Unter dem einstigen Assistenten von Bundestrainer Joachim Löw verbreitet der FC Bayern wieder Angst. Doch wie hat Interimstrainer Hansi Flick das angestellt? Eine Spurensuche.

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"Es gibt liebe Jungs dort und Diven", beschrieb Jupp Heynckes im Interview mit der "Westdeutschen Zeitung" vor etwa einem Jahr die Spieler des FC Bayern München. Jener Mann, dem das besondere Gespür für die "Strömungen in der Mannschaft" nachgesagt wird, die laut Ex-Präsident Uli Hoeneß zur Trennung von Trainer Niko Kovac führten.

Dass sich die Trainer beim deutschen Fußball-Rekordmeister vor jenen "Strömungen" in Acht nehmen müssen, bewies bereits der Vor-Vor-Vorgänger von Interimstrainer Hansi Flick, Carlo Ancelotti. Der Italiener war am Widerstand der deutschen Weltmeister bei den Münchnern gescheitert.

Flick holte sich nun vorsorglich den Rat von Heynckes ein. Wer, wenn nicht der 74-Jährige könnte den 54-Jährigen besser beraten? Schließlich führte Heynckes die Bayern 2013 zum ersten Triple der Vereinsgeschichte bestehend aus dem Gewinn des DFB-Pokals, der Deutschen Meisterschaft und der Champions League.

"Wir haben schon ein paar Mal telefoniert", erzählte Flick auf der Spieltags-Pressekonferenz vor dem Bundesliga-Topspiel gegen Bayer Leverkusen am Samstag-Abend (18:30 Uhr, LIVE bei uns im Ticker). Doch die Herren kennen sich deutlich besser, als nur über ein "paar" Telefonate. Flick spielte einst unter Heynckes zwischen 1987 und 1990 in München - und so begann er über die Vorzüge seines ehemaligen Trainers zu sprechen, was er in Sachen Menschenführung von dem Triple-Sieger gelernt habe.

Hansi Flick, der Spieler-Vesteher

"Jupp Heynckes war mein bester Trainer. Ich war ein junger Spieler, Stammspieler", sagte Flick. "Einmal hat er vor dem Training gesagt: 'Du bleibst drin und wirst behandelt'. Ich wollte aber trainieren. Dann hat er gesagt: 'Nein, ich bin mit dir zufrieden, du bleibst heute drin'. Ich dachte nur: 'Wow, er ist mit mir zufrieden'. Das war eine Wertschätzung für mich. Das hat er als Vorbild sensationell gemacht, die Empathie, dass er sich nicht zu wichtig genommen hat."

Empathie wird auch Flick nachgesagt. Diese gilt als eine seiner größten Stärken als Trainer. "Fingerspitzengefühl", nannte es Mittelfeldspieler Leon Goretzka einmal. Doch nicht nur Flick gilt als Spieler-Versteher, auch Co-Trainer Hermann Gerland. Was man wissen muss: Der "Tiger", wie die Fans ihn in der Allianz Arena rufen, wird beim Rekordmeister immer dann reaktiviert, wenn die Mannschaft in ein Stimmungstief verfällt.

Für Flick zählt auch das Team hinter dem Team

Was Gerland besonders gut macht? Er holt die hoch bezahlten Stars auf den Boden zurück. Im Training erinnert er die Nationalspieler daran, dass sie ohne Fleiß ihr Privileg schnell wieder einbüßen.

Dabei ist er einer von ihnen, das beweisen die Foppereien mit Angreifer Thomas Müller. "Hermann Gerland weiß, wie der Verein funktioniert, worauf es ankommt. Er hat sehr viel Erfahrung", sagte Flick mit Blick auf seinen Partner auf der Trainerbank - und lobte das Team hinter dem Team. "Holger Broich und die medizinische Abteilung sind absolute Experten, sie sind immer für die Mannschaft da. Die Leute im Hintergrund machen einen Top-Job."

Er sei als Trainer ein Leiter, der schaue, dass "jeder als Experte in seinem Bereich Topleistung bringt, dass jeder das Vertrauen und die Wertschätzung bekommt", erklärte der Bayern-Coach weiter und nannte exemplarisch den Torwarttrainer: "Toni Tapalovic steht in der Gegner-Vorbereitung und in der Videoanalyse seinen Mann."

