Champions-League-Held Mauricio Pochettino wurde bei Tottenham Hotspur entlassen und durch José Mourinho ersetzt. Der FC Bayern soll sich für den Trainer interessieren. Doch dem Argentinier fehlt etwas, was die Münchner eigentlich voraussetzen.

Mehr Fußballthemen finden Sie hier

Als Sportdirektor des FC Bayern hat Hasan Salihamidzic wahrlich turbulente Wochen hinter sich - und wohl nicht minder spektakuläre Monate vor sich. Denn: Die Trainer-Suche wurde nach der Trennung von Kumpel Niko Kovac nur vorübergehend entschleunigt.

Und jetzt das: Tottenham Hotspur hat sich von Mauricio Pochettino getrennt, jenem Coach, der die Londoner in der Vorsaison ins Champions-League-Finale (0:2 gegen Liverpool) geführt hatte. Kommt die Trainer-Frage in München jetzt wieder auf die Agenda? Nachdem die Bosse Ex-Kovac-Assistent Hansi Flick mindestens bis Weihnachten das Vertrauen ausgesprochen hatten?

Wie die "Bild-Zeitung" berichtet, trafen sich Salihamidzic und Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge am Mittwoch bereits mit Giovanni Branchini, einem Zwischenhändler.

Der Italiener fungierte schon öfter als internationaler Vermittler des FC Bayern. Er leitete bereits die Verpflichtung von Pep Guardiola im Jahr 2013 in die Wege. Auch in die Verhandlungen um Manchester-City-Profi Leroy Sané soll er involviert sein. Gut möglich, dass er auch bei einem Pochettino-Deal den Vermittler geben soll.

Wir erklären, was für eine Verpflichtung des argentinischen Trainers spricht und was dagegen.

Dafür: Hasan Salihamidzic hält viel von Spieler-Entwickler Mauricio Pochettino

Dem Vernehmen nach soll Salihamidzic sehr viel von Pochettino halten. Unter anderem soll der 42-jährige Bosnier schon vor der Verpflichtung von Kovac im Frühjahr 2018 mit dem Argentinier Kontakt aufgenommen haben, berichtet die "Sport Bild".

Ein Pluspunkt: Der Ex-Spurs-Teammanager gilt als Spieler-Entwickler. "Ich finde die Philosophie von Hasan Salihamidzic, unseren Kader mit Perspektivspielern zu besetzen, absolut richtig. Er ist ein Mensch mit Visionen für die Entwicklung der Spieler und unserer Mannschaft", hatte Rummenigge hatte bei der jüngsten Jahreshauptversammlung über die Arbeit seines Sportdirektors gesagt: Pochettino hat bewiesen, dass er ein solches Anforderungsprofil erfüllt.

Auch der mannschaftsinterne Chefkritiker gab schon mal sein Okay. "Er hat es mit Tottenham über Jahre top gemacht. Sie hatten eine Riesenkonstanz in den letzten Jahren, waren immer vorn mit dabei, mit dem Highlight Champions-League-Finale. Er ist ohne Frage ein Top-Trainer", erklärte Mittelfeldspieler Joshua Kimmich am Rande des EM-Qualifikations-Spiels der deutschen Nationalmannschaft gegen Nordirland (6:1).

Dagegen: Mauricio Pochettino setzt auf Umschaltfußball

Pochettino ist für explosiven Umschaltfußball bekannt, den er bei Tottenham mit Ex-Bundesliga-Profi Heung-min Son (Bayer Leverkusen, HSV), Sturmtank Harry Kane und dem Dänen Christian Eriksen, der ebenfalls mit den Bayern in Verbindung gebracht wurde, perfektionierte.

Ergebnisse wie das 3:0 im Achtelfinal-Hinspiel der Königsklasse in der vergangenen Saison gegen den BVB, das 4:3 im Rückspiel des Viertelfinales bei Manchester City und das 3:2 im Halbfinal-Rückspiel bei Ajax Amsterdam blieben Fußball-Fans in Erinnerung.

Gleichzeitig steht der 47-Jährige für eine kompakte Defensive. Das zeigt ein Blick auf die Premier-League-Saison 2016/17, als die Spurs nicht nur die meisten Tore schossen (86), sondern auch die mit Abstand wenigsten Gegentore kassierten (26).

Das alles klingt aber ein wenig nach Kovac-Fußball. Die Verantwortlichen des FC Bayern haben in den vergangenen Jahren immer wieder betont, innerhalb des gesamten Vereins – von den Jugendmannschaften bis zu den Profis – eine Philosophie des dominanten Ballbesitz-Fußballs verfolgen zu wollen.

