Der FC Bayern München hat durch die 1:3-Niederlage gegen RB Leipzig die Meisterschaft nicht mehr in der eigenen Hand. Trainer Thomas Tuchel ist ratlos und sucht die Ursache der Probleme. Sportchef Hasan Salihamidzic gibt zu, dass der Trainerwechsel nicht die erhoffte Wirkung hatte.

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Die 90 Minuten waren noch nicht ganz vorüber, als die Fans scharenweise die Allianz-Arena verließen. Der FC Bayern lag zu diesem Zeitpunkt bereits mit 1:3 gegen RB Leipzig zurück, hatte den Sieg nach einer Führung verspielt – und vielleicht auch die Meisterschaft?

Thomas Müller hat die 11. Meisterschaft in Serie noch nicht abgeschrieben "Wir müssen schauen, dass wir den Nackenschlag wegstecken. Wir haben nächste Woche noch ein Spiel", sagte er bei "sky" in Anspielung auf den Saisonabschluss beim 1. FC Köln und schickte eine Kampfansage in Richtung Borussia Dortmund. "Wenn wir das Spiel gewinnen, dann hat Dortmund ganz großen Druck. Sie müssen beide Spiele gewinnen. Und das will ich erst einmal sehen."

Erneuter Einbruch in der zweiten Hälfte

Nicht alle Spieler des FC Bayern waren dazu in der Lage, so schnell wieder in den Kampfmodus umzuschalten. Als das Spiel vorüber war, standen Joshua Kimmich, Serge Gnabry & Co. mit leerem Blick vor der Fankurve. In ihnen steckte die Gewissheit, die Meisterschaft zumindest vorläufig aus der Hand gegeben zu haben. Vereinsboss Oliver Kahn stand zeitgleich regungslos auf der Tribüne, als sich die Plätze um ihn herum bereits leerten. Sein Gedankengang dürfte ähnlich gewesen sein.

Und Thomas Tuchel? Der machte keinen Hehl darum, ratlos zu sein. Rund 30 Minuten hatte seine Mannschaft das Spiel beherrscht, ehe sie plötzlich einbrach. "Ich habe keine Erklärung, wie so etwas passieren kann", sagte der Trainer. Ähnlich hatte er sich geäußert, als der FC Bayern im April gegen die TSG Hoffenheim (Endstand 1:1) und beim 1. FSV Mainz 05 (1:3) eine Halbzeitführung verspielt hatte.

Matthäus vermisst beim FC Bayern Führungsspieler

Sky-Experte Lothar Matthäus hat einen Erklärungsansatz dafür, dass dem FC Bayern die Selbstsicherheit vergangener Spielzeiten abhandengekommen ist. Früher seien "mehrere Führungsspieler auf dem Platz gewesen – nicht nur Müller und Kimmich. Früher waren da ein Lewandowski, ein Neuer, ein Boateng, da hatte man mehr Führung. Diese Führung fehlt. Viele Spieler sind zu Bayern gekommen und müssen sich erst daran gewöhnen. Das hat man gesehen. In der 2. Halbzeit sind vier, fünf Spieler zusammengesunken."

Tuchel vertritt eine andere Meinung und verweist auf die ersten dominanten 30 Minuten. "Wir haben eine Führung gehabt, wir haben das Spiel im Griff gehabt", erinnerte er. Die Fehler seien eher in der mannschaftlichen Geschlossenheit zu finden: "Wir müssen gemeinschaftlich klarer, fehlerfreier und bewusster Fußball spielen. Wenn wir das nicht tun, sind wir verwundbar. Dann kannst du in Mainz verlieren und geben auch heute das Spiel aus der Hand."

Trainerwechsel ohne Wirkung

Bereits jetzt lässt sich festhalten, dass der Trainerwechsel nicht die gewünschte Wirkung brachte. Tuchel hat in elf Pflichtspielen einen wettbewerbsübergreifenden Punkteschnitt von 1,55. Sein Vorgänger Julian Nagelsmann kam in 84 Pflichtspielen auf einen Durchschnitt von 2,31.

Unter Nagelsmann war der FC Bayern noch in der Champions League und im DFB-Pokal vertreten, unter Tuchel folgte das Doppel-Aus. Nun droht sogar ein komplett titelloser Saisonabschluss.

Sportvorstand Hasan Salihamidzic antwortete auf die Frage, was der Trainerwechsel rückwirkend gebracht habe, ehrlich: "Wenn man das unterm Strich sieht und wir keinen Titel gewinnen sollten, kann man sagen - nichts! Aber Thomas Tuchel hat wirklich gute Arbeit geleistet. Wir waren der Meinung, dass der Trainerwechsel sein muss. Das würde ich auch immer wieder machen, weil das nötig war."

Dortmund kann heute auf Platz 1 springen, Tuchel schaut weg

Immerhin: Noch ist der FC Bayern Tabellenführer. Nur wenn Borussia Dortmund heute das Auswärtsspiel beim FC Augsburg (17:30 Uhr) gewinnt, rückt der BVB auf Tabellenplatz 1 vor und hätte die Meisterschaft am letzten Spieltag in der eigenen Hand.

Tuchel möchte das wegweisende Spiel des Konkurrenten nicht verfolgen. "Ich schaue mir das nicht an. Ich schaue mir das (eigene Spiel) hier noch einmal an", sagte der Trainer. Ob er die Ursache dafür finden wird, warum der FC Bayern wieder einmal eine Führung verspielte und leistungstechnisch einbrach?

"Ich weiß nicht, ob ich das rausbekomme", gab Tuchel ehrlich zu. Ungewohnt offen gestand er, selber nicht zu wissen, wo genau man bei der Aufarbeitung anfangen solle. "Unser Spiel wird auf einmal so fehlerhaft, so zögerlich, mit so wenig Rhythmus und so wenig Biss. Unsere Spielgeschwindigkeit ist nicht hoch genug", zählte er die Probleme auf. "Plötzlich gibt es so viele Themen. Wenn alles nur noch halbherzig und zögerlich und schlampig ausgespielt wird, dann hängt das ganze Spiel daran. Dann sieht es so aus, wie es heute aussah."

Und dann passiert es eben auch, dass die Fans das Stadion schon vor dem Abpfiff verlassen.

Quellen:

  • Sky-Übertragung: FC Bayern München – RB Leipzig
  • Pressekonferenz nach dem Spiel Bayern München – RB Leipzig
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