Die EM ist vorbei, die Bundesliga noch nicht gestartet, für die Tour de France interessieren sich nur noch pensionierte Sportlehrer mit Lieblingszeltplatz in Frankreich und Wimbledon ist seit den Zeiten von Boris Becker auch nicht unbedingt interessanter geworden. Das sonst so verlässliche Thema Sport lässt sich diese Woche schon mal nicht ins Schaufenster dieses Wochenrückblicks stellen.

Eine Kolumne
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Bleibt also der Klimawandel. Gerade in dieser Woche, in der wir die unmöglich in Worte zu fassenden Tragödien vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz erleben mussten. Wobei es immer noch erschreckend viele Menschen gibt, die den menschengemachten Klimawandel leugnen. "Klimaextremitäten hat es schon immer gegeben und außerdem darf man Klima nicht mit Wetter verwechseln." Sätze wie diesen musste ich in den vergangenen Tagen häufiger hören als Lisa Eckhard und Dieter Nuhr die Vokabel "Cancel Culture".

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Diese Sätze kommen zumeist von denselben Klimaexperten, die nebenberuflich als Virologen tätig sind und anhand von fundierter YouTube-Recherche jederzeit aus dem Stegreif erläutern können, warum Corona eine Erfindung der Eliten ist und wie Bill Gates uns mit Chemtrails dazu zwingen möchte, uns per 5G-Technologie Überwachungs-Chips unter die Haut zu mogeln.

Zumeist Kandidaten, die hauptberuflich ungefragt überall erläutern, Greta Thunberg, Annalena Baerbock und Luisa Neubauer wären wohlstandsverwahrloste Rotzgören, die uns allen die Bratwurst, das Auto und den Mallorca Urlaub klauen wollen.

Wer oder was ist ein ZDF?

Fast wünschte man sich, diese Allround-Genies der Klimawandel-Verharmlosungs-Armee hätten diese Woche mal "Maybrit Illner" gesehen, die ZDF-Talkshow am Donnerstagabend. Das ZDF, die Älteren werden sich erinnern, war mal der Sender von "Wetten, Dass …?", "Schwarzwaldklinik" und "ZDF Hitparade" und glänzt heute mit einer Qualitätsoffensive, die sich in erster Linie aus Showkonzepten zusammensetzt, die von Johannes B. Kerner moderiert und nach maximal zwei Ausgaben wieder eingestellt werden.

Bei "Maybrit Illner" jedenfalls diskutierte eine illustre Runde mehr oder weniger qualifizierter Klima-Fachleute über die aktuellen Hochwasser-Katastrophen und den Klimawandel im Allgemeinen. Hochrangige Klimawissenschaftler wie Jörg Meuthen fehlten dabei allerdings aus unerklärlichen Gründen. Der wackere Kämpfer gegen eventuell vielleicht womöglich ganz zart rechtsradikale Tendenzen in seiner, naja, "Partei" durfte dafür dann im großen ZDF-Sommerinterview nochmal explizit klarstellen, dass es keinerlei Anzeichen für einen menschengemachten Klimawandel gäbe.

Gut, da steht seine AfD-Meinung gegen die der überwältigenden Mehrheit aller Experten. Etwa gegen die von fast 27.000 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die sich alleine in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu "Scientists for Future" zusammengetan haben. AfD – oder wie man in Wissenschaftskreisen sagt: "Nonscientists for No Future".

Es ist vorbei, bye bye CO2

Fast würde man sich wünschen, Meuthen und die zahlreichen Klimawandel-Querdenker hätten sich "Maybrit Illner" auch angesehen und den beinahe wütend echauffierten Eckhard von Hirschausen erlebt, der mit einigen plakativen Beispielen die Dringlichkeit und Alternativlosigkeit für massive, weitreichende und konsequente Änderungen in unserer Klimapolitik skizzieren konnte. Leider gucken Beschützer des 59-Cent-Nackensteaks aus Massentierhaltung recht wenig ZDF - und Mario Barth lädt sich eben selten Wissenschaftler in seine Sendungen ein. Kennta, kennta wahrscheinlich keine.

Die AfD jedenfalls bestreitet jedweden Zusammenhang von CO2-Ausstoß und Klimaveränderung. Gleichzeitig ist es Meuthen und Co. aus unerfindlichen Gründen noch immer nicht gelungen, die klimabedingten Wetterphänomene irgendwie Flüchtlingen in die Schuhe zu schieben. Oder wie der Kabarettist Florian Schröder sagt: "Ich bin auch für Klimaschutz, aber ..." ist das neue "Ich bin kein Nazi, aber ...".

