• Am 9. Oktober wählt Niedersachsen ein neues Landesparlament - Bernd Althusmann will die CDU zur stärksten Partei machen und Ministerpräsident werden.
  • Im Interview spricht er über eigene Vorstellungen, wie man der Energiekrise Herr werden könnte, über Fehler der Bundesregierung, über mögliche Koalitionsmöglichkeiten und die Gründe, warum im Wahlkampf die Landesthemen kaum eine Rolle spielen.
Ein Interview

Herr Althusmann, die CDU hat zuletzt ihren Parteitag in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover abgehalten. Spüren Sie schon was von dem Rückenwind, den Sie sich davon versprochen haben?

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Bernd Althusmann: Absolut! Und die Umfragen, bis auf wenige Ausnahmen, sind nach wie vor offen bei der Frage, wer stärkste Kraft werden könnte – wir oder die SPD. Viele Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen sind unzufrieden mit der Ampel in Berlin. Insofern bleibe ich gelassen. Das Kopf-an-Kopf-Rennen wird sich auf den letzten Metern entscheiden. Viele Menschen sind noch komplett unentschieden, wo sie ihr Kreuz machen werden.

Auf dem CDU-Parteitag wurde ein Leitantrag zur Energiekrise beschlossen. Die Strategien der Bundesregierung, vor allem in Person von Wirtschaftsminister Robert Habeck, reichen Ihnen also nicht aus?

Bundesminister Habeck hat bisher zwei entscheidende Fehler begangen. Der erste ist die ungeklärte Frage der Gasumlage, da wird ja bereits zurückgerudert und intern darüber gestritten, wie sie abgeschafft werden kann, bevor sie eingeführt wurde. Natürlich müssen die Energieversorger gestützt werden. Aber das sollte bitte aus dem Haushalt des Bundes erfolgen und nicht über eine faktische Extra-Steuer.

Und der zweite Fehler?

Dass Herr Habeck nicht alle Reserven, die wir in Deutschland haben, von der Kernkraft über die Kohlekraftwerke und die Gaskraftwerke, jetzt startet und ans Netz bringt. Es kommt jetzt auf jede Kilowattstunde an, um die Energieversorgungssicherheit Deutschlands nicht zu gefährden. Deshalb brauchen wir hier ein großes Konzept, einen Deutschlandplan, der uns Energiesicherheit verschafft. Und deshalb müssen alle vorhandenen Potenziale auch tatsächlich genutzt werden.

Die CDU-Vorschläge zur Bekämpfung der Energiekrise, zum Beispiel der Gaspreisdeckel oder die 1.000-Euro-Energiepauschale für Geringverdiener, kosten auch jede Menge Geld. Woher soll das kommen?

Allein aus der Mehrwertsteuer, der Einkommensteuer und aus der abgeschafften EEG-Umlage sind es fast 90 Milliarden Euro, die der Bund an Mehreinnahmen kurzfristig in dieser Krise zur Verfügung hat und bis 2026 sind es sogar rund 220 Milliarden Euro. Von daher liegt es nahe, dass der Bund zunächst einmal seine eigenen Potenziale ausschöpft, um die Menschen in Deutschland zu entlasten. Und das am besten nicht, wie bisher, mit der Gießkanne. Wir müssen das Übel an der Wurzel anpacken.

Welches Übel?

Die viel zu hohen Gas- und Strompreise, die enorm belastend für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch besonders für die mittelständischen Betriebe im Land sind. Die stehen teilweise mit dem Rücken zur Wand. Viele Mittelständler schildern mir tagtäglich, dass sie im Laufe der nächsten Wochen womöglich vor dem Aus stehen, weil sie ihre Versorgerabschläge nicht mehr zahlen können. Gleiches gilt für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen, die jetzt an den Rand der Leistungsfähigkeit geraten.

Wie wollen Sie das verhindern?

Der entscheidende Vorschlag ist, einen Energiepreisdeckel für Gas- und Strom einzuführen. Das heißt, dass als Grundbedarf 75 Prozent des Vorjahresverbrauches gelten sollen und hierfür ein Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde garantiert wird. Diese Entlastung muss umgehend kommen, rückwirkend zum 1. September. Deshalb sollte der Bund jetzt nicht in Kommissionen langwierig darüber nachdenken, wie man das im europäischen Marktdesign auf den Weg bringt.

Althusmann: "Die Lösung der Schuldenbremse bleibt eine Option, die man nicht vom Tisch nehmen sollte"

Ihr Koalitionskollege und Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat gefordert, die Schuldenbremse auszusetzen, um zum Beispiel einen Energiepreisdeckel zu finanzieren – sehen Sie das genauso? Oder halten Sie es mit Ihrem Parteichef Friedrich Merz, der ein Rütteln an der Schuldenbremse kategorisch ausschließt?

