Manuel Neuer verletzt sich kurz vor seinem DFB-Comeback, für die kommenden Länderspiele fällt er aus. Wirkt sich das nun auch auf die EM-Hierarchie aus? Dazu machte Bundestrainer Julian Nagelsmann am Freitag eine klare Ansage.

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Am Ende eines turbulenten Torwarttages mit Manuel Neuer als unglücklicher Hauptfigur reagierte Julian Nagelsmann ganz schnell.

Nach dem "sehr, sehr ärgerlichen" Ausfall des Bayern-Keepers kündigte der Bundestrainer am Mittwochabend – wenig überraschend – an, Neuer-Backup Marc-André ter Stegen zumindest für die EM-Testkracher der Nationalmannschaft am Samstag (21 Uhr/ZDF) in Frankreich und drei Tage später gegen die Niederlande in Frankfurt/Main zur vorübergehenden Nummer eins zu machen.

Neuer wird kurz vor DFB-Comeback von Verletzung ausgebremst

Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen
Die Nationaltorhüter Marc-André ter Stegen (l.) und Manuel Neuer beim Torwarttraining auf dem Platz. © Arne Dedert/dpa

Kurz vor dem ersehnten DFB-Comeback wurde Neuer von einer erneuten Verletzung gestoppt. Der 37-Jährige vom FC Bayern wollte 15 Monate nach seinem Beinbruch in Lyon seine Rückkehr im DFB-Tor feiern. Doch ein Muskelfaserriss im Oberschenkel machte die ehrgeizigen Pläne des Weltmeisters von 2014 und die von Nagelsmann abrupt zunichte.

Nagelsmann mit Machtwort: Neuer bleibt die deutsche Nummer eins

Was die Blessur für die EM-Pläne bedeutet, war vorerst unklar. Nagelsmann äußerte sich nicht dazu. Bis jetzt. Denn auf der Pressekonferenz am Freitagnachmittag machte der Bundestrainer eine klare Ansage: Neuer ist weiterhin die Nummer eins im DFB-Tor – trotz seiner Verletzung!

"Wir haben die Entscheidung getroffen und hatten die Rollengespräche mit allen, nicht nur den Torhütern. Leider hat sich Manu verletzt, aber man muss auch sagen, dass es nur ein Muskelfaserriss ist – er fällt jetzt keine acht Monate aus."

Mit den Rollengesprächen wollte der Bundestrainer den Spielern Sicherheit und Klarheit geben, auch im Hinblick auf die EM. "Es wäre jetzt komisch, wenn ich bei jeder kleineren Verletzung meine Entscheidung revidiere", sagte Nagelsmann und stellte unmissverständlich klar: "An der Entscheidung ändert sich jetzt nichts, ich werde sie nicht wegen eines Muskelfaserrisses revidieren."

Am Mittwochnachmittag reiste Neuer aus dem Teamhotel in Gravenbruch bei Frankfurt ab, wie der DFB mitteilte. Auch für den FC Bayern ist das eine schlechte Nachricht kurz vor dem Topspiel gegen Borussia Dortmund und den Viertelfinalspielen in der Champions League gegen den FC Arsenal im April.

Ter Stegen rückt nach Neuer-Verletzung wieder ins DFB-Tor

Nagelsmann musste nach dem Neuer-Schock sofort umplanen – mit ter Stegen als Vertreter. "Wir haben Gott sei Dank einen Weltklassetorwart, der im Tor stehen und sicher eine sehr gute Leistung zeigen wird", sagte Nagelsmann über den Schlussmann des FC Barcelona.

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Dabei hatte der Tag für Neuer blendend begonnen. Mit einem Lächeln schritt der Torhüter am Vormittag bei der ersten von zwei Übungseinheiten im Frankfurter Sonnenschein auf den Trainingsplatz der DFB-Akademie. Lässig warf er einen Ball in die Höhe. Deutlich vor seinen Torwartkollegen um den ewigen Rivalen ter Stegen meldete sich der Münchner zur nächsten Übungseinheit für das Frankreich-Duell bereit. Als Nummer eins – auch für die Heim-EM.

Neuer erst mit Elan beim Training

Bei seiner Rückkehr in den DFB-Zirkel nach der langen Zwangspause als Folge des Unterschenkelbruchs bei einem Ski-Unfall im Anschluss an die WM 2022 strahlte Neuer in der Woche vor seinem 38. Geburtstag mit Mimik, Gestik und jeder einzelnen Parade aus, dass er bei der Europameisterschaft im Sommer beim achten großen Turnier in Serie natürlich im deutschen Tor stehen will.

