Sky-Experte Didi Hamann feiert am Sonntag seinen 50. Geburtstag. Im Exklusiv-Interview mit unserer Redaktion blickt er auf seine Profilaufbahn zurück, spricht über die schwierigste Zeit seines Lebens, erzählt vom Beginn seiner Experten-Laufbahn, bewertet außerdem die Situation des FC Bayern München und der deutschen Nationalmannschaft.

Ein Interview

Herr Hamann, welche Bedeutung hat der 50. Geburtstag für Sie?

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Didi Hamann: Mir ist das Alter eigentlich ziemlich egal. 50 ist nur eine Zahl.

Ihre aktive Zeit als Bundesliga-Profi begann vor knapp 30 Jahren, und zwar im Februar 1994 beim FC Bayern München. Wären Sie lieber heute Fußballprofi oder war damals die schönere Zeit?

Natürlich werden die Fußballprofis heute noch besser bezahlt als wir damals – wobei auch wir gut bezahlt wurden. Aber heute ist man kaum noch in der Lage, sich frei zu bewegen. Das war zu unserer Zeit anders. Wir konnten früher auch einmal länger abends unterwegs sein. Das hat niemanden gestört. Heute macht jemand ein Foto mit dem Handy, und man bekommt riesigen Ärger. Daher beneide ich die heutige Generation an Fußballprofis nicht.

Didi Hamann: "Ich habe dem FC Bayern viel zu verdanken"

Sie haben insgesamt fünf Jahre bei den Profis des FC Bayern München verbracht, wurden in der Zeit zweimal Deutscher Meister und gewannen auch den Uefa-Pokal. Damals bekam der Verein wegen der vielen Nebenschauplätze den Namen FC Hollywood verpasst. Wie denken Sie an diese Zeit zurück?

Ich habe dem FC Bayern viel zu verdanken. Ich bin damals mit 16 Jahren zum FC Bayern gekommen, als Hermann Gerland die A-Jugend übernahm. Ich genoss dort eine hervorragende Ausbildung und wurde gut auf den Profifußball vorbereitet. Dann hatte ich das Glück, dass Franz Beckenbauer Trainer des FC Bayern wurde. Er nahm mich mit zum Trainingslager nach Teneriffa und sagte zu mir daraufhin, dass ich bei der 1. Mannschaft bleiben darf. Später kamen dann Giovanni Trapattoni und Otto Rehhagel, die große Förderer von mir waren. Aber wie Sie schon sagten, war das die Zeit des FC Hollywood.

Das heißt?

Wir hatten hervorragende Einzelspieler, waren aber keine Mannschaft. Es war natürlich lehrreich, dort mit den ganzen Weltstars wie Oliver Kahn, Jean-Pierre Papin, Jürgen Klinsmann, Andreas Herzog, Mehmet Scholl oder Lothar Matthäus zu spielen und zu trainieren. Vor allem im Training wird man besser. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich dort mein Potenzial nicht ausschöpfen kann. Daher bin ich 1998 nach England gewechselt. Das war eine hervorragende Entscheidung.

Mit dem FC Liverpool gewannen Sie im Jahre 2005 die Champions League, obwohl Sie im Finale zwischenzeitlich mit 0:3 zurücklagen. War das für Sie das Spiel Ihres Lebens?

Ja, das würde ich sagen. Als ich beim Stand von 0:3 eingewechselt wurde, habe ich zwar gehofft, dass wir das Spiel noch drehen können. Aber richtig geglaubt habe ich daran nicht. Ich würde sagen, nur unser Trainer hat noch daran geglaubt.

Sie waren in England sehr erfolgreich, haben aber auch schwierige Zeiten durchlebt. In Ihrer Biografie "The Didi Man" haben Sie beschrieben, dass Sie zeitweise Probleme mit Alkohol und Sportwetten hatten. Wie haben Sie das hinter sich gelassen?

Man muss die richtigen Schlüsse ziehen. Wenn es eine private Trennung gibt und auch Kinder mit drinstecken, ist das keine einfache Zeit. Aber man muss einen Weg finden, denn es geht immer weiter. Den Kopf in den Sand zu stecken, ist keine Option. Das ist im Sport so und im Leben auch. Natürlich haben die Familie und Freunde mir in dieser Zeit sehr geholfen.

Vom Trainer zum TV-Experten

Nach Ihrer aktiven Karriere haben Sie sich zwischenzeitlich als Trainer versucht und waren unter anderem Co-Trainer beim damaligen englischen Zweitligisten Leicester City. Warum haben Sie dies nicht weiterverfolgt?

Ich habe ziemlich schnell herausgefunden, dass ich als Trainer nicht gut genug bin. Ich habe damals mit Sven-Göran Eriksson gearbeitet, hatte außerdem weiter Kontakt zu Rafael Benitez. Gerade Benitez, der bereits mehrere Titel gewonnen hatte und zu den besten Trainern der Welt gehörte, bewegte sich auf einem anderen Niveau. Er hatte die Gabe zu sehen, was in einer Mannschaft schiefläuft und dann eine passende Übung zu kreieren. Diese Gabe hatte ich nicht. Wenn ich etwas mache, möchte ich versuchen, der Beste zu sein. Davon war ich weit entfernt. Daher hatte sich das schnell erledigt.

Wie kam es dazu, dass Sie stattdessen TV-Experte geworden sind?

Ich war bei dem englischen Sender BBC das eine oder andere Mal als Experte dabei. Außerdem war ich beim irischen Fernsehen und habe ab der Weltmeisterschaft 2010 einige Spiele begleitet. Und irgendwann wurde ich von Sky als Experte eingeladen. Zur Saison 2013/14 wurde ich dann gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Spiele regelmäßig im Stadion zu begleiten. So kam ich zu der Aufgabe, die mir sehr viel Spaß macht. Ich bin weiterhin mit dem Fußball verbunden und sehr dankbar, dass ich das machen darf.