Zu dieser Philosophie würde Pochettino, der für Umschaltfußball steht, nicht passen. Es bleibt zu bezweifeln, dass die Bayern nach der Kovac-Verpflichtung nochmal von der eigenen Philosophie abweichen werden.

Dagegen: Mauricio Pochettino hat nicht den ganz großen Namen

Eine weitere Ähnlichkeit zu Kovac findet sich in der Außendarstellung. Der einstige argentinische Nationalspieler ist, wie Kovac, an der Seitenlinie eher in sich gekehrt, ein ruhiger Typ, kein Lautsprecher.

Hinzu kommt, dass Pochettino in der Branche auch angesichts seines vergleichsweise jungen Alters – er ist mit 47 Jahren ein Jahr jünger als Kovac – zwar einen großen, aber nicht den ganz großen Namen hat. Laut "Bild" will Bayern-Wunschlösung Pep Guardiola, einer der erfolgreichsten Trainer der Welt, seinen Vertrag bei Manchester City (bis 2021) erfüllen. Ein Kandidat weniger.

Die Spurs haben Pochettino derweil im Eilverfahren durch José Mourinho ersetzt, seinen persönlichen Angstgegner, "The Special One", der nicht nur mit dem FC Porto (2004) und Inter Mailand (2010, gegen die Bayern) die Champions League gewann, sondern auch dreimal englischer Meister mit dem FC Chelsea (2005, 2006, 2015), zweimal italienischer Meister mit Inter Mailand (2009, 2010) und einmal spanischer Meister mit Real Madrid (2012) wurde. Unter anderem.

Dagegen: Mauricio Pochettino hat keinen einzigen Titel gewonnen

Der "kicker" rechnete in seiner Analyse bereits vor, dass es in puncto Titel 25:0 für Nachfolger Mourinho stünde. Pochettino hatte die Londoner zwar in der Premier League von Platz fünf (2015) auf Platz zwei und zur Vize-Meisterschaft (2017) geführt, um 2018 (3. Platz) und 2019 (4. Platz) jedoch wieder Ränge in der zweifelsfrei stärksten Liga der Welt einzubüßen.

Und: In den Pokal-Wettbewerben ist die Bilanz durchwachsen. Im englischen League Cup verlor er 2015 das Finale gegen Chelsea und Mourinho (0:2), 2019 scheiterte er im Semi-Finale wieder am Londoner Stadtrivalen (2:4 i.E.). Nun ist das alles nicht schlecht - aber gut genug für die revitalisierten Ansprüche des FC Bayern?

Dagegen: Die Bayern-Mannschaft gewöhnt sich an Hansi Flick

Zuletzt stürzte Tottenham in der Premier League auf Platz 14 ab. Die Bayern dagegen gewannen 4:0 gegen den BVB – gecoacht von Interimstrainer Flick. Die Münchner Star-Truppe gewöhnt sich gerade erst an den Badener als neuen Chef. Auf der Jahreshauptversammlung vergangenen Freitag war der 54-Jährige von allen Seiten mit Lob überhäuft worden.

Nicht-mehr-Präsident Uli Hoeneß hatte frenetisch in die Olympiahalle gerufen: "Hansi Flick: Unsere Mannschaft hat Borussia Dortmund attackiert, dominiert und am Ende deklassiert. Das hat mir gut gefallen!" Schon zuvor hatte sich die Identifikationsfigur des FC Bayern, Profi Thomas Müller, klar für den Mann ausgesprochen, an dessen Seite der Oberbayer 2014 die Weltmeisterschaft in Brasilien gewonnen hatte: "Die Mannschaft hat gezeigt, dass wir uns mit seinen Ideen wohlfühlen."

Und beim öffentlichen Training am Dienstag wurde eines deutlich: Spaß und gute Laune sind zurück im Team - mit Müller, Javi Martinez und Alphonso Davies standen immerhin drei Stammkräfte auf dem Platz. Wäre der nächste Wechsel des Cheftrainers also ratsam?

Unabhängig von den Münchner Vorstellungen wird auch ein Detail wichtig sein: Ob sich Pochettino nach fünf emotionalen Jahren in England überhaupt ein Engagement in der Bundesliga vorstellen könnte.

Sicher ist: Es bleibt weiter spannend an der Säbener Straße. Nicht zuletzt für Sportdirektor und Pochettino-Fan Salihamidzic. (lh)

Verwendete Quellen:

  • Kicker.de: Spurs reagieren auf Talfahrt und stellen Trainer Pochettino frei
  • Sportbild.de: Kimmich: "Pochettino ist ohne Frage ein Top-Trainer"
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.