Nagelsmann hatte Gespräche mit Neuer und ter Stegen über die EM-Pläne angekündigt. Diese fürchtete Neuer offenkundig nicht. "Ich konzentriere mich auf mich, auf meine Leistung und werde bei der Nationalmannschaft wieder alles geben", hatte der Bayern-Schlussmann am vergangenen Wochenende nach dem Sieg in Darmstadt zu seinen Ambitionen gesagt und ergänzt: "Der Trainer wird dann entscheiden."

Und Nagelsmann konnte diese Personalie mit der Gewissheit angehen, dass er auf der Torhüter-Position kein Problem hat. "Wir haben Top-Torhüter auf dieser Position", sagte Abwehrchef Antonio Rüdiger nach dem Vormittagstraining.

"Die Gespräche werden wir führen und dann entscheiden, mit welcher Herangehensweise wir die beiden Spiele gestalten", hatte Nagelsmann bei seiner Kader-Bekanntgabe noch ausweichend auf die Fragen nach dem EM-Torwart angekündigt. Dennoch: Sein Grundprinzip der Rollenverteilung für alle Positionen mit einer Stammkraft und einem Backup wendet er eben auch bei den Torhütern an.

Jahrelanges Duell zwischen Neuer und ter Stegen

Neuer gegen ter Stegen, dieser Torwart-Zweikampf hat seit Jahren Tradition. Und immer war am Status von Neuer nicht zu rütteln, wenn es wirklich wichtig wurde. Bei vier Welt- und drei Europameisterschaften stand er seit 2010 im DFB-Tor. Nur als der damalige Bundestrainer Joachim Löw mit einem Perspektivkader zum Confederations Cup 2017 nach Russland fuhr, durfte der ewige Stellvertreter ter Stegen als Nummer eins bei einem Turnier auflaufen und die Siegertrophäe in St. Petersburg in die Höhe strecken.

Die überwältigende Mehrheit der Experten schien sich auch jetzt sicher: Neuer steht am 14. Juni im EM-Eröffnungsspiel gegen Schottland in München im DFB-Tor. Dabei weiß der Bayerntorwart aus den Anfängen seiner Länderspielzeit, dass es keine Sicherheiten gibt. Bei der WM 2010 in Südafrika spielte er letztlich nur, weil der zuvor von Bundestrainer Joachim Löw zur Nummer eins ernannte René Adler sich eine Rippenverletzung im Saisonendspurt zugezogen hatte.

Und ter Stegen? Der hatte nun eigentlich mit dem neuerlichen Rückschlag zu kämpfen. Wieder nur Ersatz, wieder nur die Nummer zwei – wie so oft in der Vergangenheit. Der Platzhalter, auch schon 31 Jahre alt, hat die Stelle eineinhalb Jahre lang warmgehalten und sollte sich doch wieder mit der Reservistenrolle begnügen.

An einem Manuel Neuer in Topform schien auch mit 37 kein Vorbeikommen, das hatte zuletzt erst Thomas Tuchel mit großer Ehrfurcht festgestellt. Ein Comeback wie Neuer schaffe nur "einer von 20 Millionen Spielern", schwärmte der Bayern-Trainer. Neuer sei einzigartig, "absolute Weltklasse" in allen Bereichen, in Antizipation und Ausstrahlung "eine ganz eigene Liga".

Ausfallzeit von Neuer ist ungewiss

Ungewiss ist, wie lange Neuer pausieren muss, Bundestrainer Nagelsmann sprach am Freitag von etwa zehn Tagen. Eine genaue Prognose lässt sich aktuell aber noch nicht ableiten. Er dürfte den Bayern aber über die Länderspielpause hinaus nicht zur Verfügung stehen. Die erste Vereinspartie steigt am 30. März in der Bundesliga gegen Borussia Dortmund.

Neuer könnte für den DFB nun erst wieder Anfang Juni für das Spiel gegen die Ukraine ins Tor zurückkehren. Wäre das früh genug? Wie schnell er nach Verletzungen zu gewohnter Form finden kann, hat er oft genug bewiesen. Ter Stegen dürfte dies durchaus bewusst sein. (ms/dpa/SID)

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