Sie werden für Ihre sachlichen wie auch sehr kritischen Analysen geschätzt. Gibt es rückblickend eine kritische Aussage, die Sie bereuen?

Nein. Mir geht es immer nur um die Sache – das ist nie persönlich gemeint. Sicherlich habe ich auch einmal Dinge gesagt, die sich dann nicht bewahrheitet haben. Aber ich kann eben nur sagen, was ich zum jeweiligen Zeitpunkt glaube. Alles, was ich im Fernsehen sage, würde ich den Leuten auch am Telefon und im persönlichen Gespräch sagen. Es kommt schon einmal vor, dass Leute bei mir anrufen, die mit meinen Aussagen nicht einverstanden waren – aber nur selten. Im Fußball muss man kritikfähig sein.

Wie oft hat Uli Hoeneß bei Ihnen angerufen, weil er mit Ihrer Kritik gegenüber dem FC Bayern nicht einverstanden war?

Der Uli hat mich tatsächlich noch nicht angerufen. Vielleicht, weil er in den letzten Jahren nicht so aktiv gewesen ist. Das könnte sich jetzt möglicherweise wieder ändern (lacht).

Im Jahre 2019 war Hoeneß allerdings sehr erbost, als Sie Robert Lewandowski kritisierten…

Ja, da hat er mich öffentlich für kritisiert. Aber das ist auch in Ordnung. Wenn man selber kritisiert, muss man so etwas abkönnen. Auch Christian Heidel hatte einmal in einem Interview etwas über mich gesagt. Dann haben wir zwei Tage später telefoniert und das Thema war erledigt. Das gehört dazu. Diese Streitkultur hat uns über viele Jahre ausgezeichnet. Leider ist uns das auf einer gewissen Ebene verloren gegangen.

Hamann über den FC Bayern: "Ich glaube, dass das Gebilde etwas fragil ist"

Sprechen wir noch einmal über die Aktualität: Am Sonntag empfängt der FC Bayern München im 2. Saisonspiel den FC Augsburg. Wie bewerten Sie den FC Bayern und Neuzugang Harry Kane nach dem Saisonauftakt in Bremen?

Das Spiel in Bremen war kein Maßstab, weil Werder ziemlich enttäuschend gespielt hat. Sie haben den FC Bayern nicht gefordert. Wir müssen abwarten, wie die Saison nun verläuft. Natürlich ist Kane ein Spieler, der seine Tore machen wird. Die Frage ist, wie stabil das gesamte Gebilde FC Bayern München ist – und zwar von der Führung über den Trainer bis zur Mannschaft. Ich glaube, dass das Gebilde etwas fragil ist. Und davon wird es abhängen, wie Kane einschlägt. Wenn es im Verein Probleme gibt, färbt sich das auf die Mannschaft und somit auch auf Kane ab.

Der FC Augsburg hat zwei der letzten fünf Spiele gegen den FC Bayern gewonnen. Kann diese Mannschaft ein Stolperstein sein?

Ja, absolut. Augsburg wurde fast schon wieder abgeschrieben, nachdem sie im DFB-Pokal bei der SpVgg Unterhaching verloren hatten. Aber sie haben am 1. Spieltag das Spiel gegen Gladbach gedreht und hätten eigentlich sogar gewinnen müssen (Endstand: 4:4, Anm.d.Red.). Augsburg ist eine unangenehme Mannschaft. Sie haben zwar die zwei Spiele zu Hause gewonnen und treten nun in München an. Aber sie haben nichts zu verlieren und wissen, dass der FC Bayern trotz des 4:0-Sieges in Bremen angeschlagen ist. Wenn Augsburg besser verteidigt als gegen Gladbach, können sie Bayern gefährlich werden.

Blicken wir abschließend noch einmal zur Nationalmannschaft: Glauben Sie, dass wir bei der Europameisterschaft 2024 im eigenen Land eine richtig gute Mannschaft haben werden?

Im Moment glaube ich das nicht, nein. Ich wüsste nicht, was mir Hoffnung geben sollte, dass wir nächstes Jahr plötzlich konkurrenzfähig sind. Aber im Fußball kann sich alles schnell ändern. Die Testspiele im September gegen Japan und Frankreich sind sehr wichtig. Die Mannschaft muss zeigen, ob sie mit Hansi Flick zur EM gehen will. Wir täten gut daran, endlich ein bisschen Aufbruchstimmung zu erzeugen. Du kannst nicht jedes Spiel gewinnen. Aber die Leute müssen das Gefühl haben, dass da eine Mannschaft auf dem Platz steht, die alles für das Trikot macht. Dieses Gefühl hatten wir – ich spreche jetzt als Fußballfan – zuletzt nicht mehr.

Rechnen Sie damit, dass es einen Trainerwechsel geben könnte, wenn auch die beiden Testspiele im September enttäuschend verlaufen?

Ich glaube, der DFB hat sich in diese Richtung geäußert. Irgendwann muss man Besserung sehen. Man kann nicht immer nur sagen, dass man testet. Diese Zeit ist vorbei. Wir befinden uns in der Saison der EM und müssen jetzt eine Steigerung sehen.

Zur Person: Dietmar "Didi" Hamann (Jahrgang 1973) spielte von 1993 bis 1998 für den FC Bayern München, wechselte daraufhin nach England und war für Newcastle United, den FC Liverpool, Manchester City und Milton Keynes Dons aktiv, ehe er im Jahre 2011 seine Laufbahn beendete. Heute ist er als Experte bei Sky tätig.
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