• Uli Hoeneß verteidigt öffentlich WM-Ausrichter Katar - und wird dafür kritisiert.
  • Die Geschäftsbeziehungen des FC Bayern mit dem Emirat sind eng und sorgen auch in München für Zündstoff. Eine Spurensuche.

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Uli Hoeneß macht es wieder: Der Ehrenpräsident des FC Bayern zieht die Aufmerksamkeit auf sich, während es in der Bundesliga für die Münchner nicht läuft. Mit einem gewohnt hemdsärmeligen Anruf in der Live-Sendung des Fußball-Talks "Doppelpass" brachte er sich ins Gespräch.

WM-Gastgeber Katar: Uli Hoeneß verteidigt das Emirat

Konkret: Als bei Sport1 eifrig über die Winter-WM (20. November bis 18. Dezember 2022) in Katar diskutiert wurde, rief Hoeneß spontan an. Der 70-Jährige verteidigte vehement den WM-Gastgeber, während der frühere Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), Andreas Rettig, die Kataris scharf kritisierte. Denn: Das Emirat steht im Verdacht, auf den WM-Baustellen Gastarbeiter auszubeuten.

Hoeneß formulierte seine eigene These: "Die WM und das Engagement des FC Bayern und auch andere Sportaktivitäten werden dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen in Katar besser werden. Es wird nur über Katar gesprochen, nicht über Dubai, Kuwait und so weiter. Das einzige Land, in dem es besser wird, ist Katar", meinte er und erklärte: "Katar ist Anteilseigner zum Beispiel von VW und der Deutschen Bank. Der Bundeskanzler bittet in Katar um Öl und Gas. Da geht es um unser Land. Sonst könnten wir nur noch mit 17 Prozent der Welt Geschäfte machen. Wir Deutsche müssen aufpassen, dass wir uns nicht isolieren."

FC Bayern: Polarisierendes Emirat Katar ist Partner der Münchner

Damit nicht genug: Rettig bezeichnete er harsch als den "König der Scheinheiligen". Der von ihm so scharf Attackierte wehrte sich, nannte Hoeneß im "Doppelpass" den "Botschafter von Katar". Warum? Die Spurensuche beginnt im Januar 2011. Damals flogen die Bayern erstmals für ihr Winter-Trainingslager in den Wüstenstaat. Hoeneß war seinerzeit Präsident des Vereins und Aufsichtsratsvorsitzender der ausgegliederten Kapitalgesellschaft, die für den Profi-Sport im Fußball zuständig ist. Seither bereiteten sich die Münchner fast jedes Jahr unter der Sonne der arabischen Halbinsel auf die Rückrunde vor.

Und das unter allerbesten Bedingungen in der spektakulär anmutenden Aspire Academy von Doha. Die Geschäftsbeziehungen sind entsprechend eng. Als 2013 erste Berichte über angebliche Menschenrechtsverletzungen auf den WM-Baustellen die Runde machten, war Vereinsikone Franz Beckenbauer einer derer, die beschwichtigten. "Also, ich hab noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen alle frei rum", sagte der Weltmeister-Trainer von 1990 nach einem Besuch des nur 2,7 Millionen Einwohner zählenden Landes.

Unter Regie von Hoeneß wurden die Beziehungen zum Emirat trotz der bedenklichen Menschenrechtslage ausgeweitet. 2018 stachen die Qatar Airways die deutsche Lufthansa als Premiumsponsor aus. Und das, weil das katarische Staatsunternehmen laut "Sport Bild" pro Jahr 20 Millionen Euro für ein Sponsoring-Logo auf dem Ärmel der Fußballer zahlt. Bei der Lufthansa sollen es 2,5 Millionen Euro jährlich gewesen sein. Der Deal, der 2023 ausläuft, brachte den Bayern demnach insgesamt 100 Millionen Euro ein. Für vergleichsweise wenig Werbefläche. Das Engagement brachte aber auch die organisierte Fanszene auf die Barrikaden.

