Die Medienprofis waren sich über die großen Linien der Politik einig, während sich die Politiker über die Konsequenzen ihrer Fehler gestritten und dabei das Zuhören vergessen haben. Sandra Maischberger war als Moderatorin Teil des Problems.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Frank Heindl dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Dammbruch" in Thüringen, "Erschütterungen" in Berlin: Thomas Kemmerichs Wahl zum Ministerpräsidenten mithilfe der AfD trug zu Annegret Kramp-Karrenbauers Rücktritt vom Amt der CDU-Vorsitzenden bei.

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Wer hat Schuld an dem Chaos, wie geht es weiter mit der CDU und was hat Bodo Ramelow vor? Bei Sandra Maischberger gab es obendrauf noch einen Klacks internationale Themen - mit einem Abstecher zu den Vorwahlen in den USA und der Frage, ob wir hierzulande schlechten amerikanischen Sitten nacheifern.

"Maischberger. die Woche": Wer bei der Klärung helfen sollte

Die Hauptgruppe der Diskutanten bestand neben der Moderatorin Sandra Maischberger aus drei weiteren Journalisten:

  • Cerstin Gammelin, Parlamentskorrespondentin der "Süddeutschen Zeitung"
  • Markus Feldenkirchen, "Spiegel"-Autor
  • Nikolaus Blome, früher bei "Bild", dann beim "Spiegel", bis 2019 wieder bei "Bild"

Zusätzlich stellte sich in einem Zwiegespräch der ehemalige thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow den Fragen von Maischberger. Und in einer weiteren Runde wurde über den zukünftigen Kurs der Union gestritten. Hier trafen der CDU-Politiker Elmar Brok und der Politikwissenschaftler Werner Patzelt aufeinander.

Einigkeit in der Journalistenrunde

Genau eine Woche war es am Mittwoch her, dass sich der Thüringer FDP-Mann Thomas Kemmenich mit Stimmen von CDU und AfD nicht nur wählen ließ, sondern dass er diese Wahl auch angenommen hat.

In der Runde der Journalisten waren sich alle einig, dass der Vorgang ein "unwürdiges Gezocke" (so Nikolaus Blome) gewesen sei. Niemand widersprach Cerstin Gammelin, als sie bedauerte, dass Christian Lindner nicht zurückgetreten sei. Der FDP-Vorsitzende habe die Jamaika-Koalition in Berlin mit dem Argument abgelehnt, dass er lieber nicht regieren wolle als falsch zu regieren. In Thüringen hingegen habe er nach der Devise gehandelt, lieber falsch zu regieren als gar nicht zu regieren.

Sowohl CDU als auch FDP hätten auf die Finte der AfD vorbereitet sein müssen - stattdessen hätten sie sich von ihren schlechtesten Seiten gezeigt und als "heilige Einfaltspinsel" der AfD bei ihrem erfolgreichen Plan assistiert, so Blome. Sie hätten das Parlament "lächerlich und verächtlich" gemacht, pflichtet ihm Markus Feldenkirchen bei.

Den von Medien, aber auch von Bodo Ramelow gezogenen Vergleich mit Hitlers Machtübernahme 1933 kritisierte Blome als "komplett überblasen", doch auch er lässt keinen Zweifel: Kemmerichs Wahl sei nicht nur ein "eindeutiger Tabubruch" gewesen, sondern auch politisch unsinnig. Was hätte der FDP-Mann mit dem Amt angefangen - ohne Mehrheiten, ohne Minister, ohne Unterstützung?

Sandra Maischberger stellt die falschen Fragen

Zeit für Maischberger, Ramelow selbst zu fragen, was ihm in diesen Momenten im Erfurter Landtag durch den Kopf gegangen sei. Ramelow berichtet glaubwürdig von seiner Fassungslosigkeit, nachdem er noch in den Tagen vor der Abstimmung von allen Parteien mit Ausnahme der AfD Signale bekommen habe, dass er gewählt würde.

Die Kritik am Hitler-Vergleich weist er von sich: Er habe die Wahl Kemmerichs nicht mit der Machtübernahme der Nazis verglichen - sondern mit dem Tabubruch, dass Demokraten und Extremisten von rechts gemeinsame Sache machten. Besonders empört ist Ramelow, weil dieser Tabubruch im Landtag stattfand, wo wenige Tage zuvor, 75 Jahre nach Kriegsende, Überlebende des Konzentrationslagers Buchenwald zu Gast gewesen waren.

Bis dahin konnte man Ramelow folgen, doch nun machte Maischberger den Fehler, Fragen zu stellen, die er schon vor den Landtagwahlen oft und ausführlich beantwortet hatte. Warum er sich zum Beispiel weigere, die DDR einen "Unrechtsstaat" zu nennen. Ramelow argumentierte breit und ausführlich, wurde von Maischberger unterbrochen, die das alles gar nicht so genau wissen wollte, unterbrach Maischberger beim Unterbrechen, wurde von Maischberger beim Unterbrechen der Unterbrechung unterbrochen.

Sandra Maischberger und Bodo Ramelow reden aneinander vorbei

Der Moderatorin gelang es nicht mehr, das Gespräch wieder aufzunehmen, weiter provozierend wurde sie zum Teil des Problems. Als sie Ramelows Plan, mit vier Stimmen von der CDU erneut zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden, als Erpressungsversuch bezeichnete und ihm empfahl, stattdessen einem Kandidaten der SPD Platz zu machen, wurde die Diskussion endgültig zum kraftvollen aneinander vorbeireden.

Schade, dass Maischberger sich mit solchen plakativ-provokativen Ideen nicht an den Journalistentisch zurücktraut. Dort ist man sich anschließend wieder sehr einig darüber, dass Kramp-Karrenbauer auch an mangelnder Unterstützung gescheitert ist und dass es sich kaum abschätzen lässt, wen die Union zum Kanzlerkandidaten küren wird. Neu und spannend war das nicht.

Wenig Erkenntnis nach 75 Minuten

Das anschließende Gespräch zwischen Elmar Brok, der AfD-Sympathisanten aus der CDU werfen möchte, und Werner Patzelt, der die ultrakonservative "Werteunion" vertritt, ließ ebenfalls Erkenntnisgewinn vermissen. Patzelt hielt viel von seiner eigenen Redekunst, geriet aber schnell ins Dozieren, sprach in viel zu langen Sätzen.

Markus Feldenkirchen hatte wohl recht, als er zuvor die Werteunion mit einem Scheinriesen verglichen hatte, der aus der Ferne groß wirkt, aus der Nähe betrachtet aber eher mickerig. Elmar Brok dagegen fordert klar und vehement eine deutliche Entscheidung seiner Partei: Selbst um den Preis des Machtverlustes dürfe die CDU sich nicht den Zielen der AfD annähern.

Beim Blick auf die Vorwahlen in den USA und die von Donald Trumps Demagogie und Populismus vergiftete Sprache bleibt dann nur noch für kurze Statements Zeit. Nikolaus Blome resümiert, der aggressive Umgang miteinander und mit der Sprache greife auch hierzulande um sich. Wichtig sei, dass die gesellschaftliche Mitte sich von diesem Trend bisher nicht anstecken lasse. Das war wenig hoffnungsvoll - und wenig Erkenntnis nach 75 Minuten Talk.

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