Bundesliga-Fans reiben sich verwundert die Augen: Der HSV ist nichts anderes als ein Meisterschaftskandidat - ganz, ganz, ganz sicher. Zudem stinkstiefelt Thomas Müller herum und in Dortmund lässt Nuri Sahin einen gewissen Ousmane Dembélé bereits vergessen. Unsere - wie immer nicht ganz ernst gemeinten - Lehren des Spieltags.

Eine Glosse

1. Lehre: Meisterschaftskandidat Hamburg zeigt der Bundesliga den Stinkefinger

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In der Bundesliga passieren aktuell nahezu unglaubliche Dinge: Frank Buschmann zeigt, dass er in der Lage ist, alltägliche Spielszenen mit einer Lautstärke von unter 100 Dezibel zu kommentieren.

Die artikulierten Gedankengänge von Sky-Experte Reiner Calmund dauern weit unter einer Minute.

Und: Der Hamburger SV ist nach zwei Spieltagen und sechs Punkten - und wir übertreiben ganz, ganz, ganz sicher nicht - voll auf Meisterschaftskurs.

HSV mit zwei Siegen zum Bundesliga-Auftakt Jetzt mal Butter bei die Fische: Kann der HSV in dieser Saison oben mitspielen?
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Fast wirkt es so, als ob die Hamburger denjenigen, von denen sie in der Vergangenheit so häufig verspottet wurden - also 99 Prozent aller Fußballfans - nun auf ihre Art den Stefan-Effenberg-Gedächtnisfinger entgegenrecken.

Frei nach dem Motto: "Haha, verarscht - eigentlich sind wir schon seit Jahren ein Spitzenteam. Haben nur nicht immer Bock gehabt, das auch zu zeigen."

Doch natürlich gab es an diesem Abend neben der Tatsache, dass die Hamburger mit 3:1 beim 1. FC Köln gewannen, auch noch andere erwähnenswerte Ereignisse.

Da war zum Beispiel die Verletzung von Schiedsrichter Dr. Felix Brych, der von seinem Kollegen Sören Storks ersetzt werden musste.

Und dieser wiederum schickte HSV-Verteidiger Mergim Mavraj nach nicht mal einer Minute mit Gelb-Rot vom Platz.

Noch dilettantischer als Mavrajs Vergehen, das zum Platzverweis führte, war allerdings der Auftritt von Hamburgs Kyriakos Papadopoulos, der nach einer harmlosen Auseinandersetzung mit Kölns Jhon Cordoba eine dermaßen peinliche Schauspieleinlage ablieferte, dass diese selbst einem Arjen Robben die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte.

Und dann war da natürlich noch die Story um den nicht funktionierenden Eurosport-Player, weshalb zahlreiche Fußball-Fans den HSV-Sieg gar nicht erst sehen konnten - und Eurosport zur Zielscheibe für Hohn und Spott wurde.

Und so nutzten am Freitagabend so manche eine fast schon vergessene Alternative, wie zum Beispiel dieser Köln-Fan:

An diesem aus "Effzeh"-Sicht gebrauchten Tag war das Eurosport-Player-Fiasko also vielleicht gar nicht mal so verkehrt. Dann mussten sich viele Fans diese unnötige Pleite wenigstens nicht im Bewegtbild anschauen.

2. Lehre: Thomas Müller macht auf beleidigte Weißwurst

Zwei Spiele, zwei Siege: Was Fußballdeutschland vom HSV selbstredend erwartet hatte, ist zum Auftakt dieser Bundesliga-Saison unter anderem auch dem FC Bayern gelungen.

Dank zweier später Tore von Robert Lewandowski gewannen die Münchner mit 2:0 in Bremen und damit zum 16. Mal in Folge gegen Werder.

Dennoch ist in München keineswegs alles im Lot. Ausgerechnet Gute-Laune-Onkel Thomas Müller macht auf beleidigte Weißwurst und bemängelt in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk seine geringe Einsatzzeit bei der Partie in Bremen.

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"Ich weiß nicht genau, welche Qualitäten der Trainer sehen will. Aber meine sind scheinbar nicht hundertprozentig gefragt", grantelte der Weltmeister.

Der Frust ist nicht nur verständlich, sondern auch berechtigt. Niemand weiß, wie Trainer Carlo Ancelotti auf die Idee kommen kann, fußballerische B-Ware wie Arjen Robben, Franck Ribéry, Thiago oder Lewandowski aufzubieten. Und das im ohne Wenn und Aber wichtigsten Spiel der Saison.