FC Bayern: Konflikt mit Ultras wegen Sponsoring von Katar

Es ist ein Konflikt, der auf der letzten Jahreshauptversammlung am 25. November 2021 eskalierte. Das Gros der etwa 800 (von insgesamt 293.000) anwesenden Mitgliedern gehörte den Ultras an. Die organisierten Fans hatten im Vorfeld einen Antrag eingebracht, der eine Verlängerung des Sponsorings von Qatar Airways über 2023 verhindern sollte. Vergeblich. Unter fragwürdigen Bedingungen wurde der Antrag von Vereinsseite schlicht nicht zugelassen. Dabei werden Berichte über angebliche Menschenrechtsverletzungen des autoritären Staatsapparates in Katar detaillierter.

Laut einem Bericht von Amnesty International aus dem Dezember 2021 heißt es etwa zu den Gastarbeitern: "15.021 Nicht-Katarer sind zwischen 2010 und 2019 gestorben – in allen Altersgruppen, aus allen Gründen und in allen Berufen." Bei der JHV 2021 wollte das Präsidium von Hoeneß-Nachfolger Herbert Hainer von all dem aber nichts wissen. Kurzum: Einen vorgeschlagenen Kompromiss zur Akzeptanz des Sponsorings lehnten die versammelten Mitglieder unter wildem Protest ab. Der Abend endete schließlich in Tumulten im Saal, ein Bruch zwischen Klubchefs und organisierter Fanszene wurde offenkundig. Hoeneß sprach von der "schlimmsten Veranstaltung bei Bayern, die ich je erlebt habe". Auf Katar ging er nicht ein. Dabei hatte sich der Krach angedeutet. Kurz vor der JHV hatte die "Südkurve" in der Arena ein riesiges Transparent gezeigt: "Für Geld waschen wir alles rein." Darauf waren Hainer und Vorstandsboss Oliver Kahn zu sehen, wie sie blutverschmierte, mutmaßlich katarische Kleidung in eine Waschmaschine mit der Aufschrift "FC Bayern AG" stecken.

"Bayern München hat mit Qatar Airways eine Partnerschaft, und ich war da auch nie ein Pharisäer, wenn ich das mal so sagen darf. Wir haben gutes Geld aus diesem Vertrag bekommen", erklärte der frühere Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge damals dem WDR. Dieses Geld sei wichtig, "um die Spieler zu bezahlen, damit man auch gute Qualität auf dem Platz hat". Das Thema erfährt Brisanz, da der Bundesliga-Gigant finanziell unter Druck steht.

FC Bayern: Münchner stehen international finanziell unter Druck

Seit Monaten machen Rummenigge und Hoeneß Werbung gegen die 50+1-Regel der DFL, die die Anteile externer Geldgeber bei Kapitalgesellschaften deutscher Fußball-Klubs auf maximal 49 Prozent der Stimmen begrenzt. Obwohl sich beide eigentlich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen haben. Aber: Die Anzeichen verdichten sich, dass der FC Bayern in puncto Ablösen und Gehälter mit den Klubs aus England, Paris und Mailand nicht mehr mithalten kann, die wahlweise von schwerreichen Investoren aus den USA, aus China oder der arabischen Halbinsel finanziert werden.

Während die Bayern seit Sommer 2019 ein Transferminus von rund 227 Millionen Euro angesammelt haben, betrug das liquide Vermögen Ende 2021 laut Vereinsangaben 209 Millionen Euro. Das ist viel. Aber genug, um mit reinen Investoren-Klubs mithalten zu können? Das steigert die Bedeutung des Katar-Sponsorings für den Klub erheblich. Das weiß Hoeneß sicherlich. Am 15. Oktober ist die JHV 2022. Es könnte wieder brisant werden.

Verwendete Quellen:

  • JHV 2021 des FC Bayern
  • Abendzeitung München: Scharfe Kritik an Hainer und Kahn
  • www1.wdr.de: Karl-Heinz Rummenigge - Der Fußball gehört vielen
  • t-online.de: Wie ein tiefer Graben den FC Bayern durchzieht
  • merkur.de: Ein Jahr vor der Katar-WM: Tausende Tote und "sklavenähnliche Zustände"?
  • Sport 1: Doppelpass (25. September 2022)
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