Heute Abend spielt die deutsche Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation gegen San Marino. Trotz des zu erwartenden Kantersieges war das Nürnberger Stadion nicht ausverkauft. Keine Stars, unattraktive Gegner, dazu teure Ticketpreise: Was sind die Gründe für das geringe Interesse am DFB-Team?

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Tore der deutschen Nationalmannschaft gegen Fußballzwerg San Marino sind quasi garantiert. Eine ausverkaufte Kulisse fanden Sandro Wagner, Joshua Kimmich und Kollegen in Nürnberg aber bei weitem nicht vor. Viele Plätze im Stadion blieben leer.

Die Euphorie, wie sie in Deutschland während des Sommermärchens oder beim Gewinn des WM-Titels 2014 herrschte, ist vorbei.

Bei Bastian Schweinsteigers Abschiedsspiel im August 2016 blieben rund 15.000 Plätze im Mönchengladbacher Borussia-Park unbesetzt, bei Lukas Podolskis Abschied waren es fast 20.000 Plätze.

Gegen San Marino drohte laut "kicker" sogar das schwächste Zuschauerinteresse im Stadion bei einem Pflicht-Heimspiel der deutschen Nationalmannschaft seit 16 Jahren. Gründe gibt es mehrere.

Nach dem Triumph folgt die Flaute

Der Hype um die deutsche Nationalmannschaft ist abgeflaut: "Die wichtigsten und besonderen Spiele sind immer noch bestens besucht, aber der Hype, der durch die Heim-WM zwischen 2005 und 2014 entstand, hat ein wenig abgenommen", gab Teammanager Oliver Bierhoff im "kicker" zu.

Nur eines der vergangenen sieben Heimspiele der DFB-Elf war ausverkauft.

Mit dem Weltmeisterschaftstitel 2014 erreichte die Nationalelf ihren größten sportlichen Erfolg.

Bei der folgenden EM-Qualifikation und der Europameisterschaft begeisterte das Team nur noch selten mit attraktivem Fußball.

Zudem traten in den vergangenen Jahren mehrere Fanlieblinge zurück: Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski, Miroslav Klose, Philipp Lahm.

Die Eintrittspreise sind zu hoch

Die teuerste Karte für das Spiel gegen San Marino in Nürnberg kostete 80 Euro, die günstigste war für 25 Euro zu haben, ermäßigt für 18 Euro.

Dennoch sind sie um einiges teurer als Tickets für Bundesliga-Spiele.

Der Stadionbesuch für eine Familie mit zwei Kindern in der Kurve kostete am Samstag 140 Euro – bestehend aus zwei Vollzahlern zu 45 Euro und zwei Kindern, die 25 Euro zahlen.

Zum Vergleich: Eine Stehplatz-Dauerkarte in der Nordkurve kostet beim 1. FC Nürnberg mit 160 Euro gerade einmal 20 Euro mehr.

Allerdings sind die Ticketpreise beim DFB seit Jahren dieselben. Der Preis ist also nur eines der K.-o.-Kriterien.

Kroos, Neuer, Özil: Die DFB-Stars fehlen

Die meisten WM-Helden von 2014 sind beim Confed Cup ab dem 17. Juni nicht dabei, ebenso beim Quali-Spiel gegen San Marino.

Trainer Joachim Löw schont die Stars um Toni Kroos, Manuel Neuer, Sami Khedira, Mesut Özil, um Talente und bisher nicht berücksichtigte Spieler zu testen.

Torwarttrainer Andreas Köpke rechtfertigte sich in der "Nürnberger Zeitung": "Wir haben uns entschieden, den Confed Cup als Chance zu nutzen für die Spieler, die hinten dran sind."

Hummels, Boateng und Neuer hätten die Spiele ohnehin verletzt verpasst. Dennoch: Die Zuschauer vermissen die großen Namen.

Unattraktiver Gegner, unattraktiver Wettbewerb

Statt gegen internationale Superstars spielte Deutschland gegen die Nummer 204 der FIFA-Weltrangliste.

Ein Sieg des DFB-Teams war Pflicht und selbstverständlich – Spannung sieht für das Publikum anders aus. "Es ist ein Spiel, das nicht so reizvoll ist, wie die Spiele gegen die großen Nationen", sagte Abwehrspieler Jonas Hector im "kicker". Im Qualifikations-Hinspiel gewannen Jogis Jungs 8:0.

Ähnliche Situation in der WM-Qualifikation: Das Team führt die Gruppe mit 15 Punkten aus fünf Spielen an – die Teilnahme an der WM 2018 ist nicht gefährdet.

DFB-Präsident Reinhard Grindel sieht hier die Ursache für den Zuschauerschwund: "Das Grundproblem ist keineswegs die abnehme Akzeptanz oder eine überzogene Kommerzialisierung. Die Zuschauer haben ein feines Gespür, ob es um etwas geht oder nicht", sagte er in der "Frankfurter Allgemeinen".

Die Reaktion: Kleinere Stadien, mehr Attraktivität

Der DFB hat das Problem des geringen Zuschauerinteresses erkannt. "Ein Länderspiel muss etwas Besonderes sein", sagte Oliver Bierhoff.

Grindel will der FIFA eine Entschlackung des Terminkalenders im Vereinsfußball vorschlagen.

Durch Spiele in mehreren Wettbewerben wären die Fans großer deutscher Fußballklubs gesättigt. Sein Vorschlag: Länderspiele in kleineren Stadien, "wo kein oder kaum internationaler Fußball gespielt wird."

Beim Länderspiel gegen Ungarn 2016 testete der DFB "Familienpakete", bei denen Jugendliche Tickets für fünf Euro bekamen.

Ausverkaufte Stadien sind vorerst jedoch unwahrscheinlich: Die nächsten beiden WM-Qualifikationsspiele in Deutschland finden gegen Norwegen und Aserbaidschan statt.

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