Wir freuen uns jedenfalls über das Müller-Gemecker. Denn nachdem das Dembélé-Theater in Dortmund seit vergangenen Freitag endlich beendet ist, nehmen wir eine Prise FC Hollywood doch gerne mit ...

3. Lehre: Lieber elf Sahins als einen Dembélé

Apropos Dembélé-Theater. Damit landen wir umgehend beim alten und neuen Tabellenführer: Borussia Dortmund.

Der fertigte die Berliner Hertha am Samstagabend souverän mit 2:0 ab und schnellte somit am FC Bayern vorbei an die Tabellenspitze.

Einer der Torschützen: Nuri Sahin. Sozusagen Dortmunds Anti-Dembélé. Der nach dem Abschied von Kevin Großkreutz mit Abstand borussigste Borusse in Schwarz-Gelb. Einer, der das "Echte Liebe"-Motto wahrscheinlich auf seiner rechten Pobacke tätowiert hat - direkt neben dem Abbild der Südtribüne auf der linken.

"Ich will nicht der Beste sein, ich will nicht der Wichtigste sein - ich will nur Teil der BVB-Familie sein", sagte Sahin nach dem Spiel.

Wenn jemand wie Sahin so etwas von sich gibt und nach Toren stets mit den Fans jubelt, sich dabei aufs Wappen klopft und mit seinen Händen ein Herz formt, nehmen wir es ihm eins-zu-eins so ab. Weil es authentisch ist. Und weil es nicht nur dazu dient, sich bei denjenigen einzuschleimen, die mit ihren gekauften Tickets und Trikots mit dafür sorgen, dass die Millionengehälter pünktlich gezahlt werden.

Es mag naiv klingen, vielleicht arg fußballromantisch: Doch es sind diese Typen, die der Fußball braucht. In einer Welt, in der bis zu 148 Millionen Euro für 20-Jährige gezahlt werden, umso mehr.

Und wer sich doch kein Trikot von Sahin, sondern eines gewissen Franzosen gekauft hatte, dessen Erpressungsversuch im Endeffekt belohnt wurde, kann es ja einfach wie dieser Fan machen:

4. Lehre: Alle anderen haben Schuld - nur man selbst nicht

Kommen wir zum Abschluss zu unser aller Lieblingsthema dieser Tage, dem Videobeweis. Mensch, was hatten wir für Sorgen: Ausgerechnet im Land der Nörgler und Motzkis wurde zu Beginn der Saison dieses den Fußball revolutionierende Hilfsmittel eingeführt.

Worüber soll denn dann noch diskutiert werden, wenn wir uns nicht mehr über die Schiedsrichter aufregen können? Schauen wir am Sonntagvormittag den zum Teil selbsternannten Fußball-Experten ab sofort nur noch zu, wie sie ihr Weißbier trinken und hier und da über den FC Bayern philosophieren? Nein, zum Glück nicht!

Nachdem am ersten Spieltag der Videobeweis für Diskussionen sorgte, weil hier und da die Technik streikte, sorgten an diesem Wochenende die Entscheidungen der Video-Schiedsrichter für Kopfschütteln. Die Augsburger schimpften, die Mainzer schimpften - und natürlich auch die Leverkusener in Form von Sportchef Rudi Völler.

Bayers Berufs-Verbalrundumschläger wetterte, dass vor Hoffenheims Treffer zum 2:2 durch Mark Uth ein Foulspiel an Benjamin Henrichs vorausgegangen war.

"Das war ein klares Foul, da sind die wohl in Köln vor dem Fernseher eingeschlafen. Dann brauchen wir keinen Videobeweis, wenn eine solche Szene nicht gesehen wird", schimpfte Völler.

Hoffenheim-Coach Julian Nagelsmann sah die Szene naturgemäß anders: "Henrichs hätte noch weiterlaufen können. Ich sehe keinen Grund, dieses Tor nicht zu geben."

Wie so häufig kann man auch in diesem Fall entweder dieser oder jener Meinung sein.

Vielleicht wäre es aber auch einfach sinnvoller, die eigene Leistung zu hinterfragen. Betreiben die Leverkusener in der ersten Halbzeit nicht solch einen eklatanten Chancenwucher, gewinnen sie die Partie mühelos.

Und dann wäre mal ausnahmsweise nicht wieder jemand anderes Schuld.

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