Trainer Niko Kovac muss beim FC Bayern München das Ruder nach der Niederlage gegen Dortmund nun endlich herumreißen, denn sonst wird es eng. Nicht nur mit Blick auf einen versöhnlichen sportlichen Saison-Abschluss, sondern auch auf seine eigene Zukunft.

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Es ist eine ungewöhnliche Situation für den erfolgsverwöhnten FC Bayern. Platz fünf nach elf Spieltagen in der Bundesliga. Sieben Punkte Rückstand zur schwarz-gelben Spitze.

Miese Stimmung rund um den Verein und offenbar auch in der Kabine, wie zuletzt ein sichtlich frustrierter Arjen Robben der ARD verriet.

"Ich bin jetzt in der zehnten Saison bei Bayern und weiß nicht, ob ich es so schon einmal erlebt habe: Jeden Tag kommt etwas Neues heraus. Es geht gar nicht mehr um Fußball, sondern nur noch um Nebensachen." Und weiter: "Wir dürfen derzeit gar nicht von Titeln reden, denn dafür sind wir einfach nicht gut genug."

Auch wenn Robben Trainer Niko Kovac in seiner Kritik explizit ausnahm - der ex-Coach der derzeit viertplatzierten Frankfurter Eintracht steht schon nach wenigen Monaten in München mitten im Schlamassel.

Nach ordentlichem Start mit klaren Siegen zum Auftakt und klug gewählten öffentlichen Aussagen wirkt Kovac inzwischen ratlos.

Beinahe absurd wirkt es, dass die 2:3-Niederlage gegen Dortmund seine Position für den Moment sogar gefestigt zu haben scheint. So ist jedenfalls die demonstrative Rückendeckung der Bosse rund um das Spiel zu verstehen.

Die Leistung der Münchner in Dortmund war in der Tat nicht schlecht. Es war vielleicht sogar das beste Saisonspiel der Bayern. Und doch sagt genau das alles über den derzeitigen Zustand der Mannschaft aus.

Wenn der FC Bayern sein bestes Saisonspiel zeigt und am Ende trotzdem verdient verliert, dann ist etwas gewaltig in Schieflage geraten.

Kovac muss sich Kritik gefallen lassen

Nicht alles ist Kovac anzukreiden. Es war eine Fehlentscheidung den Kader im Sommer nicht deutlicher zu verstärken. Nach dem Ausfall von Kingsley Coman fehlt es dem Münchner Offensivspiel enorm an Speed.

Wenn ein 35-jähriger Franck Ribéry, der inzwischen für alle sichtbar an Tempo und Dribbelstärke eingebüßt hat, im Spitzenspiel gegen Dortmund 90 Minuten durchhalten muss, sagt das einiges.

Der FC Bayern kreiert auch deshalb viel zu wenig Chancen. Robert Lewandowski schließt in dieser Saison so selten ab wie noch nie in München (3,4 Mal pro 90 Minuten).

Gleichzeitig ist seine Chancenverwertung aber auf hohem Niveau (7 Tore in 10 Spielen). Würde der Pole im Abschluss schwächeln, sähe es sogar noch düsterer aus.

Aber auch Kovac muss sich Kritik gefallen lassen. Seine Personalentscheidungen sind nicht konsequent.

James blieb leicht angeschlagen gegen Dortmund 90 Minuten draußen, während Hummels trotz Erkältung von Beginn an auflief und prompt Gegentore verursachte. Im Mittelfeldzentrum hat Kovac zudem immer noch nicht die richtige Kombination gefunden.

Gleichzeitig fällt auf, dass er trotz der offensichtlichen Probleme im Offensivspiel viel zu wenig Anpassungen vornimmt. Wenn die individuelle Klasse in der Offensive nachlässt, braucht es andere Wege, um im Offensivspiel erfolgreich zu sein. Doch durch die Mitte geht wenig in München.

Der Übergang vom zweiten Spieldrittel ins Offensivdrittel läuft schleppend. Die Positionierungen stimmen nicht. Der 10er-Raum ist vakant. Hier werden die Unterschiede zu seinen taktisch versierten Vorgängern Heynckes oder Guardiola am deutlichsten.

Der frühe Weg über Außen ist immer der leichteste. Aber er ist ausrechenbar und ohne einen explosiven Dribbler, der Druck auf zwei oder gar drei Verteidiger aufbauen kann, auch nicht effektiv.

Plan B und Plan C fehlen. Auch das wurde gegen Dortmund deutlich, als Kovac es wiederum verpasste, in kritischen Phasen Anpassungen vorzunehmen.

Rückkehr von Coman als Hoffnungsschimmer

Kriegt Kovac also noch die Kurve? Es liegt maßgeblich an ihm, ob er es schafft, einer immer noch sehr gut besetzten Mannschaften einen Plan - vor allem einen Offensivplan - an die Hand zu geben, der funktioniert.

Natürlich macht die bald anstehende Rückkehr von Kingsley Coman Hoffnung. Selbst der blutjunge Alphonso Davies könnte trotz seiner fehlenden Erfahrung zumindest durch sein Tempo das Münchner Spiel beleben. Darauf verlassen sollte sich Kovac aber nicht.

Die Ansetzungen der kommenden Wochen spielen den Münchnern in die Hände - theoretisch zumindest.

Denn drei der nächsten vier Spiele gegen Düsseldorf, Nürnberg und Hannover sind tendenzielle Pflichtsiege, ehe es Mitte Dezember mit Leipzig, Frankfurt und einem Auswärtsspiel in Amsterdam in der Champions League noch mal richtig schwer wird.

Kovac muss die Wochen bis Weihnachten nutzen, um eine positive spielerische Entwicklung nachzuweisen. Diese Entwicklung ist für seine persönliche Zukunft vielleicht sogar noch wichtiger als die reinen Ergebnisse.

Denn nur wenn es spielerisch spürbar aufwärts geht, hat Kovac die Chance, noch einmal die Kurve zu kriegen.

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