Flick: "Fußball ist keine One-Man-Show"

Nicht nur, wenn es um den Trainerstab geht, hebt Flick stets das Team hervor. "Elf Stammspieler, wie zu meiner Zeit, ist nicht mehr aktuell. Wir haben 23 Spieler mit den Torhütern, da hat jeder die Berechtigung, im Kader zu stehen. Der Fußball ist keine One-Man-Show", referierte der frühere Bundesliga-Profi am Freitagnachmittag im kleinen Presseraum des Rekordmeisters weiter.

"Für mich ist wichtig, dass jeder immer alles gibt und sich in den Dienst der Mannschaft stellt", sagte er. "Wenn jeder seinen Dienst an der Mannschaft verrichtet, ist der FC Bayern nicht weit davon entfernt, dass wir die Spiele auch gewinnen."

Flick wiederum stellt sich immer in den Dienst seiner Spieler - vor allem öffentlich. Als er darauf angesprochen wurde, ob Stürmer Robert Lewandowski in diesem Jahr nicht den "Ballon d'Or" für den besten Fußballer der Welt verdient habe, erinnerte der frühere Bundestrainer-Assistent an einen großen deutsche Spieler der jüngeren Geschichte, mit dem er 2014 in Brasilien den WM-Titel gewann.

Flick: Philipp Lahm hätte den "Ballon d'Or" verdient gehabt

"Ein Spieler wie Philipp Lahm - 2013 mit dem Triple. Dann ist er Weltmeister geworden. Er hat zehn Jahre lang Topleistungen abgerufen. Dass er nicht ein Mal da oben gestanden hat, kann ich nicht verstehen", sagte er und meinte mit Blick auf Welt-Star Lionel Messi, der laut der spanischen Sportzeitung "Mundo Deportivo" die Trophäe 2019 zum sechsten Mal in seiner Karriere gewinnen wird: "Da können auch mal andere stehen."

Nicht nur Lewandowski ("Auf der Neun ist er für mich der weltbeste Stürmer") bekam die nächste Huldigung, sondern auch der brasilianische Leihspieler Philippe Coutinho, nachweislich ein sensibler Fußballer. "Für uns war wichtig, dass er da spielt, wo er seine Stärken hat: das Eins-gegen-eins, den finalen Pass, den Abschluss. Wir wissen um seine Qualität. Manchmal muss man einem auch Zeit geben", erklärte Flick, warum er den 27-Jährigen im 4-3-3-System links und nicht in einem 4-2-3-1 zentral hinter der Spitze agieren lässt.

Flick und die Spielidee beim FC Bayern

Flick hat schließlich nicht nur mit Coutinho eine klare Spielidee. "Der ballbesitzende Gegner muss unter Druck gesetzt werden. In der Bundesliga kann jeder einen sauberen Ball spielen, wenn er nicht unter Druck steht. Deswegen ist der Druck auf den Ball entscheidend", sagte er.

Konkret: Bei Ballbesitz des Gegners spielen die Münchner unter ihm ein sehr hohes Pressing samt hartnäckigem Gegenpressing. So, wie es einst der heutige Trainer des FC Liverpool, Jürgen Klopp, beim BVB revolutionierte. Und damit 2013 als Außenseiter gegen die Bayern ins Champions-League-Finale einzog.

Bei der Wortfolge Champions-League-Finale gerät Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge erst richtig ins Schwärmen. Er ist von Flick überzeugt: "Er hat unser vollstes Vertrauen." Aber wie könnte es auch anders sein, bei einer Bilanz von vier Siegen in vier Spielen bei 16:0-Toren?

Verwendete Quellen:

  • sport1.de: Zwingt Flick den FCB zu seinem Glück?
  • az-muenchen.de: So viel Jupp Heynckes steckt in Hansi Flick
  • wz.de: Was Jupp Heynckes über Niko Kovac und Borussia Mönchengladbach denkt
  • tz München (Printausgabe 29. November 2019: Hansis Erfolgsrezept
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