Der Hamburger SV und der VfB Stuttgart liefern sich in der 2. Liga ein Fernduell um den Aufstieg. Für die beiden Schwergewichte des deutschen Fußballs ist die Rückkehr in die Bundesliga in Gefahr – und es steht noch viel mehr auf dem Spiel.

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Die Gefühlslage im Norden und Süden Fußball-Deutschlands könnte vor dem 33. Spieltag der 2. Liga unterschiedlicher kaum sein. Eine gewaltige Sorge begleitet die zwei Traditionsvereine aus Hamburg und Stuttgart aber gleichermaßen: die Angst vor dem Versagen.

2. Liga: HSV und VfB Stuttgart bangen um Bundesliga-Rückkehr

"Wir haben zu langsam gespielt und waren nicht immer in der Lage, Lösungen zu finden. Wir wollten deutlich mehr nach vorne agieren, haben zu viele Sicherheitsbälle gespielt", sagte Dieter Hecking, Trainer des großen Hamburger SV nach dem 1:1 gegen den VfL Osnabrück unter der Woche.

Pellegrino Matarazzo, Coach des VfB Stuttgart, gab nach dem 5:1 gegen den SV Sandhausen dagegen euphorisch zu Protokoll: "Wenn man von seinen Spielern Mut verlangt, darf man selbst kein Angsthase sein."

Die Ausgangslage im Aufstiegskampf hat sich verschärft: Der VfB ist zwei Spieltage vor Saisonende hinter der bereits als Meister feststehenden Arminia aus Bielefeld Zweiter (55 Punkte). Hamburg belegt den Relegationsrang (54), dahinter lauert der aufmüpfige 1. FC Heidenheim (52).

Am Sonntag müssen die Hanseaten ausgerechnet zum Showdown auf die Ostalb (15.30 Uhr), während die Schwaben zeitgleich beim 1. FC Nürnberg gefordert sind. Für die Franken geht es gegen Abstieg. Am letzten Spieltag haben beide Klubs dann Heimrecht, Stuttgart empfängt Darmstadt 98, der HSV bittet den SV Sandhausen zum Tanz.

Druckkessel 2. Liga: HSV und VfB Stuttgart gewaltig unter Druck

Druckkessel 2. Liga - das spüren vor allem die Hamburger. Der HSV könnte zum zweiten Mal in Folge die Bundesliga-Rückkehr auf der Zielgeraden vermasseln. Wie die Hamburger Morgenpost vorrechnete, hat kein Klub kurz vor und kurz nach der Corona-Pause weniger Punkte geholt.

Danach folgten zähe Auftritte gegen die Aufsteiger Wehen Wiesbaden (3:2) und Osnabrück. Sorgen macht die wackelige Innenverteidigung mit Timo Letschert und Rick van Drongelen. Wenig besser läuft es in der Offensive: Torjäger Sonny Kittel (elf Saisontore) hat seit zehn Spielen nicht mehr getroffen.

HSV in der 2. Liga: Geduld des Hamburger Umfelds überstrapaziert

Dabei hat der Verein die Geduld seiner Anhänger und von Investor Klaus-Michael Kühne längst überstrapaziert. Wie Statista schreibt, war der HSV 2015 noch der deutsche Verein mit den drittmeisten Fans – über 1,8 Millionen. Doch seither wurde viel Kredit verspielt – auch beim Gönner.

"Ich habe zwar fast 100 Millionen Euro investiert, aber davon sind 60 Millionen Euro in die Beteiligung an der HSV Fußball AG gegangen", erzählte Kühne Anfang des Jahres im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Ich habe das für Hamburg getan."

Zuletzt kündigte der Logistikunternehmer im Gespräch mit der Welt einen Stellenabbau wegen der Coronakrise an – was den Druck auf den HSV erhöht, an die TV-Gelder der Bundesliga ranzukommen.

