SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz brachte das Thema Flüchtlinge überraschend in den Wahlkampf zur Bundestagswahl 2017 ein. Was die Sozialdemokraten planen, was CDU und CSU vorschlagen - und wie drastisch das AfD-Programm ist - unsere Redaktion gibt einen Überblick.

News und Hintergründe zur Bundestagswahl 2017

Bei kaum einem Thema sind die Positionen der Parteien so unterschiedlich wie beim Thema Flüchtlinge. Von einer Grenzschließung, über eine Obergrenze bis hin zur europäisch geregelten und einer vereinfachten Einwanderung - so unterschiedlich sind die Programme in puncto Zuwanderung und Flüchtlinge.

Union und die Flüchtlingspolitik

"Wir haben weltweit einen ungebrochenen Flüchtlingsstrom – so viele wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) jüngst. Eine Obergrenze für Flüchtlinge, wie sie die CSU lange forderte, steht jedoch nicht im Regierungsprogramm der Union. CSU-Chef Horst Seehofer hatte kürzlich im ARD-Sommerinterview seine Aussage nicht bestätigt, dass er nur einen Koalitionsvertrag unterschreiben werde, in dem das Wort "Obergrenze" stehe. Pikant: Ursprünglich steht eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr im eigenen CSU-Wahlprogramm.

Die Kanzlerin fährt aber ohnehin einen liberaleren Kurs. "Gegebenenfalls", sagte Angela Merkel, müssten auch legale Möglichkeiten eröffnet werden, um "Arbeitsmöglichkeiten in Europa zu bekommen". Deutschland sei bereit, weitere Flüchtlinge aus Umsiedlungsprogrammen aufzunehmen, erklärte die CDU-Chefin weiter, in besonders schweren Fällen auch aus den Sammellagern in Libyen. Ohnehin setzt die Union auf ein Mehr an Einwanderung.

Bestes Beispiel ist das geplante "Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz". "Mit einer klug gesteuerten und begrenzten Einwanderungspolitik für Fachkräfte verringern wir spürbar die Attraktivität von illegaler Einwanderung", heißt es im Parteiprogramm. Wer sich jedoch der Integration verweigere, müsse mit dem Verlust der Aufenthaltsbescheinigung rechnen.

SPD und die Flüchtlingspolitik

Die zentrale Forderung der Sozialdemokraten: "Das Recht auf Asyl muss auch in Zukunft unangetastet bleiben." Vieles zum Punkt Migration ist sehr allgemein formuliert – zum Beispiel die Forderung, "die Flüchtlinge innerhalb Europas solidarisch zu verteilen".

Anreize für eine freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen durch EU-Mitgliedstaaten sollen derweil aus dem europäische Haushalt bezahlt werden. Dieser Vorschlag kam von Kanzlerkandidat Martin Schulz, der die Flüchtlingspolitik zum Wahlkampfthema machte. Die Lage sei angesichts der hohen Zahl von Flüchtlingen, die über das Mittelmeer nach Europa kämen, hochbrisant, hatte der SPD-Chef der "Bild am Sonntag" mit Verweis auf Italien gesagt.

"Wer auf Zeit spielt und versucht, das Thema bis zur Bundestagswahl zu ignorieren, verhält sich zynisch." Schulz müsste seinen Vorschlag indes erst auf europäischer Ebene verhandeln.

Dauerhafte Einwanderung soll dagegen durch ein Punktesystem, das bestimmte Qualifikationen erfasst, geregelt werden. Und die Sozialdemokraten möchten eine Einwanderungsquote einführen, die der Bundestag jährlich festlegt.

Die Grünen und die Flüchtlingspolitik

Die Grünen sind vielleicht am deutlichsten pro Einwanderung. Sie wollen die Integration mit einem Integrationsgesetz und mehr Geld für Kommunen fördern. Der Familiennachzug soll vereinfacht, die sogenannte Residenzpflicht (fester Wohnort, Anm.d.Red.) abgeschafft werden. U

nd: Eingewanderte und/oder Flüchtlinge sollen einen schnelleren Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen.

"Wir sagen Ja zum Familiennachzug für Flüchtlinge, Nein zu Obergrenzen und Abschiebungen in Krisengebiete", heißt es im Kurzwahlprogramm. "Und: Wer in Deutschland geboren wird, soll in Zukunft deutsch sein."

Die Linke und die Flüchtlingspolitik

Die Flüchtlingspolitik ist ein parteiinternes Streitthema. Fraktionschefin Sahra Wagenknecht äußerte Vorbehalte gegen Flüchtlinge.

Ihre Partei ist dagegen deutlich moderater, fordert ein grundsätzliches Bleiberecht für alle sowie einen sofortigen Abschiebungsstopp.

"Die Sicherheitslage in Afghanistan ist unübersichtlich und wird sich noch weiter verschlechtern, nachdem US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, den Krieg wieder zu verschärfen", meinte kürzlich etwa die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke.

Den "schmutzigen Deal" mit der Türkei will die Linke beenden. Laut Abkommen müssen Flüchtlinge, die über den Bosporus kamen, wieder in die Türkei zurück.

FDP und die Flüchtlingspolitik

"Unsere Verfassungsgrundsätze müssen wir auch Flüchtlingen vermitteln. Nicht Deutschland muss sich zuerst verändern, sondern viele Flüchtlinge werden sich verändern müssen“, meinte Spitzenkandidat Christian Lindner in einer Grundsatzrede.

Was harsch klingt, soll nach Vorstellungen der Liberalen viel gemäßigter ablaufen. So hält die FDP grundsätzlich eine Einwanderung "qualifizierter und fleißiger Menschen" für notwendig und schlägt ein "geordnetes Einwanderungsrecht" vor. "Dauerhafte Einwanderer wollen wir uns wie jedes andere Einwanderungsland selbst aussuchen", heißt es im Parteiprogramm. Ähnlich äußerte sich Lindner im Exklusiv-Interview mit unserer Redaktion.

Damit soll zwischen Einwanderern einerseits und Asylbewerbern sowie Flüchtlingen andererseits unterschieden werden. Für Kriegsflüchtlinge soll es dagegen einen "vorübergehenden humanitären Schutz" geben, "der auf die Dauer des Krieges begrenzt ist".

AfD und die Flüchtlingspolitik

Die Zuwanderung ist, wenig verwunderlich, das Schwerpunktthema der selbsterklärten "Alternative für Deutschland". Diese hat sich drastisch "den Erhalt des eigenen Staatsvolks" zum Ziel gemacht.

Die AfD fordert weiter eine Grenzschließung, um Deutschland vor "überwiegend beruflich unqualifizierten Asylbewerbern zu beschützen".

Eine "ungeregelte Massenimmigration in unser Land und in unser Sozialsystem ist sofort zu beenden", heißt es im Wahlprogramm. Die AfD postuliert ferner ein „Abstammungsprinzip“, ergo, in Deutschland geborenen Kindern von Migranten soll trotzdem die Staatsbürgerschaft verweigert werden.

Zusätzlich sollen in Deutschland lebende EU-Bürger vier Jahre lang vom Sozialsystem ausgeschlossen werden.

Das fordern die Parteien bei den Themen

Die Wahlprogramme der Parteien im Überblick:

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