• In der Ukraine-Krise kommen aus der SPD widersprüchliche Signale.
  • Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Alt-Kanzler Gerhard Schröder treiben die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 voran.
  • Andere Sozialdemokraten wollen das Projekt stoppen, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin seine Armee in die Ukraine schickt.
  • Ein Treffen der Parteispitze soll Klarheit bringen.
Eine Analyse
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Es herrscht Gesprächsbedarf bei der SPD. Auf Einladung von Parteichef Lars Klingbeil kommen am Montag führende Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zusammen. Das Thema der Parteiklausur: die Ukraine-Krise und die Haltung gegenüber Russland.

Seit Wochen beherrscht die Situation in Osteuropa die Außenpolitik. Der russische Präsident Wladimir Putin hat rund um die Ukraine geschätzte 100.000 Soldaten zusammengezogen. Dass er in das Nachbarland einmarschieren will, gilt zumindest als ein mögliches Szenario. Ausgerechnet die SPD als größte Regierungspartei gibt in dieser Krise ein uneindeutiges Bild ab.

"Beseelt von Brandts Ostpolitik"

Wie man es mit Russland hält, ist in der SPD zum Teil eine Generationenfrage. Fraktionschef Rolf Mützenich und der frühere Parteivize Ralf Stegner haben in den vergangenen Wochen dazu aufgerufen, Verständnis für russische Befindlichkeiten zu zeigen. Das Gleiche gilt für den früheren Brandenburger Ministerpräsidenten Matthias Platzeck, der inzwischen Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forum ist. Die älteren SPD-Granden seien zum Teil noch "beseelt von der Ostpolitik Willy Brandts", heißt es bei den Koalitionspartnern der Ampel-Koalition, die sich deutlicher auf die Seite der Ukraine stellen.

Wirtschaftliche Interessen in Mecklenburg-Vorpommern

Hinzu kommen wirtschaftliche Interessen, vor allem im SPD-regierten Mecklenburg-Vorpommern. Im dortigen Hafenstädtchen Lubmin soll das russische Gas aus der Pipeline Nord Stream 2 ankommen, sobald die fertiggestellt ist. Wie das Portal t-online.de berichtet, hat sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig in den vergangenen Jahren mehrmals mit Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder getroffen. Der bekennende Freund von Wladimir Putin ist Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG und Präsident des Verwaltungsrats bei der Nord Stream 2 AG.

Über den Inhalt der Gespräche wollte Schwesig keine Auskunft geben. Bekannt ist aber, dass die Landes-SPD enge Kontakte zu Russland geknüpft hat und darauf besteht, dass die Pipeline in Betrieb geht. Schwesigs Vorgänger als Ministerpräsident, der SPD-Politiker Erwin Sellering, ist Vorsitzender der "Stiftung Klima- und Umweltschutz". Nach Darstellung von t-online.de verfolgt die Stiftung in erster Linie das Ziel, Zuliefererbetriebe für Nord Stream 2 vor US-Sanktionen zu schützen.

Gerhard Schröder hört das "Säbelrasseln" bei der Ukraine

Altkanzler Schröder, der von 1999 bis 2004 auch SPD-Vorsitzender war, hatte in der vergangenen Woche bereits für Aufsehen gesorgt. Im Podcast "Die Agenda" warf er der Ukraine "Säbelrasseln" vor. Zugleich kritisierte er Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), weil sie vor ihrem Besuch in Moskau vor zwei Wochen zunächst die Ukraine besucht hatte.

"Ich habe mich gewundert, dass man Russland besucht und vorher in Kiew ist. Na gut, das haben die Russen wohl hingenommen", sagte Schröder. "Ich hoffe, dass dieses Modell beim China-Besuch nicht wiederholt wird - woher auch immer dann die Reise kommt."

