Bei "Hart aber fair" kommt es zum Schlagabtausch zwischen Sahra Wagenknecht (Linke) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Wagenknecht nennt die FDP-Politikerin eine "Rüstungslobbyistin", daraufhin verliert diese die Fassung und setzt zu einer Tirade gegen Wagenknecht an. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler erklärt, wie ein zweiter Putin zu verhindern ist.

Eine Kritik
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Das war das Thema

Das "Manifest für den Frieden" von Sahra Wagenknecht und Deutschlands führender Feministin Alice Schwarzer war das bestimmende Thema der vergangenen Woche. Auf der Großdemonstration in Berlin forderten viele Menschen weniger Waffen und mehr Verhandlungen, um den Ukraine-Krieg nach mehr als einem Jahr endlich zu beenden. Louis Klamroth sprach mit seinen Gästen bei "Hart aber fair" über das Thema: "Frieden mit Putins Russland: Eine Illusion?".

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Die Gäste

  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die FDP-Politikerin forderte ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Loyalität mit der Ukraine und übte scharfe Kritik am russischen Präsidenten: "Wladimir Putin ist ein Massenmörder und ein Terrorist." Manchmal schoss Strack-Zimmermann aber übers Ziel hinaus. Wenn Putin wolle, "dann war das nicht der letzte Krieg in Europa", behauptete sie. Georgien, Moldawien, die baltischen Staaten. "Und dann sind wir dran." Das war keine realistische Einschätzung der Lage mehr, sondern kam Panikmache schon gefährlich nahe.
  • Sahra Wagenknecht: Die ehemalige Bundestagsfraktionsvorsitzende der Linkspartei warf der US-Regierung vor, einen langen Abnutzungskrieg mit Waffen zu unterstützen. "Da ist eine ganz gefährliche Strategie." Für Wagenknecht gibt es "keine andere Möglichkeit als Verhandeln". Die Position des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der nicht mit Putin reden will, weil es kein Vertrauen gibt, nannte sie ein Problem. Schließlich beschwerte sie sich über die unsachliche Debatte und Berichterstattung über die Friedensdemonstration in Berlin, insbesondere den Vorwurf der fehlenden Distanz nach rechts. "Wie wollen Sie denn verhindern, dass solche Leute kommen", fragte Wagenknecht. "Ich habe gesagt, dass Neonazis und Reichsbürger auf dieser Kundgebung keinen Platz haben." Klamroth, der selbst auf der Demo war, wurde dort von zahlreichen Teilnehmern aggressiv angegangen.
  • Herfried Münkler: Der Politikwissenschaftler warnte vor falschen Lerneffekten aus dem Ukraine-Krieg, wenn man sich mit Putin auf einen Tausch "Land gegen Frieden" einlässt. Die Gefahr sei dann ein zweiter Putin. Der türkische Präsident Erdogan und sein Amtskollege Aleksandar Vucic in Serbien: "Das sind alles Revisionisten", behauptete Münkler, d.h. Politiker, die auch vor Gebietserweiterungen nicht Halt machen würden, wenn sie die Chance dazu hätten.
  • Heribert Prantl: Der Autor der "Süddeutschen Zeitung" hört bei den Grünen und bei der grünen Außenministerin zu wenig von Friedensverhandlungen. "Ich würde auch mit dem Teufel verhandeln", sagte der Journalist, der Sympathien für das "Manifest für den Frieden" hat. "Ich will eine Friedensbewegung, die lauter ist und hinter einem Friedensplakat keine anderen Forderungen versteckt." Eine Kritik an der Unterwanderung der Demo durch AfD-Politiker und andere rechte Gruppierungen.
  • Katrin Göring-Eckardt: Die Bundestagsvizepräsidentin (Bündnis 90/Grüne) twitterte am ersten Jahrestag des Kriegsbeginns: "Die Ukraine muss gewinnen." Wann man mit Putin verhandeln wolle, dann gehe das nur auf Augenhöhe. "Putin kennt nur die Sprache des Krieges", sagte Göring-Eckardt. Ihre Losung: Nicht Diplomatie oder Waffen, sondern Diplomatie und Waffen. "Ja was denn sonst?" Kritik übte sie an der Friedensdemonstration Wagenknechts, bei der es keine Ukraine-Flagge und keine Ukrainer auf der Bühne gegeben habe. Für sie ein Beleg für fehlende Unterstützung des angegriffenen Landes.
  • Sergij Osatschuk: Der Oberstleutnant der ukrainischen Armee berichtete von der Front in Bachmut, wo er sich seit sieben Monaten befindet. Russland wolle die Ukraine von der Erdoberfläche auslöschen, sagte Osatschuk. "Wir verteidigen unser Recht auf freies Leben. Wir kennen kein Zurück", sagte er.

