Die Gegner der deutschen Nationalmannschaft bei der EM im kommenden Jahr haben ganz unterschiedliche Stärken und Schwächen. Auf dem Papier sollte der gefährlichste Gegner die Schweiz sein - die aktuell beste Mannschaft ist aber eine andere.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Das hätte schlimmer können - erst für Julian Nagelsmann und dann für die deutsche Nationalmannschaft. Der heftige Wintereinbruch in Bayern zwang Nagelsmann am Samstagvormittag zu einer nicht geplanten Autofahrt von München nach Hamburg.

Mehr News zum Thema Fußball

Der Bundestrainer fand rechtzeitig und sicher ans Ziel in der Hamburger Elbphilharmonie und durfte sich nach der Auslosung der Gruppenphase der Europameisterschaft im kommenden Jahr zufrieden vor die Mikrofone stellen. "Das ist eine sehr interessante Gruppe, in der wir uns durchsetzen wollen", zog Nagelsmann ein erstes Fazit über die Gegner Schottland, Ungarn und die Schweiz. "Es ist keine Todesgruppe, aber eine sehr gute."

Einigen der ganz dicken Brocken war das DFB-Team als Gastgeber und gesetzte Mannschaft in Topf eins schon vor der Ziehung aus dem Weg gegangen. Dass ihm nun auch Titelverteidiger Italien und die Niederlande erspart blieb, genauso wie die Türkei oder Österreich, gegen das Deutschland jüngst in zwei Testspielen verloren hatte, stimmte die deutsche Delegation sichtlich zufrieden.

Aber auch die auf dem Papier schlagbaren deutschen Gegner sollten Anlass zur Vorsicht geben - aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Schottland: Die "Tartan Army" steht im Rücken

Die Schotten haben sich erst zum vierten Mal überhaupt für eine EM-Endrunde qualifiziert und bei ihren bisherigen Teilnahmen die Gruppenphase nie überstanden. Die Mannschaft von Trainer Steve Clarke ist wohl der schwächste deutsche Gegner, mit seinem wenig hochkarätig besetzten Kader und einem recht einfachen Spielstil.

Unterschätzen sollten man das Team deshalb aber nicht. Die Schotten dürften beim Eröffnungsspiel in München von ihrer Tartan Army zu zehntausenden unterstützt werden, waren in ihrer Qualifikationsgruppe bis zum vorletzten Spieltag auf Augenhöhe mit Spanien und hatten die Furja Roja zu Hause sogar mit 2:0 besiegt.

In der Offensive hapert es zwar ein wenig, in der 4-2-3-1-Grundordnung fehlt es an einem geeigneten Spielmacher und auch am Tempo über die Flügel. In der Defensive ging Clarkes Plan mit Ausnahme der Niederlage in Spanien und zwei wilden, aber schon bedeutungslosen Spielen gegen Norwegen (3:3) und Georgien (2:2) aber in der Regel auf.

Die Schotten sind schwer zu bespielen und zu schlagen, das haben die Qualifikationsspiele gezeigt. "Das Auftaktspiel wird schon ein Brett", vermutet Julian Nagelsmann. "Ich freue mich auf die Schotten. Das wird ein toller Fight, die bringen viele Fans mit, da wird tolle Stimmung sein - und es wird natürlich anspruchsvoll", sagt DFB-Sportchef Rudi Völler.

Ungarn: Großer Entwicklungssprung seit drei Jahren

Noch eine ganze Spur unbequemer als die Schotten dürfte sich die ungarische Nationalmannschaft im kommenden Sommer präsentieren. Ungarn ist eine der Mannschaften, die in den letzten drei, vier Jahren mit die größten Entwicklungsschritte gemacht hat.

Noch bestens in Erinnerung sollte das letzte Aufeinandertreffen bei einem großen Turnier sein, als sich die deutsche Mannschaft im Sommer 2021 erst auf dem letzten Drücker gegen widerspenstige Ungarn das Ticket fürs EM-Achtelfinale sichern konnte. Seitdem ist einiges passiert - bei der deutschen Mannschaft und bei den Ungarn.

In der Nations League jedenfalls blieb die Mannschaft des Italieners Marco Rossi in zwei Spielen gegen Deutschland ungeschlagen, siegte im letzten September sogar 1:0 in Leipzig. Die Ungarn verfügen über eine eingespielte Mannschaft, die ihren Fokus klar auf das Spiel gegen den Ball legt und aus einem kompakten 5-4-1 agiert.

In der Qualifikationsphase blieb Rossis Team in acht Spielen ungeschlagen und holte Platz eins seiner Gruppe. Die letzte Niederlage der Ungarn ist bald anderthalb Jahre her (1:2 in Italien), danach gab es fünf Remis und sieben Siege - darunter auch ein spektakuläres 4:0 in Wolverhampton gegen England.

Der Star der Mannschaft dürfte der ehemalige Leipziger Dominik Szoboszlai sein, der in der Offensive Spiele im Alleingang entscheiden kann. Die Ungarn werden in Deutschland bestimmt nicht mit vielen klangvollen Namen aufwarten. Als verschworene Einheit ist die Mannschaft aber jederzeit in der Lage, auch den größten Nationen weh zu tun.

Schweiz: Große Namen, interne Probleme

Im Nachbarland war der Jubel in den Medien groß, als die "Nati" in die deutsche Gruppe gelost wurde. Von einem "Traumlos" ist zu lesen und tatsächlich können sich die Schweizer in der auch aus ihrer Sicht machbaren Gruppe große Chancen auf die K.o.-Runde ausrechnen.

Die Mannschaft von Murat Yakin ist immer noch gespickt mit aktuellen oder ehemaligen Bundesligaspielern und angeleitet von der sehr erfahrenen Achse Yann Sommer, Manuel Akanji, Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri. Das Team ist deshalb aber auch ein wenig in die Jahre gekommen, für einige dieser Spieler dürfte die EM ihr letztes großes Turnier werden.

Auch deshalb steht die große Frage im Raum, ob die Mannschaft noch einmal zu einem großen Auftritt wie bei der letzten EM in der Lage ist, als die Schweiz immerhin den damals amtierenden Weltmeister Frankreich aus dem Wettbewerb kegelte und im Viertelfinale erst im Elfmeterschießen an Spanien gescheitert war.

Die Spiele in der Qualifikationsrunde geben wenig Anlass zur Hoffnung. Selbst in einer schwach besetzten Gruppe tat sich die Schweiz bis zum Schluss schwer und offenbarte in den letzten Wochen einige hausgemachte Probleme.

So soll das Verhältnis zwischen Trainer Yakin und Spielmacher Xhaka stark belastet sein, in den Medien kursierten zudem Gerüchte, dass sich Teile der Mannschaft gegen eine Zusammenarbeit mit Yakin ausgesprochen hätten. Erst ein Machtwort des Verbands beendete die Spekulationen um einen Rauswurf Yakins - vorerst.

Die Schweiz hätte definitiv die Qualität zum Erreichen der K.o.-Phase. Dafür ist die Mannschaft in allen Mannschaftsteilen einfach zu gut besetzt. Die große Frage wird sein, ob die Nati im kommenden Sommer auch wieder als geschlossene Einheit auftreten kann. Dann ist mit der Schweiz zu rechnen.

Verwendete Quelle:

  • https://www.kicker.de/nagelsmann-das-auftaktspiel-wird-schon-ein-brett-982435/artikel


JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.