Eigentlich wollte Sandra Maischberger am Mittwochabend diskutieren, ob die Volksparteien ausgedient haben. Unterm Strich sprach sie mit ihren Gästen dann aber doch mal wieder recht viel über die AfD. Immerhin SPD-Urgestein Klaus von Dohnanyi hatte zu "Volksparteien" und "ausgedient" eine markige Forderung.

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Die wichtigste Nachricht zuerst: Frauke Petry hat am Sonntag AfD gewählt. So ganz klar war das ja nicht, schließlich hat sich die 42-Jährige mittlerweile losgesagt von der Partei, für die sie am Sonntag in den Bundestag eingezogen ist.

Aber bis zum Wahltag reichte die Loyalität offenbar aus, wie Sandra Maischberger gleich zu Beginn ihrer Sendung am Mittwochabend erfuhr, als sie in lässiger Missachtung des Wahlgeheimnisses ihre Gäste nach ihrer Wahlentscheidung fragte.

"Ich habe es gemacht, weil ich es dringend notwendig fand, dass eine Oppositionspartei in den Bundestag einzieht und für vernünftige Kontroverse sorgt, die in den letzten Jahren nicht gegeben war“, antworte Petry.

Nach Petrys Rückzug ergeben sich aus der AfD nun gleich zwei Oppositionsparteien, was einige weitere Fragen aufwirft, die Gastgeberin Sandra Maischberger auf später vertagen wollte.

Markus Söder grantelt

Eine schlechte Idee, wenn ein Gregor Gysi in der Runde sitzt, der wenig auf die Tagesordnung gibt und dringend über den blauen Elefanten im Raum reden will. "Das ist doch Wählertäuschung, was sie gemacht haben“, warf er Petry bei nächstbester Gelegenheit an den Kopf.

Zur Gegenrede kam die 42-Jährige nicht, weil Maischberger intervenierte, die an diesem Abend Probleme hatte, einen stringenten Ablauf in die Sendung zu bringen.

Zu viele Themen wollte sie besprechen, die natürlich nach diesem denkwürdigen Sonntag auf der Hand lagen: Warum haben die Volksparteien so viele Stimmen verloren? Wie umgehen mit der AfD? Kann Jamaika klappen?

Weil zu viele Themen aber nun einmal die Talkshow verderben, blieb Maischberger viele Antworten schuldig, vor allem die auf die offensichtlichste Frage: Warum genau hat Petry die AfD verlassen, und was hat sie vor?

Nun war Maischbergers Oberthema "Wut-Wahl: Haben die Volksparteien ausgedient?“ ohnehin nicht besonders originell, seit Mitte der 2000er diskutiert die Politikwissenschaft darüber, mit einem eindeutigen Ergebnis: Die Volksparteien sterben aus.

Schaut man sich das Wahlergebnis an, gibt es in Deutschland ohnehin nur noch eine Partei, die diesen Status für sich beanspruchen kann, und zwar die Union – und selbst die hat massiv Stimmen eingebüßt.

Vor allem in Bayern, von wo Markus Söder zugeschaltet war. Der bayrische Finanzminister guckte so derart griesgrämig, dass Petry, Gysi und die restlichen Gäste Renate Künast (Grüne), Klaus von Dohnanyi (SPD) und Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo froh sein konnten, dass sie den CSU-Mann nicht in ihre Mitte nehmen mussten.

Im Eiltempo spulte er noch einmal die Wahlanalyse seiner Partei herunter, die ja im Wesentlichen mit einem Wort erledigt ist: Flüchtlinge.

Gregor Gysi gibt CSU Schuld am AfD-Erfolg

Auf eine Personaldebatte habe er keine Lust, sagte Söder, Sandra Maischberger schon: "Wollen Sie Nachfolger von Horst Seehofer werden?“

Söder vermied eine klare Antwort ebenso wie auf die Frage, ob die anstehenden Koalitionsverhandlungen zur Jamaika-Koalition gelingen könnten. "Wir wollen keine Sondierungsverhandlungen über das Fernsehen führen.“

Weil Söder außer über die Fehler der Union - lies: von Angela Merkel in der Flüchtlings- und Migrationspolitik - nicht wirklich reden wollte, riss Gregor Gysi das Wort an sich und gab der bayrischen Volkspartei eine Mitschuld am Wahlerfolg der Rechtspopulisten:

"Für mich ist die CSU das beste Beispiel: Wenn du AfD light spielst, dann gewinnt die AfD.“

Eine weit verbreitete These, die aber gerade wiederlegt wird – in Österreich, wo der Konservative Sebastian Kurz mehr oder weniger komplett die Positionen der rechtspopulistischen FPÖ und damit die klare Führung in den Umfragen übernommen hat.

Klaus von Dohnanyi fordert Rücktritt von Martin Schulz

Eben jenen Sebastian Kurz will sich Frauke Petry mit ihrer neuen Partei zum Vorbild nehmen. Er und auch Macron hätten "Parteistrukturen hinweggefegt“, und da landete die Sendung gegen Ende dann doch noch ganz kurz bei ihrem Thema.

Während Gysi und Künast nur ganz allgemein davon sprachen, dass sich die Parteien neu aufstellen müssen, glaubt der 89-jährige von Dohnanyi nicht daran, dass die Volksparteien obsolet geworden sind.

Nur werde sich seine SPD unter Martin Schulz nicht wieder erholen, sagte der ehemalige Hamburger Bürgermeister und ließ alle hanseatische Zurückhaltung fahren: "Der Herr Schulz war von Anfang an die falsche Wahl, der ist der Sache nicht gewachsen." Und weiter: "Er muss sehen, dass er das nicht kann. Er sollte zurücktreten."

Was Frauke Petry mit ihrer Domain "dieblauen.de“ ("Wenn sie wüssten, wie viele Domains ich schon registriert habe.“) und mit der dazugehörigen Partei genau plant, das bleibt auch nach den 75 Minuten unklar. Immerhin lässt ihr Lob für eine "Partei neuen Typus‘“ a lá Kurz und Macron etwas ahnen.

Mit weiten Teilen des AfD-Programms, das sie ja selbst mitgestaltet hat, stimmt sie jedenfalls weiterhin überein. Nur in der Sozialpolitik sei ihr die Position zu sozialdemokratisch, zu links also, sagte die 42-Jährige.

Den Bruch mit der Partei habe der Parteitag in Köln besiegelt. "Da habe ich gesagt, entweder wir richten uns am Programm aus oder machen Fundamentalopposition.“ Die Mitglieder befassten sich erst gar nicht mit ihrem Antrag, es war der Anfang vom Ende.

Petry zog noch mit Gauland und Co. in den Bundestag ein, aber aus der Partei wieder aus.

Ob ihr weitere Abgeordnete auf dem AfD-Ticket in ihre Parlamentariergruppe "Die Blauen im Bundestag“ folgen werden? Eine von vielen Fragen, die an diesem Abend offen blieben.


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