitsmarktpolitik renationalisiert wird".

Riexinger sieht Konzerne in der Pflicht

Unterschiedliche Ansätze wurden auch beim Thema Klimaschutz klar. Grundsätzlich einig zeigten sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD aber darin, die Bürger nicht zu stark zu belasten. Bei der Frage, ob eine Zusatzsteuer auf Flugbenzin nötig sei, betonte Riexinger, er halte viel von einem solchen Instrument, wenn es sozial gestaltet sei und Besserverdienende und Konzerne besteuere. Baerbock sagte, eine solche Steuer dürfe nicht das einzige Instrument sein. Lindner warnte, im Flugverkehr dürfe nicht der gleiche Fehler wie bei der Ökosteuer wiederholt werden. Meuthen erklärte, wenn Kerosin besteuert werde und Mineralöl nicht, wäre dies eine Wettbewerbsverzerrung. Aus diesem Grund verbiete sich die Anhebung der Kerosinsteuer.

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