Bricht die Große Koalition nach den Wahlschlappen auseinander? Diesem Eindruck wollen ihre Vertreter bei Maybrit Illner entgegentreten: Malu Dreyer hat noch "Lust, was zu bewegen". Und Philipp Amthor will über eine CO2-Steuer reden.

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"GroKo in der Sackgasse": Gefühlt war das Thema schon im vergangenen Jahr Titel jeder zweiten Talkshow. Doch inzwischen ist die Lage noch ernster.

Am Donnerstagabend findet sich bei Maybrit Illner im ZDF eine besonders illustre Runde ein: mit einem polarisierenden Jung-Politiker, zwei lächelnden Landesoberhäuptern und der Vorsitzenden einer Partei im Höhenflug. Das verspricht interessant zu werden.

Was ist das Thema?

Seit den Europawahlen ist die ohnehin angeschlagene Koalition aus Union und SPD in noch größerer Aufregung. Andrea Nahles hat nicht nur den Partei- und Fraktionsvorsitz der Sozialdemokraten hingeworfen, sondern sich ganz aus der Politik zurückgezogen.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wiederum steht wegen umstrittener Äußerungen über Meinungsmache im Netz in der Kritik. Daher will Maybrit Illner von ihren Gästen wissen: Hat die GroKo noch eine Zukunft? Oder sind Neuwahlen unausweichlich?

Wer sind die Gäste?

Malu Dreyer: Seit Montag ist die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin eine von drei kommissarischen SPD-Vorsitzenden. Sie räumt ein, dass viele Menschen ihrer Partei nicht mehr zutrauen, die Zukunft zu gestalten. Von einem Ende der Großen Koalition und Neuwahlen will Dreyer trotzdem nichts wissen: "Ich habe Lust, noch was zu bewegen."

Markus Söder: Bayerns Ministerpräsident hat sein typisch süffisantes Lächeln aufgesetzt – schließlich ist es dieses Mal ausnahmsweise nicht seine CSU, die die GroKo an den Abgrund geführt hat. Der CSU-Vorsitzende stellt mehr als ein Mal klar: Bei den Europawahlen habe seine Partei ganz passabel abgeschnitten.

Annalena Baerbock: In ihrer eigenen Partei wird schon darüber diskutiert, welchen Kanzlerkandidaten man aufstellen könnte. Beim Thema Neuwahlen gibt sich die Grünen-Chefin aber zurückhaltend. Lieber hätte sie offenbar, dass die GroKo ihren Wählerauftrag erfüllt – und den Grünen so weiterhin als Zielscheibe dient. Baerbock kritisiert zum Beispiel, dass die Bundesregierung den Kompromiss zum Kohleausstieg zu träge umsetze: "Das schmort seit Januar in der Schublade."

Philipp Amthor: Der junge CDU-Abgeordnete stellt sich demonstrativ hinter seine Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Die mache den Job als Vorsitzende "hervorragend", findet Amthor. "Es ist immer besser unterschätzt als überschätzt zu werden", sagt er. Das wisse er aus eigener Erfahrung.

Katharina Nocun: Die Netzaktivistin und Bloggerin hat genug von der Politik von Union und SPD. "Wir müssen radikaler sein", sagt sie über den Klimaschutz. Und auch bei der Rentenpolitik hat sie nicht das Gefühl, dass die Große Koalition an die Interessen junger Menschen denkt: "Ich gehe davon aus, dass ich bis weit über 70 arbeiten werde – und davon werde ich meine Miete in Berlin immer noch nicht bezahlen können."

Hajo Schumacher: Der Kolumnist der Berliner Morgenpost stellt der Bundesregierung ebenfalls ein schlechtes Zeugnis aus. Er habe schon vor 40 Jahren, als er selbst noch jung war, mehr Umweltschutz gefordert. "Unsere Kinder sagen jetzt zurecht: Ihr habt es nicht hingekriegt."

Was war das Rede-Duell des Abends?

Wie radikal darf Klimaschutz sein und wer setzt ihn am besten um? Darüber kriegen sich Grünen-Chefin Baerbock und der neue selbsternannte Umweltschützer Söder in die Haare.

Der bayerische Ministerpräsident kritisiert, dass die bayerischen Grünen es abgelehnt hätten, den Klimaschutz in die Landesverfassung aufzunehmen – obwohl die Partei das Thema sonst immer für sich beanspruche.

Baerbock widerspricht, dabei habe es sich nur um ein "Label" gehandelt. "Es muss sich konkret vor Ort etwas ändern", sagt sie – und wirft der CSU vor, den Ausbau erneuerbarer Energien im Land zu blockieren. Der Rest geht fast im Stimmengewirr unter.

Was war der Moment des Abends?

Philipp Amthor hat in der Sendung noch nicht allzu viele Sätze gesprochen und irgendetwas über Verantwortung gesagt, da fällt ihm Hajo Schumacher genervt ins Wort.

"Sie klingen wie Wolfgang Bosbach", sagt der Journalist, und weiter: "Sie gehorchen Mutti!", womit wohl die Kanzlerin gemeint ist.

Der Vergleich des 26-Jährigen mit seinem 40 Jahre älteren Parteifreund Bosbach mag zwar stimmen, Witze über das etwas zu bemüht seriöse Auftreten des Jung-Politikers sind trotzdem reichlich ausgelutscht.

Amthor pariert den Angriff dann auch gekonnt: "Ich hatte schon gewettet, wie lange Sie brauchen werden für den ersten Alters-Joke."

Wie hat sich Maybrit Illner geschlagen?

Die Moderatorin zeigt sich hartnäckig und humorvoll. Wenn nötig, bricht sie die Vorträge der Gäste ab. Und wenn möglich, scheut sie auch kleine Provokationen nicht. Zum Beispiel gegenüber Markus Söder.

Bayerns Ministerpräsident will, dass die Union "cooler" wird und mehr auf Umweltschutz setzt. Dabei hatte sein Parteifreund Alexander Dobrindt im vergangenen Jahr noch zur "konservativen Revolution" aufgerufen. "Widersprüchlicher geht’s nicht, oder?", fragt Illner süffisant.

Was ist das Ergebnis?

"Ich glaube, das wäre eine Chance für alle Beteiligten", sagt Aktivistin Katharina Nocun über die Frage nach Neuwahlen. Damit steht sie in der Runde allerdings fast alleine da. Die drei Vertreter der Großen Koalition beschwören ihren Willen, weiter miteinander regieren zu wollen.

Auch Annalena Baerbock rüttelt noch nicht im übertragenen Sinne an den Gittern des Kanzleramts. Deshalb könnte die Lehre dieses Abends heißen, dass wohl eher alles beim Alten bleiben wird: Die GroKo macht weiter und bemüht sich krampfhaft, aus dem ewigen Krisenmodus herauszukommen.

Immerhin haben die Ereignisse der vergangenen Wochen bei einigen aber offenbar Eindruck hinterlassen. Der bekennende Konservative Philipp Amthor will eine CO2-Steuer nicht mehr grundsätzlich ablehnen – auch wenn er lieber von einer ökologischen Steuerreform spricht. "Da müssen wir mal drüber reden", sagt Amthor. Falls die GroKo doch platzt, wäre das vielleicht eine Brücke zu den Grünen.

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