Eine Halbzeit Abtasten, dann plötzlich Zug zum Tor auf beiden Seiten: Dennoch sind im Duell Deutschland gegen Polen keine Tore gefallen. Nach dem gerechten Remis fehlt der DFB-Elf noch ein Punkt, um ins Achtelfinale einzuziehen. Das Team um Robert Lewandowski hingegen steht mit ziemlicher Sicherheit in der K.o.-Runde.

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  • Deutschland und Polen trennen sich 0:0. Damit verpassen beide Teams den vorzeitigen Einzug in das Achtelfinale - auch wenn Polen sich wohl als einer der besten Dritten qualifizieren wird.
  • Der genesene und gleich von Beginn an spielende Innenverteidiger Mats Hummels machte einen stabilen Eindruck und gab der Abwehr Sicherheit
  • Deutschland bleibt bei großen Turnieren gegen Polen ungeschlagen
  • Das 0:0 bedeutet das erste torlose Spiel bei der diesjährigen EM
  • Mesut Özil vergibt die größte Chance für Deutschland

Der Star des Spiels

Vor dem Anpfiff wurde gegrübelt: Rückt Mats Hummels für Shkodran Mustafi in die Innenverteidigung, oder nicht? Löw brachte den Noch-Dortmunder und bewies damit ein gutes Näschen. Gemeinsam mit Boateng machte Hummels das Zentrum dicht. Gegen Milik und Lewandowski überzeugte er mit starkem Zweikampfverhalten und war gewohnt souverän im Spielaufbau. Mit Jérôme Boateng an seiner Seite eine starke Innenverteidigung.

Die Szene des Spiels

Nach einem verpatzten Befreiungsschlag kommt in der 59. Minute Robert Lewandowski 25 Meter vor dem Tor freistehend an den Ball und geht auf Manuel Neuer zu. Doch Boateng hechelt mit unnachahmlichem Einsatz hinterher, blockt im allerletzten Moment den Schuss ab und verhindert damit einen möglichen Rückstand. Ein Stürmer vom Format Lewandowski hätte dieses Geschenk wahrscheinlich angenommen.

Die Ticker-Momente des Spiels

19. Minute: Manuel Neuer schafft mit einem Abschlag, was manch Stürmer in einem ganzen Spiel nicht zustande bringt. Das Phänomen "Packing" ist endgültig bei Twitter angekommen.

Halbzeit-Fazit: Es ist ein Geduldsspiel. Deutschland ist drückend überlegen, ohne eine zwingende Torchance zu haben. Polen lauert auf Konter, hat aber bislang noch keinen einzigen auch nur annähernd gefährlichen Ball in Richtung des Tores von Manuel Neuer gebracht.

Genaues Halbzeit-Fazit: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

47. Minute: Die zweite Hälfte hat jetzt schon mehr zu bieten, als die gesamten ersten 45 Minuten. Riesenchance für die Polen direkt nach dem Anpfiff, weil Boateng an einer Flanke vorbeiköpft, Milik damit nicht rechnet und knapp am Tor vorbeiköpft. Auf der Gegenseite steht Götze frei halbrechts vor dem polnischen Tor - der Abschluss ist aber schwach.

69. Minute: Die Riesenchance für Mesut Özil. Er steht halblinks im Strafraum völlig frei und zieht ab, Lukasz Fabianski bringt gerade noch rechtzeitig die Hand an den Ball und lenkt ihn über das Tor.

Fazit: Das war über weite Strecken ein ziemlich öder Fußball-Abend. Immerhin keine Niederlage im zweiten Spiel und mit vier Punkten sollte der Achtelfinaleinzug nur noch Formsache sein. Jerome Boateng ist nach dem Spiel ziemlich wütend und schimpft über die fehlende Unterstützung aus Mittelfeld und Sturm. Die Stimmung könnte also besser sein.

