Mit der Entlassung von Carlo Ancelotti ist es beim FC Bayern nicht getan. Der Klub braucht einen Neustart auch auf anderen Ebenen. Dafür muss aber auch eine einheitliche Linie her. Die gibt es derzeit nicht.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Stefan Rommel dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Vor anderthalb Jahren war das noch so: Der FC Bayern München wurde geführt von Karl-Heinz Rummenigge als Aushängeschild und Sprachrohr, er wurde angetrieben vom ewigen Mahner Matthias Sammer und ausgerichtet vom besten Trainer der Welt Pep Guardiola.

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Im Hintergrund werkelte Michael Reschke an großen und kleinen Transfers und an den Feinheiten des Kaders.

Derzeit wird die Mannschaft des großen FC Bayern vom ehemaligen Publikumsliebling Willy Sagnol angeleitet und vom ehemaligen Publikumsliebling Hasan Salihamidzic nach außen hin vertreten.

Sammer ist ebenso nicht mehr da wie Guardiola und Reschke. Dafür ist Uli Hoeneß wieder zurück. Womit alle Probleme eigentlich schon angerissen sind.

Die sportlichen Schwierigkeiten der Mannschaft sind das eine. Da leben zu viele Spieler in der Vergangenheit, ein paar (Alt-)Stars und vielleicht auch der eine oder andere Weltmeister.

Dann rennen unzufriedene Spieler aus unterschiedlichen Gründen zu den Bossen - jene Spieler, die offenbar auch ihre Familie und Freunde nach den Spielen mit in die Kabine nahmen, ins Allerheiligste einer Mannschaft.

Macht jeder, was er will?

Die Bayern haben sich in den letzten Wochen aufgeführt wie ein Zirkus. Und nicht wie der größte Klub Deutschlands und einer der besten der Welt.

Da fehlte der Fokus auf den Beruf beim einen oder anderen, der sich lieber um andere Geschäftsfelder kümmerte wie Jerome Boateng, den Rummenigge dann auch barsch und öffentlich rüffelte.

Da wurde öffentlich die Unterstützung der Mannschaft für das Erreichen persönlicher Ziele in Frage gestellt wie von Robert Lewandowski, der so gerne Torschützenkönig geworden wäre.

Franck Ribery warf nach einer Auswechslung das Trikot weg und kam damit ebenso ungeschoren davon wie Lewandowski, der später mit einem vom Klub nicht autorisierten Interview für Aufsehen sorgte.

Und die meisten der vielen fragwürdigen Entscheidungen laufen zusammen bei einer Doppelspitze, die gar keine Doppelspitze ist.

Die Kaderplanung im Sommer lief einigermaßen vorbei an Ex-Trainer Carlo Ancelotti, der sich Spieler von anderem Kaliber gewünscht hätte als jene, die ihm die Bosse dann tatsächlich auf den Hof gestellt haben.

Ancelotti hatte offenbar immer wieder an der Qualität des Kaders gemäkelt, die Marschroute auf dem Transfermarkt aber nach außen stillschweigend akzeptiert.

Wie der Italiener über die Berufung von Salihamidzic zum Sportdirektor und damit unweigerlich auch zu einem Aufpasser und Wächter über die Arbeit des Trainerteams dachte, kann man nur erahnen.

Aber Salihamidzic war auch ohne eine konkrete Einschätzung von Ancelotti eine mehr als diskutable Entscheidung.

Viel Feel Good, wenig externe Impulse

Die Bayern haben sich mit dem Bosnier und Sagnol zwei Feel-Good-Mitarbeiter ins Boot geholt. Damit wurde die Familie gestärkt, aber nicht der notwendige Impuls von außen gesetzt.

Salihamidzic war ja vorher schon im Klub tätig als Markenbotschafter, hatte in dieser Funktion bereits Kontakte zur Mannschaft. Auf einer freundschaftlichen, manchmal ulkigen Basis.

Jetzt soll er offiziell das Bindeglied zwischen Team und Vorstandsriege sein, inoffiziell soll er die Mannschaft als Respektsperson antreiben.

Dass Salihamidzic die Strömungen und Gräben zwischen Ancelotti und der Mannschaft aber entweder nicht erkannt oder zu spät moderiert hat, spricht nicht besonders für ihn und seine Jobbeschreibung als Kommunikator und einer, der das Ohr nah dran hat am Team und die Wogen glättet, bevor der Sturm aufzieht.

In diesem Zusammenhang ist wohl auch der Rücktritt von Markus Hörwick eine interessante Personalie. Der ehemalige Mediendirektor hörte im vorletzten Sommer quasi mit Guardiola zusammen auf.

Hörwick mag eine Randerscheinung gewesen sein im großen Betrieb an der Säbener Straße. Aber Hörwick war über 30 Jahre im Klub, kannte alles und jeden und hatte ein untrügliches Gespür dafür, wenn es unruhig werden könnte. Auch er war einer, der die Glut löschte, bevor das Feuer ausbrechen konnte.

Das neue Nachwuchsleistungszentrum ist ein Prachtbau geworden, die über 70 Millionen Euro dafür sind wohl ziemlich gut investiertes Geld.

Aber außer Steinen haben die Bayern bisher kaum relevante Inhalte liefern können, die die hervorragende Infrastruktur auch mit dem entsprechenden Leben füllen.

Hermann Gerland soll das NLZ leiten. Auch er eine Klub-Ikone, einer mit dem viel zitierten Stallgeruch. Auch hier einer aus dem inneren Kreis und kein externen Zukauf, der frische Ideen und Konzepte einbringt.

Das Problem sitzt ganz oben

Das größte aller Probleme sitzt aber ganz oben in den Gremien. Rummenigge und Hoeneß waren auch in den erfolgreichen Jahren immer mal wieder uneins, rieben sich aneinander und fanden am Ende einen Konsens.

Das scheint jetzt, fast ein Jahr nach Hoeneß' Rückkehr auf den Präsidententhron, etwas anders zu sein.

Da ist wenig Einigkeit zu spüren, es wird im wahrsten Sinne nicht mit einer Stimme gesprochen. Das zeigt sich wohl bald wieder, wenn es mit der Suche nach einem Ancelotti-Nachfolger konkret wird.

Vielleicht kommt eine folgerichtige Einlassung zur Causa Rummenigge-Hoeneß ausgerechnet aus dem fernen Hamburg.

"Ich denke, dass das Fehlen von Karl Hopfner eine ganz entscheidende Rolle spielt. Er war das Mastermind im Hintergrund, das auch reglementierend auf Kalle und Uli eingeredet hat. Jetzt ist Karl weg und der Vorstand hat sich auf fünf Personen erweitert. Karl-Heinz hat sehr stark die Internationalisierung des Vereins vorangetrieben. Uli ist mit Kraft in seine alte Position zurückgekommen. Das führt zu Reibungen."

Das sagte HSV-Boss Heribert Bruchhagen am Wochenende bei "Sky". Und sehr wahrscheinlich liegt Bruchhagen mit seiner Einschätzung richtig.

Nur wenn die beiden Granden wieder eng zueinander finden und einen gemeinsamen Nenner finden, kann der FC Bayern auch wieder einen roten Faden aufnehmen und diesen verfolgen.

Derzeit ist unklar, was die Bosse mit den Bayern vorhaben. So lange der Schwebezustand anhält, dürfte dies sehr schwer werden. Selbst für einen großen Klub wie den FC Bayern.

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