Bei "Maybrit Illner" stehen die neuerdings ehrgeizigen Klimaziele der Bundesregierung im Fokus. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Robert Habeck liefern sich ein hitziges Wortgefecht. Der Grünen-Chef will den CO2-Preis schon bald spürbar erhöhen.

Eine Kritik
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In einer früheren Version dieses Artikels wurde berichtet, dass Robert Habeck einen Preis von bis zu 60 Euro für einen Liter Benzin forderte - diese Aussage wurde in dieser Form nicht getätigt. Stattdessen ist richtig, dass Habeck einen Preis von 60 Euro pro Tonne CO2 in Aussicht stellte.

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"Alle wollen Klimaschutz - keiner will's bezahlen?", lautet der Titel der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" am späten Donnerstagabend. Plötzlich hat die Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ehrgeizige Klimaziele angekündigt.

Konkret: Die große Koalition (GroKo) aus CDU/CSU und SPD besserte das Klimaschutzgesetz nach, wonach bis 2035 die CO2-Emissionen in Deutschland um 65 Prozent gesenkt werden sollen. Vorheriges Ziel waren 55 Prozent. Moderatorin Illner fragt in die Runde, wie das gehen soll, was das kosten soll - und wie es bezahlt werden soll.

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Das sind die Gäste bei "Maybrit Illner"

Robert Habeck: Der Grünen-Vorsitzende verteidigt die Forderung seiner Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nach einem Verbot von Kurzstrecken-Flügen und kritisiert "Lächerliches wie Binnen-Flüge von Stuttgart nach Frankfurt". Wie wolle Deutschland so "klimaneutral" werden, fragt der 51-Jährige: "Wenn es keinen Flieger zwischen Stuttgart und Frankfurt gibt, kann es dazu keinen Neid geben." Habeck warnt unablässig vor "sozialen Verwerfungen in Deutschland", bekomme man das Klimaproblem nicht in den Griff. "Wir haben jetzt einen Riesen-Job zu machen, müssen viel Geld investieren", sagt er und erzählt: "Die deutsche Industrie rechnet mit etwa zwei Billionen Euro bis zur Klimaneutralität."

Peter Altmaier: Der 62-Jährige will wohl nachdrücklich seine Expertise unterstreichen, als er erzählt, dass ihm früher das Umweltressort unterstand. "Für die meisten Menschen in Deutschland wird es bezahlbarer, wenn wir die Marktwirtschaft zum Einsatz kommen lassen", sagt der CDU-Politiker zur Frage, wie die Kosten für die angestrebte Klimaneutralität kompensiert werden sollen. Und der Bundeswirtschaftsminister ist froh, dass "Elon Musk und Tesla nach Deutschland gekommen sind", denn das würde "10.000 Arbeitsplätze schaffen". Zur Einordnung: Der Automobilhersteller Tesla baut aktuell eine Großfabrik für Elektrofahrzeuge in Brandenburg. Klimaschutz geregelt durch die Marktwirtschaft?

Georg Kofler: Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeit - Unternehmer Kofler, aus der TV-Sendung "Höhle der Löwen" bekannt, sagt diesen Begriff im ZDF ungefähr x-Mal. Den Grünen wirft er Pläne für eine "sozialistische Planwirtschaft" vor. "Wenn einem gar nichts mehr einfällt, verbiete ich was", meint er kritisch in Richtung Habeck und berichtet, dass er das gesamte Parteiprogramm zur Bundestagswahl 2021 gelesen habe. Dabei habe die Nachhaltigkeit "in der Wirtschaft eine Top-Priorität". Auch er wirbt für eine liberale soziale Marktwirtschaft, die schon alles regeln werde. Markant: Kofler verneint Illners Zusatz-Info nicht, er habe 750.000 Euro an die FDP gespendet, "aus Angst vor einer grünen Kanzlerin Annalena Baerbock".

