Zwei Wochen läuft die Bundesliga-Saison im Jahr 2023 und die Nerven beim FC Bayern liegen schon wieder blank. Drei Unentschieden in Folge sind offenbar genug, um den Rekordmeister gehörig aus der Balance zu bringen. Lothar Matthäus spekulierte am Wochenende bei "Sky90" gar, dass es nach weiteren Misserfolgen bereits sehr kritisch werden könnte für Bayern-Trainer Julian Nagelsmann.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Öffentlich überlagerten zuletzt die Trennung von Torwarttrainer Tapalovic und die Reaktionen auf den Paris-Trip von Serge Gnabry sogar noch die sportlichen Probleme auf dem Platz.

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Und auch auf dem Transfermarkt schlägt der FC Bayern nochmals zu. Der portugiesische Weltklasseverteidiger João Cancelo (28) von Manchester City wird in Kürze auf Leihbasis zur Mannschaft stoßen. Schon der zweite große Transfer nach der Verpflichtung von Yann Sommer. Ganz schön viel los für Ende Januar.

Fakt ist: Der Vorsprung in der Bundesliga schmilzt und ein Ausscheiden gegen Mainz im Pokal am Mittwoch würde wohl endgültig Krisenmodus bedeuten. Stand jetzt ist die Hektik übertrieben. Der FC Bayern hat in dieser Saison ein einziges Spiel verloren. Die Leistungen sind nach dem Restart der Bundesliga durchwachsen. Trotzdem geht der FC Bayern unter normalen Umständen und besserer Chancenverwertung mit zwei Siegen aus den drei Partien zum Auftakt.

Die Ergebniskrise hat handfeste Ursachen, doch alle Probleme sind lösbar, wenn Nagelsmann und sein Team die richtigen Schlüsse ziehen.

1. Keine eingespielte Mannschaft

Es ist schon auffällig wie viele Spieler derzeit davon sprechen, dass die Form des Novembers mit 10 Siegen in Folge völlig verflogen ist. Joshua Kimmich sprach schon nach dem 1:1 gegen den 1. FC Köln vom "Flow", den man verloren habe und wiederfinden müsse. Es ist diese unerklärliche Mischung aus Leichtigkeit, Selbstvertrauen und Spielglück die eine Mannschaft über Wochen tragen kann. Was der FC Bayern derzeit zeigt, ist das Gegenteil davon.

Fast jeder Angriff wirkt umständlich und anstrengend. Und wenn es dann doch mal schnell geht, steht ein unnötiger Fehlpass in den Rücken eines startenden Angreifers im Weg und alles beginnt wieder bei Null. Die Klarheit und Selbstverständlichkeit aus dem Oktober und November ist weg. Zudem machten die Bayern-Gegner aus sehr wenigen echten Chancen jeweils ein Tor.

Nagelsmann kann der Mannschaft jedoch stärker helfen. Gerade in Phasen in denen man sich den Spielfluss wieder erarbeiten muss, kann es sinnvoll sein eine Mannschaft einzuspielen und das festzuhalten was funktioniert. Zwar musste Nagelsmann auch verletzungsbedingt wechseln, doch manche Entscheidungen wirkten verkopft.

Ryen Gravenberch, der gegen Köln maßgeblichen Anteil an einer starken zweiten Halbzeit hatte, blieb gegen Frankfurt zunächst außen vor. Dafür spielte Musiala neben Kimmich in einer eher selten eingeübten tieferen Position. Auf der Rechtsverteidigerposition tauchte plötzlich Stanisic auf. Gegen Köln kam Coman früh für Gnabry. Gegen Frankfurt begann dann Müller.

Bis zum richtungsweisenden Duell gegen Paris Saint Germain in der Champions League bleiben noch drei Spiele. Bis dahin sollte sich eine Mannschaft einspielen können.

2. U statt Vertikal

Wenn die Selbstverständlichkeit fehlt und sich Fehler häufen nimmt eine Mannschaft irgendwann Risiko im Passspiel heraus. Das ist nachvollziehbar, aber schadet Bayerns Spiel enorm. Gegen Frankfurt war zu sehen, wie die Sorge vor Fehlpässen irgendwann dazu führte, dass Bayern fast jeden Aufbau rund in einer U-Form über die Außen aufbaute, statt schnell und vertikal über die 8er. Nagelsmann sprach dies auch selbst nach dem Spiel in aller Klarheit an.