Führende Außenpolitiker auf Distanz zu Russland

Schröders Engagement für Nord Stream 2 und seine Freundschaft zum Autokraten Putin sind Teilen der SPD schon länger peinlich. In der aktuellen Situation kommen sie der Parteiführung besonders ungelegen. Denn Bundeskanzler Olaf Scholz schließt es bisher zwar aus, der Ukraine Waffen zur Verteidigung gegen Russland zu liefern. Er hat aber klargestellt, dass die Bundesregierung das Pipeline-Projekt stoppen könnte, wenn Russland wirklich in der Ukraine einmarschiert.

Auch führende Außenpolitiker der Sozialdemokraten stehen für eine harte Haltung gegenüber Moskau. Der frühere Bundesaußenminister Heiko Maas galt immer als Kritiker Putins, genau wie sein Staatsminister Michael Roth, der inzwischen Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag ist.

Roth kritisierte in einem Interview mit n-tv.de, dass Schröder statt Russland der Ukraine Säbelrasseln vorwirft: "Ich halte mich da lieber an die Fakten. Und die lassen doch keine Zweifel zu, wer die Verantwortung für die aktuelle militärische Eskalation trägt: Wenn 100.000 gefechtsbereite russische Soldaten die Ukraine militärisch einkreisen, dann ist das eine ganz konkrete Bedrohung", sagte Roth.

Sigmar Gabriel will "Diskussionen ohne Tabus"

Die offizielle SPD-Haltung – Ja zu Sanktionen gegen Russland, aber Nein zu Waffenlieferungen an die Ukraine – kommt aber auch von der anderen Seite parteiintern unter Druck. Der frühere SPD-Chef und Außenminister Sigmar Gabriel findet, Deutschland solle Waffenlieferungen nicht gänzlich ausschließen. "Was wir bei der Ukraine jetzt brauchen, ist eine Diskussion ohne Tabus und Denkverbote in der Öffentlichkeit und im Bundestag", sagte er der "Bild am Sonntag".

Der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil sagte zu den Äußerungen von Schröder und Gabriel in der ZDF-Sendung Berlin Direkt: "Wir nehmen gerne Ratschläge entgegen und es ist auch völlig okay, wenn andere sich in die Debatte einmischen. Aber die, die Verantwortung für die Partei tragen, die sind klar und deutlich und unmissverständlich."

Die Ukraine, aber auch NATO-Partner wie Polen, die baltischen Staaten und nicht zuletzt die USA, kritisieren, dass Deutschland sich im Konflikt nicht eindeutig positioniere. Zu Beginn der Ampel-Koalition hatte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gesagt, die Linien der Außenpolitik würden künftig im Kanzleramt vorgegeben. Das sei derzeit aber nicht der Fall, kritisierte die Wochenzeitung "Die Zeit": "Die Desorientierung der Partei macht es Scholz unmöglich, das Volk zu orientieren."

Die internen Parteigespräche am Montag hat der Co-Vorsitzende Klingbeil im ZDF als "Routinetreffen" bezeichnet. Beratungsbedarf dürfte trotzdem reichlich vorhanden sein. Eine anschließende Information der Öffentlichkeit über Verlauf oder Ergebnisse der Beratungen ist allerdings nicht geplant. (Mit Material von dpa)

Quellen:

  • Deutsche Presse-Agentur
  • t-online.de: Vertrauliche Gespräche, anonyme Deals - Schwesigs Russland-Geheimnis
  • N-tv.de: Michael Roth über Ukraine-Krise "Die Gefahr einer Invasion ist nicht gebannt"
  • ZDF.de: Klingbeil: Krieg in Europa verhindern
  • Zeit.de: Olaf Scholz: Warum so gehemmt?
Gerhard Schröder, Altkanzler, Bundeskanzler, SPD, Ukraine-Konflikt, Waffenlieferungen, 2022

Gerhard Schröder reagiert erbost auf Kritik aus der Ukraine an Deutschland

Die deutsche Absage an Waffenlieferungen in die Ukraine hat dort für Unverständnis gesorgt und Kritik hervorgerufen. Diese hält Gerhard Schröder, Bundeskanzler von 1998 bis 2005, für komplett überzogen. Schröder spricht von "Säbelrasseln" seitens der Ukraine und betont, "Schuldzuweisungen" schlügen "dem Fass den Boden aus."
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