Die Lösung der Schuldenbremse setzt einen nationalen Notstand voraus - der kann im nächsten Jahr drohen. Von daher bleibt aus meiner Sicht die Notbremse eine Option, die man nicht vom Tisch nehmen sollte. Die Haushaltslage der Bundesländer ist durch die Corona-Pandemie und die Kriegsfolgen erheblich angespannt. Jetzt kommen noch die Beteiligungen an den Entlastungspaketen der Bundesregierung dazu. Schon bei den ersten beiden Paketen war das Land Niedersachsen mit rund 700 Millionen Euro dabei, für das dritte Paket sind noch einmal etwa 1,4 Milliarden Euro fällig. Wir haben das mitfinanziert, aber wir kommen natürlich an unsere Grenzen. Ich sage bewusst: Die Schuldenbremse zu lösen, kann nur ein letztes Mittel sein, um schwere wirtschaftliche Folgen und eine Rezession für Deutschland abzuwenden.

Mal abgesehen von den aktuell notwendigen Maßnahmen: Wie sieht das energiepolitische Konzept der CDU für die Zukunft aus, um einerseits Energiesicherheit zu gewährleisten und andererseits die Klimakrise zu bekämpfen?

Wir brauchen jetzt einen Turbo für die erneuerbaren Energien und wir müssen die Speicherkapazitäten von Erneuerbaren über die Forschung und Entwicklung hinaus so ausgestalten, dass Strom und Wärme aus Wind, Photovoltaik, Geothermie und Biomasse auch speicherfähig wird. Dann werden wir den Weg aus der Kernkraft und aus den fossilen Energien in den nächsten Jahren schaffen. Der Krieg in der Ukraine zwingt uns jetzt zwar dazu, bei der Nutzung der Kernkraft einen Zwischenschritt einzulegen und sie bis Ende 2024 zu nutzen. Aber danach wollen wir final aussteigen.

Was heißt das für Niedersachsen?

Niedersachsen hat enorme Chancen, das Energieland Nummer eins zu werden. Unsere LNG-Terminals in Stade und Wilhelmshaven sind auch für Wasserstoff ausgelegt. Das heißt, durch das deutsche Gasnetz, das derzeit noch durch Erdgas aus dem Ausland oder aus der eigenen Förderung genutzt wird, kann langfristig auch Wasserstoff strömen – importiert über niedersächsische Häfen. Und Wasserstoff als Energieträger wird uns den Weg weisen, um hier in den nächsten Jahren klimaneutral zu produzieren. Wir sind schon heute in der Lage, mithilfe der Windenergie grünen Wasserstoff zu produzieren. Zudem leisten wir als Solarland auch einen entscheidenden Beitrag und bringen im Bereich der Geothermie Wärme-Produktion für ganze Städte und Regionen voran. Mein klarer Plan für Niedersachsen 2032 ist, dass wir es schaffen, die Energiewende hin zum klimaneutralen Industrieland zu gestalten, indem wir ganz stark auf erneuerbare Energien setzen. Da können wir noch eine Schippe drauflegen.

Katrin Göring-Eckardt

Wie geht's weiter mit der Gasumlage? Katrin Göring-Eckardt macht klare Aussage

Zur umstrittenen Gasumlage, einer Alternative und deren Finanzierung sollen nach Worten der Vize-Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt bis Ende der Woche wichtige Weichen gestellt werden. Es sei klar, "dass wir bis Ende dieser Woche eine Lösung haben werden, was die Frage der Gasumlage angeht, und was die Frage angeht: Was haben wir stattdessen? Gibt es einen Deckel? Und woher kommt das Geld?", sagte die Grünen-Politikerin am Mittwochabend in der ARD-Talksendung "maischberger". (dpa) Copyright Teaser Bild: IMAGO / NurPhoto

Sie haben gesagt, die Landtagswahl am 9. Oktober wird auch eine Abstimmung über die Ampel werden. Sonst sagen Politiker doch immer, Landtagswahlen hätten mit Bundespolitik nichts zu tun. Warum jetzt auf einmal doch?

Weil die Ampel in Berlin im Moment mehr mit Streitereien in grundsätzlichen Fragen beschäftigt ist, als mit einer wirkungsvollen Lösung der großen Krise. Das ist eine schwierige Perspektive für unser Land. Ich kann es nur aus der aktuellen Wahlkampfsituation schildern. Die typischen landespolitischen Themen wie Landwirtschaftspolitik, Bildungspolitik, selbst innere Sicherheit und viele andere Themen werden im Moment total überlagert, weil die Menschen existenzielle Ängste und Sorgen haben mit Blick auf ihre Gas- und Strompreise. Das wird in vielen Familien stärker debattiert als so manches landespolitische Thema. Ich hatte auch gehofft, dass wir uns viel stärker auf typische Landesthemen konzentrieren können. Aber die Frage nach der Bundespolitik und einer auf breiter Front versagenden Ampel steht im Zentrum aller Debatten.

Mit wem wollen Sie eigentlich im Fall der Fälle koalieren? Herr Weil hat einer Neuauflage von Rot-Schwarz eine Absage erteilt, auch die Grünen sind nicht gerade erpicht auf eine Zusammenarbeit mit Ihnen.

