• Zum ersten Mal seit drei Jahren trägt die CDU wieder einen Parteitag in Präsenz aus.
  • Mit Spannung erwartet: die Rede des Vorsitzenden Friedrich Merz und seine mögliche Auseinandersetzung mit der Frauenquote.
  • Er ermahnt seine Partei, sich auf die drängenden Probleme des Landes zu konzentrieren. Adressat seiner Rede ist aber vor allem die Ampel-Regierung.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Denis Huber sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Ein knappes Jahr ist es her, dass die CDU die größte Niederlage ihrer Geschichte einstecken musste. Vermutlich sendet Parteichef Friedrich Merz auf dem CDU-Parteitag auf dem Messegelände Hannover daher gleich zu Beginn seiner mit Spannung erwarteten Rede eine Botschaft an die 1.001 Delegierten.

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"Wir sind zurück auf Platz 1 der deutschen Parteien", ruft der Parteichef mit Verve in den Saal - und hat damit gleich die Mitglieder hinter sich. In allen Umfragen liegt die Union deutlich vor den Parteien der Ampel-Regierung, wenngleich die - je nach Umfrageinstitut - 26 bis 28 Prozent sicher noch nicht die Ansprüche der einstigen Volkspartei erfüllen.

Auf dem ersten Präsenzparteitag seit drei Jahren will die CDU die Wunden nach der Bundestagswahlschlappe lecken, sich erneuern, sich ein moderneres Gewand geben und vor allem attraktiver für Frauen und junge Wählerschichten werden.

CDU-Chef Merz: "Wichtiger, dass wir über unser Land sprechen"

Doch zu viel Selbstbeschäftigung soll es in Krisenzeiten nicht sein. Energiekrise, Inflation, Existenzängste - die Sorgen der Menschen in Deutschland angesichts des Ukraine-Krieges und seiner Folgen sind zu groß, um sich in internen Diskussionen über eine Frauenquote zu verlieren.

"Wir werden auf diesem Parteitag auch über uns selbst sprechen - wichtiger aber ist, dass wir über unser Land sprechen", sagte Merz bei dem zweitägigen Treffen unter dem Motto "Mit klarem Kurs. Mehr Sicherheit für Deutschland". Während in der aktuellen Krise Führung und klarer Kurs gefordert sei, "leistet sich unser Land eine der wohl schwächsten Bundesregierungen aller Zeiten", ätzte Merz in Richtung der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP.

Es müsse deutlich werden, "was eine CDU-geführte Bundesregierung anders machen würde". Ein erster Versuch: Die Delegierten unterstützten einen vom Bundesvorstand eingebrachten Leitantrag, der unter anderem eine Abschaffung der von der Ampel-Regierung beschlossenen Gasumlage sowie den Weiterbetrieb aller drei deutschen Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus fordert.

Scholz und Merz liefern sich Schlagabtausch im Bundestag

Normalerweise liest Kanzler Olaf Scholz seine Reden größtenteils ab. In der Generaldebatte des Bundestags legt er das Manuskript beiseite. Und bläst zur Attacke auf die Opposition.

Merz-Appell an Kanzler Scholz: "Stoppen Sie dieses rot-gelb-grüne Narrenschiff"

Nach dem altbewährten Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" warf Merz der Bundesregierung Versagen im Umgang mit der Energie- und Wirtschaftskrise vor. Er forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, "dieses rot-gelb-grüne Narrenschiff zu stoppen". An den Kanzler appellierte er zudem: "Korrigieren Sie diesen Kurs, damit unser Land nicht in eine ernsthafte Wirtschaftskrise abstürzt."

Besonders scharf attackierte er Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Nur mit Kinderbüchern und Philosophie könne man die Probleme des Landes nicht lösen, ätzte er in Richtung Habeck und zitierte den Titel des von Habeck verfassten Buches "Kleine Helden, große Abenteuer". Merz fuhr fort: "Wir sind nicht Bullerbü. Wir sind die viertgrößte Industrienation der Welt, die es sich nicht leisten kann, ein Trainee-Programm für Bundeswirtschaftsminister aufzusetzen."

Vorwürfe aus der Ampel, die Union sei mit ihrer Politik der vergangenen 16 Jahre alleine verantwortlich für die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas, wies Merz scharf zurück. Sich derart abhängig gemacht zu haben, sei "eine große politische Dummheit" und naiv gewesen. Dies müsse nun korrigiert werden. "Aber ich werde es nicht zulassen, dass der Eindruck erweckt wird in Deutschland, dass dies allein 16 Jahre CDU und CSU gewesen sind." 20 von 24 der vergangenen Jahre hätten Sozialdemokraten in Deutschland mitregiert. "Sie tragen mindestens genauso dieselbe Verantwortung für diese Dummheit und für diese Naivität und für diese Fehler."

Mit besonderer Schärfe kritisierte Merz die Russland-Verbindungen des früheren SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, der lange als Lobbyist für russische Energiekonzerne tätig war. Der CDU-Chef sprach in diesem Zusammenhang von "abgrundtiefer Korruption" bei der SPD.

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Wettern gegen Gendern im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Besonders in Wallung geriet das Parteipublikum, als Merz sich erneut indirekt gegen das Gendern im öffentlich-rechtlichen Rundfunk positioniert. Er sagte: "Universitäten, meine Damen und Herren, und öffentlich-rechtlicher Rundfunk sind keine Volkserziehungsanstalten." Sie hätten einen staatlichen Bildungs- und Informationsauftrag. Er forderte die Sender auf, sich an Regeln zu halten, "die wir uns alle in diesem Land gegeben haben - auch für die Verwendung der deutschen Sprache".

Wenn man einen Auftrag ausführe, der mit Gebühren finanziert werde, dann könne man erwarten, dass man sich an die "allgemein anerkannten Regeln in der Nutzung der deutschen Sprache" hält, ergänzte Merz unter aufbrausendem Applaus auf dem Parteitag.

Auch die Pressevertreter begrüßte Merz. Es gebe die "stolze Zahl" von 58 Redakteurinnen und Redakteuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. "Mit ihnen werden wir uns im Verlaufe dieses Parteitages besonders liebevoll beschäftigen", kündigte der Parteichef an.

Fünfeinhalb Minuten Applaus bekam der Vorsitzende am Ende seiner Rede - das Wort "Frauenquote" hatte er darin nicht ein Mal in den Mund genommen.

Erst später am Abend bei der Abstimmung über die Einführung einer Frauenquote nutzte Merz die Gelegenheit, um für seinen Vorschlag zu werben - mit Erfolg: 559 Delegierte stimmten für den Kompromiss. Dieser sieht vor, dass die Quote bis Ende 2029 befristet wird. 409 Delegierte stimmten nach einer leidenschaftlich geführten Debatte gegen die Neuregelung, 11 enthielten sich.

Mit Material von dpa und afp.

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