Reaktionen zum Spiel

Bundestrainer Joachim Löw: "Insgesamt ist das Unentschieden vollkommen gerecht. In der Defensive haben wir gut gespielt, kaum Chancen zugelassen. Im Spiel nach vorn haben wir nur wenige Lösungen gefunden. Wir müssen jetzt mal mit dem einen Punkt leben. Die Einstellung hat schon gestimmt. Aber wir haben zu wenig Lösungen gehabt, uns durchzukombinieren. Polen hat das gut gemacht, unsere Spieler gut zugestellt, wir hatten wenig Raum. Wir werden uns qualifizieren und das erreichen, was wir wollen. In der Gruppenphase ist es ein Abnutzungskampf. In der K.o.-Phase wird es wahrscheinlich auch ein bisschen offener."

Jérôme Boateng: "Wir können froh sein, dass wir 0:0 gespielt haben. Wir haben kein Eins-zu-Eins-Duell in der Offensive gewonnen. Wir haben uns als Mannschaft gut defensiv verhalten, besser als gegen die Ukraine. Aber offensiv hat viel gefehlt. Das müssen wir verbessern, sonst kommen wir nicht weit."

Toni Kroos: "Es hat einfach ein bisschen was gefehlt, die Bälle waren zu einfach weg. Wir haben defensiv ordentlich gespielt, die Polen hatten vielleicht eine große Chance. Aber vorn fehlte einfach was. Wir müssen jetzt das letzte Gruppenspiel gewinnen und als Erster durchkommen. Dann sehen wir weiter."

Mats Hummels: "Wir haben es nicht geschafft, das Spiel zu kontrollieren, was eigentlich unsere Stärke ist. Die Polen haben uns öfter in schwierige Situationen gebracht. In der zweiten Halbzeit hatten wir schon einen Haufen Glück. In einigen Momenten hat nach vorn ein bisschen die Präzision gefehlt. Wenn es ein Risiko bei mir gegeben hätte, dann hätte ich nicht gespielt. Ich habe jetzt nicht so viel trainiert. Ich bin sehr froh, dass ich spielen durfte. In den letzten Minuten hat ein bisschen die Kraft gefehlt, auch ein bisschen der Rhythmus."

Robert Lewandowski (Polen): "Deutschland hat super gespielt, aber wir hatten auch klare Torchancen. In der Gruppenphase ist wichtig, dass wir beide weiterkommen. Wir schauen, was danach passiert."

Die Lehren des Spiels

  • Während die Abwehr im Auftaktspiel gegen die Ukraine noch unsicher und unsortiert wirkte, präsentierte sie sich gegen Polen stark verbessert. Die Hereinnahme von Mats Hummels brachte der Defensive Stabilität. Jérôme Boateng ist ohnehin eine Bank.
  • Der Offensivmotor ist noch nicht auf Betriebstemperatur. Das deutsche Spiel ist bis zum gegnerischen Strafraum gefällig, doch der letzte Pass in die gefährliche Zone fehlt. Flanken werden von den gegnerischen Abwehrspielern mühelos geklärt.
  • Die Spitze ist mit Mario Götze als "falscher Neun" nicht ideal besetzt. Bis zu seiner Auswechslung in der 66. Minute hatte Götze nur einen Torabschluss vorzuweisen. Wenn man über die Außenbahnen zum Torerfolg kommen will, braucht es in der Mitte einen entsprechenden Abnehmer. Kopfballstarke Spieler haben es bei hohen Flanken gegen Götze leicht.
  • Deutschland muss mehr Spielwitz und Kreativität zeigen. Gerade gegen Teams, die bisweilen mit neun Mann verteidigen, muss auch einmal eine zündende Idee her. Die Löw-Elf versucht alles spielerisch zu lösen, gegen dicht gestaffelte Mannschaften könnte aber auch ein Eins-gegen-Eins oder ein Distanzschuss zum Erfolg führen.
  • Die deutsche Elf muss sich gegen Nordirland vor allem in der Offensive steigern. Der letzte Gruppengegner dürfte in der Abwehr ein ähnliches Bollwerk aufbauen. Deutschland muss das Angriffsspiel variabler gestalten. Gegen Nordirland, das durch den Sieg gegen die Ukraine Hoffnung auf das Achtelfinale geschöpft hat, wird es nicht reichen, den "Kombinationsstiefel" durchzuziehen. Der letzte Pass muss auch einmal mit mehr Risiko gesucht werden.

Die Tabelle der Gruppe C

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