• Gasumlage, Atomkraft-Streckbetrieb und ein fragwürdiger Talkshow-Auftritt: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck steht derzeit massiv in der Kritik.
  • Im Bundestag wirft CDU-Politiker Jens Spahn dem Minister vor, zu wenig gegen steigende Strompreise zu unternehmen.
  • Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht fordert Habecks Rücktritt.
  • Habeck verteidigt seinen Kurs und geht zum Gegenangriff über. CDU und CSU wirft er "energiepolitisches Versagen" vor.

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Es scheint die Woche der Gegenangriffe zu werden im Deutschen Bundestag. Am Mittwoch hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schon bissig auf Oppositionsführer Friedrich Merz geantwortet. Am Donnerstagmorgen legt sein Vize und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach.

"Eigentlich haben wir Besseres und Wichtigeres zu tun, als übereinander zu reden", sagt Habeck, als es um den Haushalt seines Ministeriums geht. Doch den "Sound der Selbstkritiklosigkeit" wolle er so nicht hinnehmen. Habeck wirft CDU und CSU "16 Jahre energiepolitisches Versagen" vor. "Und wir räumen in wenigen Monaten auf, was Sie in 16 Jahren verbockt, verhindert und zerstört haben", ruft Habeck, während viele Unionsabgeordnete ihre Wut kaum verbergen können.

Heftiger Gegenwind nach umstrittenen Entscheidungen

Es ist der Gegenangriff eines Politikers, der in die Defensive geraten ist. In der ersten Jahreshälfte wurde Habeck noch als Krisenmanager gefeiert, erhielt auch aus der CDU/CSU-Opposition Lob für seine Arbeit. Doch inzwischen hat sich der Wind gedreht.

Die umstrittene Gasumlage, über die Kundinnen und Kunden Gas-Importfirmen finanziell unterstützen sollen, wird vor allem ihm angelastet. Habecks Entscheidung, zwei Atomkraftwerke bis April 2023 als Notreserve zu behalten, stößt auf deutlichen Widerspruch von Wirtschaftswissenschaftlerinnen.

Für Aufregung sorgte dann noch ein Auftritt des Ministers in der Talkshow von Sandra Maischberger am Dienstagabend. Habeck sagte dort – sehr verkürzt zusammengefasst – dass Bäckereien nicht gleich insolvent gehen, wenn sie eine Zeit lang nicht produzieren können. Mit heftiger Kritik und Häme reagierten nicht nur Politikerinnen und Politiker der Opposition, sondern auch der Koalition: "Unfassbar! Er hat einfach keine Ahnung, wovon er redet", schrieb die FDP-Abgeordnete Nicole Bauer auf Twitter.

Habeck verspricht "breiten Rettungsschirm" für kleine und mittlere Unternehmen

Habeck zählt im Bundestag die Maßnahmen der Bundesregierung, die steigenden Füllstände der Gasspeicher, den Ausbau der Erneuerbaren Energien auf. Der Union wirft er "Möchtegern-Wirtschaftspolitik" vor. Wohl vor dem Hintergrund der Maischberger-Debatte verspricht er: "Wir werden Unternehmen jede Hilfe zukommen lassen. Wir werden einen breiten Rettungsschirm aufspannen", kündigt er an. Auch kleine und mittlere Unternehmen sollten vom Energiekostensenkungsprogramm der Bundesregierung profitieren, so Habeck.

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Jens Spahn fordert längere Laufzeit für Atomkraftwerke

CDU/CSU-Fraktionsvize Jens Spahn antwortet als Erster auf den Minister. Er kritisiert: Habeck habe Duschtipps gegeben und Energieverordnungen geschrieben. Aber er unternehme zu wenig, um möglichst viel Strom zu produzieren und damit die Preise zu drücken. "Wenn jede Kilowattstunde zählt, dann zählt auch jede Form der Energieerzeugung, die hier in Deutschland möglich ist", sagt Spahn.

Der frühere Gesundheitsminister spielt damit auf Habecks Entscheidung an, zwei Atomkraftwerke nur als Notreserve zu behalten. "Sie haben das Chaos perfektioniert", sagt Spahn. "Familien, Handwerker, Pflegeheime haben jeden Tag Stresstests, die können nämlich ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen."

FDP schlägt sich bei Atomkraft auf Seite der Opposition

Nicht nur eine Laufzeitverlängerung, sondern auch ein Wiederanfahren von abgeschalteten Kernkraftwerken fordert die AfD. Der Abgeordnete Leif-Erik Holm wirft der Bundesregierung vor, den "Murks" der unionsgeführten Vorgängerregierung noch zu verschlimmern: "Wir werden regiert von energiepolitischen Geisterfahrern", so Holm. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist aus seiner Sicht "Energiewende-Wahnsinn".

Die FDP schlägt sich in dieser Debatte bei einem Thema auf die Seite der Opposition. Der Abgeordnete Karsten Klein fordert, die Laufzeiten der AKW zu verlängern. "Ein Reservebetrieb ist zu wenig", sagt Klein unter dem Applaus der Opposition. "Wir brauchen für die Inflationsbekämpfung einen klaren Kurs."

Der Haushalt von Habecks Ministerium spielt in dieser Debatte keine Rolle. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch verteidigt Habeck: Der Minister versuche "Tag und Nacht, die Versäumnisse Ihrer Politik wettzumachen", ruft er in Richtung der Opposition. Miersch erinnert daran, dass Unionsfraktionschef Merz im Frühjahr ein komplettes Gasembargo gegen Russland gefordert hatte. "Die Preise wären vorher schon explodiert, wenn wir Ihnen die Verantwortung gegeben hätten", ruft Miersch.

Sahra Wagenknecht: "Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten"

Mit Spannung erwartet wurde auch der Auftritt von Sahra Wagenknecht. Viele Abgeordnete ihrer eigenen Linksfraktion hatten verhindern wollen, dass sie auf Habeck antwortet, weil Wagenknecht in der Vergangenheit mit großer Russlandfreundlichkeit aufgefallen war.

Ihre Kritiker dürften sich bestätigt sehen. Wagenknecht sagt, die Bundesregierung führe "einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten". "Wie bescheuert ist das denn?", ruft Wagenknecht unter dem lauten Widerspruch von Ampel-Fraktionen wie CDU/CSU.

Der Bundesregierung wirf Wagenknecht "völlige Rückgratlosigkeit gegenüber den Absahnern und Krisenprofiteuren" vor. "Ein Minister, der nicht mehr liefert, muss tatsächlich keine Insolvenz anmelden – Sie sind das beste Beispiel dafür", sagt Wagenknecht. "Treten Sie zurück, Herr Habeck", fordert Wagenknecht. Lauter Applaus dafür kommt auch aus der AfD-Fraktion.

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