• Zum dritten Mal in Folge ist die DFB-Elf bei einem großen Turnier früh ausgeschieden.
  • DFB-Präsident Bernd Neuendorf kündigte eine Krisensitzung an.
  • Die ist auch bitter nötig - denn 2024 steht die Heim-EM an.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Victoria Kunzmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Mit gesenkten Häuptern schlichen sie über den Rasen, den Tränen nahe stellten sich Joshua Kimmich, Thomas Müller und Kollegen den Medien in der Mixed Zone - und tief betrübt landeten sie am Freitagabend in Deutschland. Die Weltmeisterschaft in Katar endete für die deutsche Nationalmannschaft im Fiasko.

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Toplevel war einmal. Die politische Debatte, die mit dem Streit um die One-Love-Binde eskalierte und dem DFB einen Brandherd bescherte, befeuerte die Kritiker der deutschen Mannschaft zusätzlich. DFB-Präsident Bernd Neuendorf kündigte eine Krisensitzung mit Bundestrainer Hansi Flick, Sportdirektor Oliver Bierhoff und DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke an. Seine Erwartung an die sportliche Leitung sei eine "sportliche Analyse dieses Turniers", sagte Neuendorf, "dass sie aber auch Perspektiven entwickelt für die Zeit nach dem Turnier mit Blick auf die Europameisterschaft im eigenen Land".

Was sich bis dahin sportlich und strukturell ändern muss, damit die deutsche Nationalmannschaft erfolgreicher ist.

Punkt 1: Die Defensive stabilisieren

Fünf Gegentreffer in drei Gruppenspielen – mehr als die deutsche Nationalmannschaft beim WM-Triumph 2014 während des kompletten Turniers kassierte. Auch in der Qualifikation, in der Nations League, in Testspielen – die DFB-Elf gab defensiv selten eine gute Figur ab. Bei der WM in Katar wurde Antonio Rüdiger gelobt, Nico Schlotterbeck und Niklas Süle zerrissen – ihnen unterliefen mehrere Fehler, Schlotterbeck sah bei der 1:2-Niederlage gegen Japan nicht gut aus.

Im entscheidenden Gruppenspiel gegen Costa Rica rückte Hansi Flick von der defensiven Viererkette ab. Diese hatte zuvor aus den drei genannten Innenverteidigern und David Raum bestanden. Im letzten Spiel kam dann die Dreierkette plus Joshua Kimmich als sehr offensiver Rechtsverteidiger. Der Plan ging in keinem Spiel auf, die Lücken waren zu groß, die Abwehrleute zu langsam, zu harmlos, zu ungenau.

Punkt 2: Die Stürmerfrage endlich klären

Niclas Füllkrug war einer der wenigen Gewinner bei dieser WM. Der Stürmer von Werder Bremen war Matchwinner gegen Spanien und traf gegen Costa Rica noch einmal. Die späte Berufung eines Unkonventionellen, eines Spaßvogels, eines Machers, der viele Sympathiepunkte sammelte, aber doch nie von Beginn an ran durfte. Warum nicht?

Hansi Flicks System war bis zum Schluss ein Rätsel. Statt wie im modernen Fußball nahezu jede Mannschaft setzte er nicht auf den klassischen Neuner, sondern auf den falschen. Thomas Müller blieb blass vorn, die Tore machten andere. Zum Beispiel Kai Havertz mit einem Doppelpack gegen Costa Rica. Ebenfalls kein klassischer Neuner. 25 Torchancen gegen Japan, 16 gegen Costa Rica. Effizienz sieht anders aus.

Es braucht deutsche Mittelstürmer, die Tore machen – oder wenigstens einen Offensivmann wie Havertz, der weiß, was zu tun ist und angespielt wird. Ein klares System eben.

Punkt 3: DFB muss die Qualität der Mannschaft hinterfragen

Von "Qualität" und "Talent" wurde viel gesprochen bei der Nationalmannschaft. Eigenschaften, die sie sich selbst gern zusprach, die aber niemand anzuzweifeln wagte: Haben die Spieler tatsächlich diese Qualität? Entscheidend ist der Maßstab. Mit wem misst man sich?

Bierhoff sagte selbstkritisch: "Bei drei schlechten Turnieren habe ich keine Argumente."

Das größte Talent der deutschen Nationalmannschaft ist Jamal Musiala, der seine Klasse zuletzt gegen Costa Rica offenbarte. Zur Wahrheit gehört auch: Der 19-Jährige wurde in England ausgebildet.

Deutsche Stürmer auf Weltklasseniveau? Fehlanzeige. Deutsche Abwehrspieler auf Topniveau? Eine Seltenheit. Der zehnte Meistertitel mit dem FC Bayern reicht zwar in Deutschland, aber nicht mehr international.

Punkt 4: Das Image des DFB muss besser werden

Top-TV-Quoten erzielen Spiele der deutschen Nationalmannschaft nur noch selten. Auch das Finale der Frauenfußball-EM im Sommer lockte mehr Menschen vor die Fernseher als eines der WM-Spiele. Slogans wie "Die Mannschaft" gingen nach hinten los. Videos, die die Solidarität der Nationalmannschaft zeigen sollten, gerieten zum PR-Desaster.

Bei der WM waren deutsche Fans, die in Doha weilten, enttäuscht: Das DFB-Team bekamen sie nie zu Gesicht, es residierte mehr als 100 Kilometer nördlich der Hauptstadt Katars, schottete sich ab. Flick hielt seine Spieler teilweise von der Pressekonferenz fern. ZDF-Experte Sandro Wagner appellierte an den DFB: "Wir brauchen wieder Euphorie und müssen die Fans wieder reinholen!"

Auch die Debatte um die "One Love"-Binde trug nicht positiv zum Image des Verbands bei. Spieler wie Leon Goretzka kündigten "Zeichen" für Menschenrechte und gegen die Situation in Katar an. Das kollektive Mund zuhalten auf dem Mannschaftsfoto war für viele zu wenig.

Punkt 5: Die DFB-Elf muss wieder kämpfen

Eine Forderung, die mit dem Image zusammenhängt: Die Mannschaft muss auf dem Platz alles geben. Bilder wie die des schreienden Oliver Kahn oder des blutenden Bastian Schweinsteiger stehen für die Fans sinnbildlich für Nationalspieler, die ihr letztes Hemd für Schwarz-rot-gold geben.

Rüdiger sagte nach dem letzten Spiel "die letzte Gier, das Dreckige" habe gefehlt. Zwei Jahre bleiben, um die Gier wiederzufinden.

Verwendete Quellen:

  • TV-Programm von ARD und ZDF
  • Kicker.de: Zehn Gründe fürs deutsche Scheitern in Katar
  • Spiegel.de: Flick bleiben 18 Monate für die Wende

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