Er sei "beschämt", sagt FDP-Chef Christian Lindner über die Wahl seines Parteikollegen Kemmerich, der mit AfD-Stimmen zum Thüringer Ministerpräsidenten gekürt wurde. Aus den Reihen der AfD und des "Liberal-konservativen Kreises", dem auch FDP-Abgeordnete angehören, hagelt es Kritik.

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Gut eine Woche nach der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen mit Stimmen der AfD hat der Bundestag in einer emotionalen Debatte über das Thema diskutiert.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner entschuldigte sich erneut dafür, dass sich sein Parteikollege Kemmerich mit AfD-Stimmen zum Thüringer Ministerpräsidenten wählen ließ. "Wir sind beschämt, weil wir der AfD ermöglicht haben, uns und darüber hinaus die parlamentarische Demokratie zu verhöhnen", sagte Lindner am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde im Bundestag. "Dafür entschuldige ich mich namens der Freien Demokraten."

Gleichzeitig kündigte er die Einsetzung einer Arbeitsgruppe an, um die Geschehnisse aufzuarbeiten. "Erfurt war ein Fehler, aber wir unternehmen alles, damit er sich nicht wiederholen kann."

Emotionale Debatte im Bundestag

In der von der Linken beantragten Aktuellen Stunde griff deren Fraktionschefin Amira Mohamed Ali CDU, FDP und AfD mit scharfen Worten an. In Thüringen sei eindeutig ausgetestet worden, wie weit man gehen könne, sagte sie. "Das war kein Versehen. FDP und CDU wussten, was passieren kann."

Mohamed Ali sprach von einem "hochgefährlichen Tabubruch für unsere Demokratie". Der Zustand der Demokratie sei alarmierend.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak griff im Anschluss die AfD und deren Thüringer Landeschef Björn Höcke an. "Es gibt einige, die sagen, 'warum nennt der CDU-Generalsekretär Herrn Höcke einen Nazi?' Ganz einfach, weil er erwiesenermaßen einer ist (...) und deswegen werde ich das auch weiterhin tun."

Zimiak verteidigte zugleich den Kurs der CDU, weder mit AfD noch mit der Linken zusammenzuarbeiten. Teile der Linken würden vom Verfassungsschutz beobachtet. "Herr Ramelow ist ihr Kandidat der Linken und deswegen wird er von uns keine Unterstützung bekommen, wie jeder andere Kandidat der Linken für das Amt des Ministerpräsidenten."

Schwere Vorwürfe von AfD-Seite

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland machte den anderen Parteien schwere Vorwürfe. Es sei "die natürlichste und demokratischste Sache der Welt", wenn ein demokratischer Abgeordneter von anderen Demokraten zum Regierungschef gewählt werde.

Nicht normal sei es jedoch, das Ergebnis dieser Wahl rückgängig machen zu wollen. Gleichzeitig warnte Gauland die CDU davor, den Linken-Politiker Bodo Ramelow erneut zum Thüringer Ministerpräsidenten zu wählen. "Wir wären dann die einzige Oppositionspartei, und die Union würde die SPD auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit begleiten."

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider rief die Christdemokraten hingegen auf, ihre bisherigen Abgrenzungsbeschlüsse zu überdenken. Die ostdeutsche CDU müsse sich klar werden, ob sie mit der "fatalen Gleichsetzung" von Linkspartei und AfD nicht in Wahrheit das Geschäft der politischen Rechten betreibe.

Liberal-konservativer Kreis beklagt Verrohung der Politik

Der "Liberal-konservative Kreis" (LKK) im Bundestag hatte zuvor die scharfen Reaktionen auf die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen als "Dammbruch in der politischen Kultur" verurteilt.

"Historisch völlig deplatzierte Nazi-Vergleiche und gezielte Diffamierungen politischer Konkurrenten bereiten den Boden für Hass und Gewalt", erklärte der Zusammenschluss aus mehreren Bundestagsabgeordneten von CDU, CSU und FDP.

Dem LKK gehen die Reaktionen nach der Wahl zu weit. Gewalt gegen jegliche Mitglieder politischer Parteien sei durch nichts zu rechtfertigen, hieß es weiter. "Politische Auseinandersetzungen führen wir in unserer Demokratie mit Worten", sagte der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Axel Fischer. Die Ereignisse nach der Wahl in Thüringen zeigten eine "Verrohung der politischen Auseinandersetzung".

Der "Liberal-konservative Kreis" hatte sich Anfang Januar als Gegenpol zu den Grünen gegründet, um deren Einfluss auf die Politik zu begrenzen und Schwarz-Grün auf Bundesebene zu verhindern. (ank/dpa)

Susanne Hennig-Wellsow

Nach Wahl in Thüringen: Susanne Hennig-Wellsow bereut Blumenwurf vor Thomas Kemmerichs Füße nicht

Die Thüringer Linke-Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow bereut es nicht, dem FDP-Politiker Thomas Kemmerich nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Blumen vor die Füße geworfen zu haben. Man könne Kemmerich nicht nur einfach Naivität unterstellen, sagte Hennig-Wellsow am Mittwoch in der ZDF-Sendung "Markus Lanz". Auf die Frage, warum er ihrer Meinung nach die Wahl annahm, sagte Hennig-Wellsow: "Ich glaube, es war reine Machtgeilheit."
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