Der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat schaltet voll auf Angriff, die etablierten Parteien knöpfen sich die die AfD vor: Die Berliner Runde der Spitzenpolitiker, genannt "Elefantenrunde", gibt einen Hinweis auf den zukünftigen Ton der politischen Diskussion in Deutschland.

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Möglicherweise hat sich Martin Schulz vor der Berliner Runde noch einmal die Aufnahme von 2005 angesehen: Damals hatte der knapp abgewählte Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seinem ziemlich selbstzufriedenen Auftritt für Aufsehen gesorgt.

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Auch der diesjährige SPD-Kanzlerkandidat schaltet in der Runde der Spitzenpolitiker plötzlich voll auf Angriff. "Ich glaube, dass Frau Merkel einen Wahlkampf geführt hat, der skandalös war." Die Bundeskanzlerin sei ein "Ideen-Staubsauger", die zu allem bereit sei, eine Jamaika-Koalition zu schmieden, um im Amt zu bleiben.

Martin Schulz: Klare Absage an Große Koalition

"Meine Stimmung ist gut", sagt Schulz, der für seine Partei das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte eingefahren hat. Hat da jemand den Wahlkampf eingeläutet, nachdem diese Kampagne gerade vorbei ist?

"Was Sie jetzt machen, ist das, was Sie im Wahlkampf nicht gemacht haben", stellt die sichtlich entrüstete Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckhardt fest.

Schulz gibt sich als überraschend harter Hund. Die Moderatoren belehrt er, er führe seinen Satz zu Ende, wenn er das wolle.

Und einer erneuten Großen Koalition erteilt er eine klare Absage: "Die Menschen wollen sie nicht, und die Rolle, die wir zugewiesen bekommen haben, ist die einer Oppositionspartei."

Deutschland brauche mehr Konfrontation, sagt ausgerechnet Schulz, dem manch einer gerade zu wenig Konfrontation im Wahlkampf vorgeworfen hatte.

Nach der verlorenen Wahl entscheidet er sich offenbar doch noch dafür. An seinem Nein zur "GroKo" muss Schulz nach diesem Auftritt eigentlich auf jeden Fall festhalten. Sonst wäre seine Glaubwürdigkeit schnell dahin.

Angst vor dem Regieren?

Normalerweise nehmen Parteien an Wahlen teil, weil sie nach Macht streben. In der sogenannten Elefanten-Runde kann der Zuschauer aber den Eindruck bekommen, dass im Fernsehstudio ziemlich erschrockene Elefanten Platz genommen haben.

Zum Regieren bekennt sich eigentlich nur die Union. Die recht zurückhaltende Kanzlerin jedenfalls mahnt die anderen Parteien dazu, Verantwortung zu übernehmen. "Dieses Land hat verdammt viele Zukunftsaufgaben zu lösen", so Angela Merkel.

Aber wen kann sie davon überzeugen? Merkels mögliche Koalitionspartner jedenfalls wirken fast ein bisschen neidisch auf die Verweigerungshaltung von Schulz.

"Wir werden nicht zulassen, dass die SPD entscheidet, wer in eine Koalition gezwungen wird und wer nicht", meint FDP-Chef Christian Lindner. Und die Grünen? Als Lindner sagt, der Klimaschutz sei auch für die Liberalen ein politisches Ziel, wirkt Katrin Göring-Eckhardt fast ein bisschen erschrocken.

Abenteuerliches von AfD-Mann Jörg Meuthen

Der Vorsitzende der Partei, die in Zukunft wohl dem Bundestag einen neuen Diskussionsstil bescheren wird, gibt sich gemäßigt. "Krawall ist für uns keine Kategorie", sagt der AfD-Co-Vorsitzende Jörg Meuthen.

Ziemlich abenteuerlich ist seine Behauptung, die AfD erziele ihre besten Ergebnisse unter gut integrierten Migranten. Und ziemlich abenteuerlich ist auch diese Behauptung: "Wir werden Ausländerfeindlichkeit und Rassismus nicht dulden, wir haben sie aber auch schlicht nicht in unseren Reihen."

Die anderen Parteien sind offenbar nicht bereit, die Neulinge im Bundestag künftig zu schonen.

Meuthen wirbt um die FDP, um gemeinsam einen Untersuchungsausschuss gegen Angela Merkel einzusetzen. Lindner aber bezeichnet die AfD als "Partei, die völkische Reinheitsgedanken pflegt und auf Abschottung setzt".

Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping fährt die vielleicht gezielteste Attacke auf den neben ihr sitzenden Meuthen: Jede soziale Ungerechtigkeit wolle die AfD den Flüchtlingen zuschieben, so Kipping: "Wer wissen will, wo das Geld geblieben ist, der darf nicht nur nach unten treten, sondern muss auch nach oben schauen."

In einem sind sich in der Runde übrigens auch zwei sehr gegensätzliche Politiker einig: CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann beklagt, die Berichterstattung der beiden großen Fernsehsender habe die AfD erst groß gemacht.

Und die Grüne Katrin Göring-Eckhardt betont: "Ich bin nicht dazu bereit, mir jede Debatte von der AfD bestimmen zu lassen."

Nach einem eher ruhigen Start wird es doch noch lebendig in der Berliner Runde. So lebendig, dass ARD-Moderator Rainald Becker stellenweise fast ein bisschen genervt wirkt.

Eines ist jedenfalls klar: Auf Deutschland kommen turbulente politische Debatten zu.

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