Das war der Moment des Abends

Was wären die Folgen ausbleibender Waffenlieferungen an die Ukraine, wollte Moderator Louis Klamroth wissen. Weniger Waffen würde bedeuten, dass Russland seit Kriegsbeginn noch mehr Gebiet erobert hätte. Dann würde es noch mehr Folterkammern geben, noch mehr verwaiste Kinder und noch mehr Gulag-Häftlinge in Russland, sagte Osatschuk. Friedensverhandlungen könne es erst geben, wenn "der letzte Okkupant" die Ukraine verlassen hat. Sein dramatischer Schlussappell: "Bleiben Sie bitte mit uns (...) Wir werden Frieden wieder bekommen in Europa."

Das war das Rededuell des Abends

Dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Sahra Wagenknecht aufgrund ihrer gegensätzlichen Positionen zum Ukraine-Krieg keine Freundinnen sind, war schon vorher klar. Ihr Schlagabtausch bei "Hart aber fair" war zweifellos DER Aufreger des Montagabendtalks.

Zunächst warf Strack-Zimmermann Wagenknecht Unsachlichkeit vor, "weil Sie (bei der Demonstration in Berlin – Anm. d. Red.) erst mal die Außenministerin anmachen". Sie selbst habe Wagenknecht eine "Kriegstreiberin" genannt. Wagenknecht widersprach: "Ich habe Sie Rüstungslobbyistin genannt!" Die FDP-Frau fragte fast ungläubig nach. "Was haben Sie?"

Wagenknecht erklärte: "Sie sind in den Präsidien mehrerer Lobbyverbände der deutschen Rüstungsindustrie". Nun eskalierte der Streit endgültig: "Das hat mir Alice Weidel, die Kollegin in Blond von der AfD, auch gesagt." Damit warf sie Wagenknecht quasi vor, eine schwarzhaarige Version der AfD-Chefin zu sein. Wagenknecht erwiderte kühl: "Das ist die sachliche Debatte, die Sie meinen."

Strack-Zimmermann war nun auf Betriebstemperatur: "Das ist eine ganz widerwärtige Unterstellung", sagte sie zum Vorwurf, eine Rüstungslobbyistin zu sein, ging inhaltlich aber nicht darauf ein und legte nach: "Sie sollten nicht austeilen, wenn Sie sich immer einrollen, wenn Sie mal angegriffen werden!" Dann warf sie Wagenknecht vor, sich seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs "emotional radikalisiert" zu haben. Die schaute nun selbst fassungslos, verzichtete aber auf einen Konter.

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Beim Rededuell zwischen Strack-Zimmermann und Wagenknecht verpasste der Moderator die Gelegenheit, an der einen oder anderen Stelle noch einmal dazwischenzugehen. Was meinte Strack-Zimmermann mit "emotional radikalisiert", zumal sie selbst in dem Schlagabtausch den eindeutig emotionaleren Part einnahm und verbal immer gern austeilt? Was ist wirklich dran am Vorwurf des Rüstungslobbyismus?

Auch beim Interview mit dem ukrainischen Soldaten verpasste Klamroth die Chance, mehr aus seinem Gegenüber herauszubekommen. Gern hätte man erfahren, was es mit einem Menschen macht, sieben Monate an der Front zu stehen und in einem Krieg zu kämpfen und wie er die Lage in Bachmut gerade einschätzt.

Etwas gezwungen wirkte auch sein Abarbeiten an Sahra Wagenknecht. So als habe er sich schon vor der Sendung vorgenommen, die umstrittene Linken-Politikerin bewusst in die Mangel zu nehmen. Gut war dagegen Klamroths Reingrätschen, als Münkler mit seinen Fachbegriffen wie "Proliferation" um sich warf. "Was heißt das?", fragte Klamroth fast genervt um Verständlichkeit ringend.

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Das ist das Fazit

Frieden mit Russland – wie kann er möglich sein? Das Fazit nach 75 Minuten "Hart aber fair" fällt wie erwartet sehr gemischt aus. Während Sahra Wagenknecht weder die Person Wladimir Putin noch die Besetzung eines Teiles der Ukraine als hinderlich für Friedensverhandlungen betrachtet, betonten Strack-Zimmermann und Göring-Eckardt immer wieder, dass nur die Ukraine darüber entscheiden könne. Der ukrainische Soldat Sergij Osatschuk stellte klar, dass Russland das Land erst verlassen müsse, um Frieden zu schließen. Das sehen auch viele andere Ukrainer so.

Wagenknecht nannte die Aussicht, dass der Krieg erst beendet wird, wenn der letzte Russe die Krim verlassen hat, "Wahnsinn". Dann würde das Sterben noch viele Jahre weitergehen, die Ukraine wäre in ihren Augen ein entvölkertes, völlig zerstörtes Land.

Herfried Münkler befürchtet einen langen Erschöpfungskrieg, in dem beide Seiten auf Zeit setzen. Verhandlungen würden ebenfalls Erschöpfungsverhandlungen sein und könnten sich "über Jahre" hinziehen. Sollte es irgendwann zu einem Frieden kommen, brauche es unbedingt westliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
Eine schnelle Lösung des Konflikts scheint auch ein Jahr nach Kriegsausbruch ganz weit weg. Zumal im Frühjahr beide Seiten verstärkt in die Offensive gehen wollen. Gut möglich, dass uns der Krieg über das Jahr 2023 hinaus begleiten wird.

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