#LaschetRücktritt vs. #BaerbockPlag

Stichwort Phänomen: Können Sie sich vorstellen, in einem Land zu leben, in dem ein Kanzlerkandidat augenscheinlich eine heimliche Wette laufen hat, ob er es schafft, sich in wirklich jedes verfügbare Fettnäpfchen mit Anlauf und per Arschbombe reinzustürzen – und trotzdem in Umfragen deutlich vorne liegt?

Könnte Fremdscham überflüssiges CO2 aus der Atmosphäre entfernen, würden Greta Thunberg und Luisa Neubauer mit "Armin Laschet Superhero"-Shirts durch die Welt laufen. Hätte Olaf Scholz sich auch nur ein Zehntel der Fauxpas geleistet, die sich Anti-Krisenmanager Laschet seit Monaten erlaubt, wäre er schon längst nur noch Hausmeister im Willy-Brandt-Haus.

Und selbst wenn Annalena Baerbocks nächstes Buch "Romeo und Julia" heißen würde und die tragische Liebesgeschichte zweier junger Menschen aus verfeindeten Familien-Clans zum Inhalt hätte, das überraschend viel inhaltliche Deckungsgleichheit mit einem Werk von William Shakespeare aufweist, könnte man sich kaum so sehr wünschen, sie würde niemals ins Kanzleramt einziehen, wie man es sich wünscht, wenn man Armin Laschet im Angesicht von über 150 toten Menschen und über 1.000 Vermissten im Hintergrund Witzchen reißen sieht, während Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Angehörigen sein Beileid ausspricht.

Fettnäpfchen-Festival 2021

Während Armin Laschet also von Aussetzer zu Aussetzer taumelt und Annalena Baerbock ihrer Salami-Taktik treu bleibt, Korrekturen an Lebenslauf, Nebenerwerbstätigkeiten und Buch nur häppchenweise einzustreuen, damit wirklich jeden Tag aufs Neue darüber berichtet werden kann, könnte sich im Windschatten des Politik-Boulevards eine kleine Sensation anbahnen. Vermehrt höre ich in meinem erweiterten Bekanntenkreis dieser Tage Aussagen à la "inzwischen denke ich echt darüber nach, Olaf Scholz zu wählen".

Und ja: Seine Krisenfestigkeit würde uns vermutlich helfen. Plus: Im Peinlichkeits-Parcours der Spitzenkandidaten belegt er den abgeschlagenen letzten Platz. Das muss man als CDU auch erstmal schaffen, dass der in die Ausschreitungen während des G20-Gipfels und den Wirecard-Skandal signifikant involvierte Kandidat des Juniorpartners in der Koalition dennoch als der mit Abstand fähigste und integerste Kandidat gilt.

Inwieweit sich die Menschen dann Ende September in den Wahlkabinen tatsächlich daran erinnern, wer in den vergangenen Monaten am wenigsten waghalsige Selbstdemontage-Stunts aufs Parkett gelegt hat, weiß ich natürlich nicht. Dass sich irgendwer ernsthaft Armin Laschet eher als geeigneten Kanzler vorstellen kann als Olaf Scholz, scheint mittlerweile surrealer als der sofortige Wiederaufstieg von Schalke 04.

Wichtig ist am Ende ja auch nur, dass niemand aus Frust oder Politikverdrossenheit gar nicht wählt, oder noch schlimmer: AfD. Da kann man sogar besser die FDP wählen. Das ist zwar in weiten Teilen auch nur noch ein industriehöriger Haufen pseudo-liberaler Spaßpolitiker, aber wenigstens wollen sie nicht an der Grenze auf Flüchtlinge schießen lassen.

So, jetzt aber für diese Woche genug dieses mittelmäßig lustigen satirischen Wochenrückblicks, den wieder 95 Prozent aller Kommentatoren mit einer offiziellen DPA-Meldung verwechseln werden. Schließen möchte ich diese Woche mit etwas Ernstem: Wenn Sie den einen oder anderen Euro entbehren können, spenden Sie bitte für die schnellstmögliche Hilfe in den Gebieten, in denen das Hochwasser die verheerendsten Schäden angerichtet hat. Vielen Dank und bis kommende Woche!

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