Politische Talkshows sind so eine Sache. Wahlkampf ebenso. Politische Talkshows in Wahlkampfzeiten können für den Zuschauer aber wirklich unangenehm werden. Wie unangenehm zeigte gestern Abend Frank Plasberg in einer "Hart, aber fair"-Ausgabe zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.

Christian Vock
Eine Kritik
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Die Ausgangslage vor "Hart, aber fair":

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Am kommenden Sonntag ist Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Nach dem überraschend deutlichen Wahlsieg der CDU in Schleswig-Holstein wird die Wahl im Westen Deutschlands mehr denn je zur Schicksalswahl für die SPD stilisiert – auch in der gestrigen Ausgabe von "Hart, aber fair", die im Titel von einer "Vorentscheidung im Westen" wissen wollte.

Wer diskutierte bei "Hart, aber fair"?

  • Hermann Gröhe, Bundesminister für Gesundheit (CDU).
  • Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag.
  • Bärbel Höhn, ehemalige Umweltministerin in NRW (B'90/Grüne).
  • Karl Lauterbach, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender.
  • Johannes Vogel, FDP-Generalsekretär in NRW.
  • Martin Renner, Sprecher der AfD in Nordrhein-Westfalen.

Worüber wurde bei "Hart, aber fair" diskutiert?

Im Detail wollte Plasberg gestern Abend von seinen Gästen wissen: "Was erwarten die Bürger bei den Topthemen Integration, Sicherheit und soziale Gerechtigkeit? Und was können die Parteien liefern?" Warum ausgerechnet diese Themen "Topthemen" sind, erklärt Plasberg leider weder im Vorfeld noch in der Sendung.

Welche Erkenntnisse konnte der Zuschauer mitnehmen?

Würde man den Erkenntnisgewinn für den Zuschauer als gering bezeichnen, wäre das reichlich wohlwollend formuliert. Wer von Polit-Talkshows genervt ist, weil dort durcheinander geredet, Floskeln gedroschen und Partei-Gezänk ausgetragen wird, der wurde gestern Abend in seiner Meinung mehr als bestätigt. Besonders Hermann Gröhe lieferte allerbeste "Aber ihre Partei hat doch damals"-Rhetorik.

War denn wirklich gar nichts gut?

In der Tat war es gestern Abend äußerst schwierig, wollte man Aussagen oberhalb der Wahlkampf-Schwelle erhalten. Inhaltlich am stärksten wurde es, als Plasberg fragte, ob wir "für Deutschland eine Leitkultur" brauchen und damit über das Stöckchen sprang, das Thomas de Maizière der Öffentlichkeit vor ein paar Tagen mit seinen zehn Thesen zur Leitkultur hingehalten hatte.

Abgesehen von Hermann Gröhe machten alle Diskutanten dabei ein Wahlkampfmanöver des Innenministers aus. Inhaltlich gab es dann allerdings doch unterschiedliche Antworten. Johannes Vogel wies darauf hin, dass Deutschland eine Leitkultur habe, nämlich das Grundgesetz.

Karl Lauterbach wurde noch deutlicher. De Maizières Aussage "Wir sind nicht Burka" ist für Lauterbach ein "selten dämlicher Spruch", seine Vorschläge Banalitäten. Er wolle damit spalten.

Zudem sei für Lauterbach die Frage, ob der Innenminister die Leitkultur vorgeben könne. Man erwarte dann auch Vorschläge von ihm, de Maizière sage aber nur, man solle sich die Hand geben. Stattdessen solle der Innenminister lieber dafür sorgen, dass in der Bundeswehr nicht Rechtsradikale Anschläge planen können. Das war es dann gestern Abend aber auch schon fast mit sinnvollen Diskussionen.

Besonders bei den Themen innere Sicherheit und soziale Gerechtigkeit warfen sich die Gäste gegenseitig Floskeln, Statistiken, eigene Erfolge und die Misserfolge der anderen um die Ohren. Am Ende konnte man festhalten, dass alle Beteiligten mehr Polizei und weniger Ungerechtigkeit gut finden.

Wie schlug sich Frank Plasberg?

Nun mag man Frank Plasberg und seiner Redaktion zugute halten, dass sie tatsächlich dem Zuschauer einen kleinen Überblick verschaffen wollten, wer wofür in NRW steht. Aber haben sie wirklich geglaubt, dass so etwas kurz vor einer Landtagswahl mit den eingeladenen Gästen funktioniert?

Die Liste, warum der gestrige Abend zum Scheitern verurteilt war, ist lang und fängt bei der Themenauswahl an. Man darf ungeniert fragen, ob das, was Plasberg als die "Topthemen" ausgemacht hat, auf einer Liste der drängendsten Probleme der Menschheit tatsächlich ganz oben steht oder ob er da nicht, wie die Politik auch, eher in die Kurzfristigkeitsfalle tappt.

Viel spannender als zum Beispiel die Frage nach der inneren Sicherheit mit Einbruchstatistiken zu beantworten, wären doch Fragen nach den Zukunftsvisionen der Beteiligten gewesen. Wie soll NRW 2050 aussehen? Wie wollen wir da leben? Welche Antworten haben die Kandidaten auf die wirklich drängenden globalen Fragen und was wollen sie hierzu auf lokaler Ebene tun?

Stattdessen ging es weitgehend um aktuelle Populärthemen: Integration, Flüchtlinge, innere Sicherheit, Erdogan, Doppelpass. Lediglich Hermann Gröhe brachte einmal das Wort Generationengerechtigkeit ins Spiel.

Vielleicht hätte sich Plasberg aber auch etwas leichter getan, wenn er nicht ausgerechnet Gäste eingeladen hätte, deren Gesichter und Meinungen man aus jeder zweiten Polittalkshow kennt. Plasberg hätte hier gerne einmal mit dem Irrglauben aufräumen können, dass in eine Polittalkshow immer nur Politiker kommen müssen. Dem Zuschauer hätte es geholfen.

Gab es sonst noch etwas Erwähnenswertes?

Ja, gab es. Einen beeindruckenden Auftritt legte AfD-Sprecher Martin Renner hin – allerdings beeindruckend schlecht. Egal, was Renner für eine Meinung gehabt haben könnte, er schaffte es nicht, sie mitzuteilen.

Statt klarer Worte erging sich Renner mit einem Oberlehrerduktus allzu oft in Andeutungen, Ironieversuchen und nebulösen Formulierungen. Argumentativ war er ein fast vollständiger Ausfall und die AfD dürfte sich überlegen, ob sie ihn noch einmal in eine Talkshow schickt.

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