Sandra Maischberger will Griechenland-Krise und Flüchtlingskrise in einen Zusammenhang bringen. Die Fragestellung ist berechtigt, doch der ehemalige griechische Finanzminister Gianis Varoufakis macht ihr das Leben schwer.

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Was ist das Thema?

"Es war das Thema, bevor die Flüchtlinge kamen", sagt ARD-Journalistin Sandra Maischberger zu Beginn der Sendung: "Die Eurokrise in Griechenland." Aktuell gibt es im hochverschuldeten EU-Mitgliedsstaat einen Generalstreik gegen eingeleitete Reformen. Dabei soll Griechenland angesichts der Flüchtlingskrise für Ordnung an der EU-Außengrenze sorgen – eigentlich. Wie passt das zusammen, will Maischberger wissen. Und: Gibt es wieder Ärger mit Griechenland?

Wer sind die Gäste?

Gianis Varoufakis, ehemaliger griechischer Finanzminister. Der 54-Jährige ist der Star der Sendung. Nur zwei Tage zuvor ist er mit der Gründung der Bewegung DiEM25 auf die politische Bühne zurückgekehrt. Der vermeintlich linkspopulistische Politiker tritt auf, wie man ihn kennt: Von einstigen Scharmützeln mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will er nichts wissen, er umgarnt die Deutschen und die EU, um prompt harsche Vorwürfe folgen zu lassen.

Und er entgegnet Maischberger reihenweise rechthaberisch: "Das sind Unterstellungen. Wollen wir uns nicht an den Fakten orientieren?" Er zeigt dabei dieses süffisant bis chauvinistisch arrogante Lächeln, das ihn in der politischen Satire zum viel beachteten Motiv werden ließ.

Den Gläubigern seiner Heimat macht er wenig Hoffnungen: "Ich glaube, dass wir die Kredite niemals werden zurückzahlen können", sagt er und attackiert die Regierung seines einstigen Mentors Alexis Tsirpas: Es sei ein Skandal, dass diese weiter Kredite eingehe und wisse, "dass Griechenland nicht zurückzahlen kann".

Elmar Brok, CDU, Europa-Abgeordneter. Maischberger rühmt ihn als dienstältesten Politiker im EU-Parlament (seit 1980, Anmerk. d. Red.). Bei ihm bekommen die Griechen ihr Fett weg. So wirft er ihnen vor, Strukturveränderungen nicht umzusetzen, "um wettbewerbsfähig zu werden". Brok nennt Beispiele, bei denen es geklappt habe: "Irland hat fünf Prozent Wirtschaftswachstum, Portugal zahlt frühzeitig Kredite zurück", meint er und stellt der griechischen Verwaltung ein Armutszeugnis aus.

Sahra Wagenknecht, Die Linke, Fraktionsvorsitzende. "Wir haben europäisches Geld reingesteckt, obwohl Griechenland pleite war. Wir haben Geld in ein schwarzes Loch geworfen", sagt die 46-Jährige. "Ein völlig kranker Prozess." Wagenknecht hat schon bessere Auftritte gehabt. Die Oppositionsführerin im Bundestag zielt am eigentlichen Thema vorbei, verzettelt sich immer wieder in "linker" Parteiprogrammatik. Wer nun denkt, sie verstünde sich mit dem Linkspopulisten Varoufakis blind, sieht sich ebenfalls getäuscht.

Christian Lindner, FDP, Parteivorsitzender. Seit die Liberalen in Umfragen an der 5-Prozent-Hürde zum Bundestag kratzen, darf auch er regelmäßig wieder mitdiskutieren. Lindner ist adrett gekleidet, in seiner Argumentation nahezu beißerisch, in seinem Auftreten aber nicht immer souverän.

So stolpert er über die Aussprache von Varoufakis. Und auch er bedient - wie Wagenknecht - mitunter polemische Stilmittel. Eine Option für Griechenland sei es, den Euro zu verlassen, sagt er zum Beispiel. Die "Fliehkräfte in Europa" würden stärker und zur Not müsse man "mit Härte herangehen". Die Flüchtlinge seien ja ohnehin meist "allein reisende, physisch starke junge Männer aus aller Welt".

Nikolaus Blome, stellvertretender Bild-Chefredakteur. Nüchtern und sachlich. Und damit sehr wohltuend. Er beschränkt sich auf Fakten, nennt Beispiele. Etwa, dass im ersten Maßnahmenpaket beschlossen worden sei, griechische Regionalflughäfen zu privatisieren, das nun aber erst fünf Jahre später geschehe.

Er fordert: Die deutschen Grenzen dürfen nicht geschlossen werden, weil dies zu einem Rückstau des Flüchtlingsstroms über die Balkan-Route bis zurück nach Griechenland führe. "Dann hat Griechenland ein Riesen-Problem." An einem gemeinsame Lösung durch die EU glaubt er schon gar nicht mehr. "Nur 13, 14 Staaten, womöglich unter der Führung Deutschlands", würden sich künftig der Flüchtlingsproblematik annehmen, meint er.

Was war das Rede-Duell des Abends?

Bemerkenswert: Die Moderatorin ist involviert. Sie bekommt den mitunter machohaft ignoranten Varoufakis lange nicht in den Griff. "Da lasse ich sie nicht mit davonkommen", meint er einmal zu Maischberger, deutet an, aufstehen zu wollen und sagt: "Ich kann einer Diskussion nicht folgen, in der eine Unwahrheit nach der anderen verbreitet wird." Maischberger schlingert, lässt gewähren, findet zäh zu ihrer Linie zurück.

Was war der Moment des Abends?

Varoufakis lobt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) überschwänglich. Diese habe 2015 in einer Geste des Humanismus die Grenzen geöffnet. "Da bin ich stolz auf Deutschland und auf Europa", sagt er - doch man wird nicht schlau aus ihm. Es dürfte auch hier eine ordentliche Brise Ironie und Provokation hinter der Aussage stecken und vor allem Anzeichen für jenen rhetorischen Schlingerkurs, mit dem er Schäuble einst schier wahnsinnig machte.

Wie hat sich Maischberger geschlagen?

Durchwachsen. Es ist das immer selbe Bild seit Wochen. Die erfahrene Moderatorin hat ihre Runden nicht wie gewohnt im Griff. Sie haut nicht dazwischen, und wenn, kann sie kaum bändigen. Die Bedeutung Griechenlands für die Flüchtlingskrise, ob und wie Griechenland unterstützt werden muss, was von den Griechen erwartet werden soll und ob das Land mit der Flüchtlingskrise nicht völlig überfordert ist, das alles wird kaum diskutiert. Und schon gar nicht mit einer stringenten Linie. Der Zuschauer ist somit kaum schlauer als zuvor.

Was ist das Ergebnis?

Das, wovor viele Experten seit längerem warnen. Die Flüchtlingskrise überdeckt derzeit die Griechenland-Krise, dabei hält diese ungemindert an. Die Fragestellung ist grundsätzlich die richtige, wie beide Krisen gleichzeitig überhaupt gemeistert werden sollen. Antworten gibt diese Sendung zumindest nicht.

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