Ein U im Aufbau ist träge und leicht zu verteidigen, weil der Ball so weit weg aus gefährlichen Zonen gehalten werden kann. Selbst bei einem Durchbruch über die Außenverteidiger, sind meist noch mehrere Absicherungen verfügbar und der Weg zum Tor weit.

So hat jeder Gegner den FC Bayern dort, wo er ihn haben will. Hier hat der FC Bayern kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Dafür braucht es wieder mehr Risikobereitschaft. Schon die Partie gegen Mainz wird zeigen, ob die Analyse nach dem Spiel gegen Frankfurt Wirkung gezeigt hat.

3. Musiala braucht mehr Unterstützung

Es war zu erwarten, dass die teilweise blamable Weltmeisterschaft bei einigen Bayern-Spielern Spuren hinterlassen wird. Jamal Musiala war zwar noch einer der Lichtblicke im deutschen Kader, doch auch ihm fehlt jetzt sichtbar die Leichtigkeit der Hinrunde.

Zudem muss sich Musiala an eine neue Rolle gewöhnen. Er ist nicht mehr der unbekümmerte Youngster der sich seine Momente suchen konnte, sondern steht inzwischen voll im Fokus der gegnerischen Defensivkonzepte.

Vor allem gegen Leipzig war zu sehen, wie Musiala kurz nach Ballannahme von zwei oder drei Defensivspielern attackiert wurde. Schaltet man Musiala aus, nimmt man dem FC Bayern ein spielentscheidendes Element im Offensivspiel. Das hat nun jeder verinnerlicht. Eine Auszeichnung für den 19-Jährigen.

Musiala muss sich jetzt daran anpassen. Er muss Wege finden sich aus dem Doppeln zu befreien und lernen welche Räume sich dafür besonders eignen ohne sich der eigenen Stärken in engen Räumen rund um den Strafraum zu berauben. Auch hier ist coaching gefragt, um Musiala bei seinem nächsten Entwicklungsschritt zu unterstützen. Das gilt übrigens auch für seine erfahrenen Mitspieler, die sich schon bei der WM teilweise hinter dem Jüngsten in der Mannschaft versteckten. Das muss sich ändern.

4. Trainer und Vorstand finden keine gemeinsame Sprache

Ruhe wird beim von allen Seiten durchleuchteten FC Bayern natürlich nie wirklich einkehren. Doch die Störgeräusche der letzten Tage helfen nicht, wenn es schon auf dem Platz nicht wirklich läuft. Nagelsmann, Kahn und Salihamidzic finden derzeit nicht so recht eine gemeinsame Sprache. Das gilt für den Umgang mit dem viel kritisierten Paris-Trip von Serge Gnabry genauso wie bei der Bewertung der derzeitigen Leistungen. Auch das klappte in der Hinrunde besser.

Wenn es sportlich läuft ist Harmonie einfach. Doch gerade wenn es nicht läuft sollten die Führungsfiguren nach außen zusammenrücken und einheitliche Botschaften setzen. Im Sinne der vollen Konzentration auf Verbesserungen auf dem Platz. Ablenkung und Nebenschauplätze braucht es in so einer Phase erst recht nicht.

5. Problemzone Außenverteidigung

Hernandez verletzt, Mazraoui langfristig nicht einsatzbereit, Sarr verletzt, Pavard formschwach, Stanisic offensiv nicht konstant genug, Davies ohne die bekannte offensive Durchschlagskraft. Das Bild auf beiden Außenverteidigerpositionen ist derzeit problematisch. Das ist ein Problem, wenn man bedenkt, dass Bayerns Außenverteidiger häufig die meisten Ballkontakte und damit viel Verantwortung für das Spiel nach Vorne haben.

Kein Wunder also, dass der FC Bayern mit João Cancelo kurz vor Ende der Transferfrist noch einmal nachlegen wird. Die Leihe ist ein Coup. Cancelo gehört trotz Formschwankungen zuletzt zu den besten Außenverteidigern Europas. Es ist erstaunlich, dass Pep Guardiola einen Spieler dieser Kategorie ziehen lässt. Nagelsmann wird das erleichtert aufnehmen. Cancelo ist offensiv viel stärker als Pavard, kann auf beiden Seiten spielen und auch als einrückender Verteidiger Aufgaben in zentraleren Räumen übernehmen. Findet er zur Form der letzten Jahre ist er sofort eine spielstarke Verstärkung.

Diese Baustelle hat man nun zumindest bis Sommer bereits geschlossen. Die anderen müssen bis zum Hinspiel gegen Paris in der Champions League Mitte Februar folgen.

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