Maja Göpel: Die Polit-Ökonomin fordert eine noch höhere Messlatte bei den geplanten Einsparungen von CO2-Emissionen. "Jetzt wird es radikal, weil wir viele Dinge zu spät angegangen sind", sagt sie und erzählt, dass drei Millionen Unternehmen in Deutschland "noch nicht auf einem schnellen Weg" seien, um klimaneutral zu arbeiten. Sie schlägt Benefits für diejenigen Firmen vor, die Klimaziele in ihren Betrieben schneller umsetzen.

Gerald Traufetter: Der "Spiegel"-Journalist kritisiert, dass "wir mindestens zwei Jahre Zeit verschenkt haben". Die deutsche Autoindustrie sei gewarnt und wolle "nicht von Elon Musk überrollt" werden. Weswegen sie selbst an der Entwicklung von Elektrofahrzeugen arbeite. Traufetter wirbt für ein "Klimageld pro Kopf" für Bürger*innen mit weniger Einkommen, "sagen wir mal 100 Euro", damit auch sie sich den Klimaschutz leisten können.

Das ist der Moment des Abends

"Was wird der Liter Benzin in fünf Jahren kosten?", fragt Illner. Und zwar zuerst den Bundeswirtschaftsminister. Altmaier weicht aus, prophezeit lieber "alternative Antriebe", in die immens investiert werde.

Dann stellt Illner dieselbe Frage Habeck - der etwas konkreter wird, allerdings einen höheren CO2-Preis in den Fokus stellt. Dort stellt der Co-Vorsitzende der Grünen einen Anstieg auf 55 bis 60 Euro in Aussicht und plädiert für "fossilfreie Autos" in Deutschland.

"Ich bin dafür, dass andere, ordnungsrechtliche Kriterien greifen und die Automobilhersteller gezwungen werden, emissionsärmere und dann -freie Fahrzeuge zu bauen", sagt Habeck und plädiert für ein "klar definiertes Enddatum, wann der fossile Verbrenner vom Markt genommen wird".

Das ist das Rede-Duell des Abends

CDU-Mann Altmaier gegen Grünen-Chef Habeck. Es wird laut und geht zur Sache. "Robert Habeck, den ich sehr schätze ...", sagt Altmaier am Anfang - und wird direkt von Habeck unterbrochen. Der Wirtschaftsminister wirft seinem Widersacher vor, "die Hälfte der Redezeit" zu beanspruchen.

Der Norddeutsche reagiert harsch, unterstellt Altmaier "Verlogenheit". Der Minister attackiert dagegen munter weiter: "Seit zehn Jahren regieren die Grünen in Baden-Württemberg und es wurden kaum Windräder gebaut. Da beißt sich die Maus den Schwanz ab." Und Habeck? Ermahnt den CDU-Mann regelrecht: "Es geht nicht darum, eine Heizung auszutauschen, Herr Altmaier."

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Die Moderatorin hat Schwerstarbeit zu verrichten. Zum einen Altmaier und Habeck zu moderieren, zum anderen den forschen Kofler zu mäßigen. Beides gelingt ihr bemerkenswert. Als Habeck ständig über die Fluglinie zwischen Stuttgart und Frankfurt reden will, schlägt sie ihm alternativ die Wegstrecke Reisender "von Berlin nach München, um ins Allgäu zu kommen" vor.

Doch Habeck ist in seinen Monologen kaum zu bremsen. Letztes Mittel: "Wird es gelingen Annalena Baerbock zu einer Kanzlerkandidatin zu machen, die von Greta Thunberg genauso geliebt wird wie von Friedrich Merz", fragt die 56-Jährige den Grünen. Kurze Stille. Er muss sich tatsächlich sammeln.

Das ist das Ergebnis bei "Maybrit Illner"

Nach Corona ist vor dem Klimaschutz: Die ZDF-Sendung lässt keinen Zweifel daran, dass die Klimakrise die deutsche Politik in den kommenden Jahren neben den Folgen der Coronavirus-Pandemie maßgeblich bestimmen wird.

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