Das ist typisches Wahlkampfgetöse. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Schleswig-Holstein, dort vielleicht mit Abstrichen, hat es eine sehr zugespitzte Konfrontation auch der unterschiedlichen parteilichen Lager gegeben. Dennoch hat man in beiden Bundesländern den Weg zueinander gefunden. Das heißt, die demokratischen Parteien sind in der Lage, miteinander Kompromisse zu schließen. Ich trete nicht für ein bestimmtes Bündnis an, also mit FDP oder SPD oder Grünen, sondern ich sage, die CDU soll stärkste Kraft in Niedersachsen werden. Daraus ergeben sich dann Koalitionsoptionen.

Welche halten Sie für möglich?

Eine große Koalition unter CDU-Führung ist keineswegs ausgeschlossen. Es gibt sogar Sozialdemokraten, die damit liebäugeln. Herr Weil will das auf keinen Fall. Und die Grünen kokettieren jetzt damit, dass es schwierig werden könnte mit einer schwarz-grünen Koalition, aber sie haben auch klar gesagt, dass sie mit allen Seiten sprechen werden. Aber den Wählerinnen und Wählern muss klar sein: Wer SPD wählt, kriegt Rot-Grün und stützt damit die Ampel in Berlib. Wenn die Niedersachsen Rot-Grün nicht wollen und auch keine Ampel, dann braucht es eine starke CDU.

Ministerpräsident Weil will ein niedersächsisches Milliardenhilfsprogramm zur Bekämpfung der Notlage aufsetzen. Das brauchen die Bürger doch, oder nicht?

Das ist eine rein durch den Wahlkampf getriebene Äußerung, die auch im Haushalt nicht abgesichert ist. Den Bürgern zu sagen: "Wählt mich für eine Milliarde Euro und die Rechnung bezahlen andere", halte ich für unseriös und wenig glaubwürdig. Das zeigt auch die große Nervosität - man könnte fast sagen die Panik der Sozialdemokraten, womöglich doch hinter der CDU zu landen.

Aber der bayerische Ministerpräsident Markus Söder von Ihrer Schwesterpartei CSU hat doch jetzt auch einen Härtefallfonds und Bürgschaften für mittelständische Unternehmen versprochen – in Höhe von einer Milliarde insgesamt. Ist er auch unseriös und naiv?

Markus Söder befindet sich auch nicht am Ende einer Wahlperiode. Er kann über einen Nachtragshaushalt die Mittel bereitstellen. Zudem ist Bayern wirtschaftlich viel stärker als Niedersachsen, sie können das womöglich aus eigener Kraft tatsächlich leisten. Insofern sehe ich da schon einen qualitativen Unterschied.

Zurück zu Ihnen: Sie sind 2013 einen ungewöhnlichen Schritt gegangen und mit Ihrer Familie nach Namibia gezogen. Warum?

Das war eine unverhoffte Chance, dass ich für die Konrad-Adenauer-Stiftung fast drei Jahre ins südliche Afrika nach Namibia und Angola gehen konnte. Diese Zeit war sowohl für mich persönlich als auch für meine gesamte Familie eine wichtige Erfahrung, das hat mich sehr geerdet nach langen Jahren in der Politik. Ein neuer Blickwinkel ist immer ein Gewinn.

Haben Sie ein konkretes Beispiel, was Ihnen aus der Zeit besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Meine Familie und ich haben dort mehrfach in einer Suppenküche unserer Schule ausgeholfen. Wir haben dort Suppe für rund 100 Kinder gekocht und in Katutura, einem Viertel in Windhoek, verteilt. Dort leben rund 200.000 Menschen in Wellblechhütten und die Frage der Ernährungsversorgung spielt eine große Rolle. Als meine Kinder, meine Frau und ich dort an die recht unterernährten Kinder Suppe und auch Saft verteilt haben, habe ich unweigerlich darüber nachgedacht, in was für einem Wohlstand wir in Deutschland leben. Auch wenn ich weiß, dass es auch bei uns im Land Bedürftigkeit, Obdachlosigkeit und Lücken im sozialen Netz gibt, hat es uns doch vor Augen geführt, dass wir für Vieles sehr dankbar sein können.

Zur Person: Bernd Althusmann wurde in Oldenburg geboren und wuchs in der Nähe von Lüneburg auf, anschließend wurde er Offizier der Bundeswehr und studierte Pädagogik sowie Betriebswirtschaft. Der 55 Jahre alte jetzige Wirtschaftsminister der rot-schwarzen Landesregierung in Niedersachsen war von 2010 bis 2013 bereits Kultusminister, 2017 versuchte er zum ersten Mal, Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) abzulösen. Das misslang, obwohl die CDU in den Umfragen lange vorne lag. Zwischen seinen Ministerposten leitete er zweieinhalb Jahre lang in Afrika die Vertretung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung für Namibia und Angola.
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