Stuttgart kommt in der 2. Liga ins Stolpern

Das gilt auch für den VfB, bei dem gleich mehrere Baustellen zu nennen sind. Die Ausgliederung der Profiabteilung war nicht unumstritten. 2017 hatte sich Daimler 11,75 Prozent der Anteile für 41,5 Millionen Euro gesichert. Der Automobil-Riese hat seine Firmenzentrale nur einen Steinwurf entfernt vom Klub-Heim in Bad Cannstatt, viele Angestellte stehen oder sitzen jeden Heimspieltag in der Cannstatter Kurve.

Aus der Region, für die Region – das Beispiel sollte Mode machen. Das Ziel: Der VfB will 24,9 Prozent der Anteile an der Fußball-Tochter für mindestens 100 Millionen Euro veräußern. Doch das Projekt geriet gehörig ins Stocken, während die Mannschaft in der 2. Liga taumelte.

"Wir sind schon länger in Gesprächen mit weiteren Unternehmen, die wir uns als strategische Partner vorstellen könnten", erklärte der erst 38-jährige Vorstandsvorsitzende Thomas Hitzlsperger der Süddeutschen Zeitung. Das Mitglied der Meister-Mannschaft von 2007 sollte die Schwaben wieder ganz nach oben führen, doch seit seinem Job-Antritt im Oktober 2019 ist Hitzlsperger durchweg als Krisenmanager gefordert.

Vergebliche Suche nach Investoren

Es gebe "eine romantische Vorstellung: Wir gehen einfach mal zu den vielen Weltmarktführern aus unserer Region und die geben uns Geld – aber das ist nicht so", erklärte der frühere Nationalspieler zu den Verhältnissen in Stuttgart.

Eigentlich sollten längst neue Investoren präsentiert sein. Dem Vernehmen nach stünden diese bereit, doch zu oft enttäuschte der VfB sein großes Umfeld. Laut "Stuttgarter Nachrichten" waren die Schwaben im September 2018 mit damals 65.000 Mitgliedern der fünfgrößte Klub in Deutschland. Inzwischen sind es 70.000 Mitglieder.

"Wir sind in der zweiten Liga, aber das Selbstverständnis hier in der Region ist ein völlig anderes. Wir könnten ein weiteres Jahr in der zweiten Liga finanziell stemmen", meinte Hitzlsperger: "Das ist zwar beruhigend, aber das wollen wir natürlich nicht. Wir wollen in die erste Liga."

VfB Stuttgart: Kritische Fragen an Hitzlsperger und Mislintat

Längst müssen sich er und Sportdirektor Sven Mislintat kritische Fragen anhören. Die Mannschaft wirke verängstigt und leidenschaftslos – vor dem Befreiungsschlag gegen Sandhausen.

Der Italo-Amerikaner Matarazzo, erst seit Ende Dezember Trainer, war nach vier Niederlagen und nur zwei Siegen aus acht Spielen angezählt. Dabei hatte Boss Mislintat vor der Saison durch die Transfers von Benjamin Pavard (FC Bayern), Ozan Kabak (FC Schalke) und Timo Baumgartl (PSV Eindhoven) kolportiert 60 Millionen Euro eingenommen.

Der Mann, der sich als Chefscout von Borussia Dortmund und des FC Arsenal unter dem Begriff "Diamantenauge" einen Namen gemacht hatte, gab mindestens 21,6 Millionen Euro für über ein Dutzend neue Spieler aus. Sicher ist der Aufstieg aber noch lange nicht.

Analytiker Matarazzo gibt vor dem Showdown nun die Devise aus: "Es geht darum, dass wir uns mit aller Macht wehren, um den Widrigkeiten eines Spiels zu trotzen."

Am Sonntag dürften Nervosität gleichermaßen hoch sein – am Neckar und an der Elbe.

Verwendete Quellen:

  • Frankfurter Allgemeine Zeitung: Klaus-Michael Kühne - "Ich habe Opfer gebracht"
  • Hamburger Morgenpost: Verspielt der HSV wieder alles?
  • Stuttgarter Nachrichten: Pellegrino Matarazzo – Auf der Suche nach Lockerheit
  • Stuttgarter Zeitung: Zweiter Geldgeber wird wohl erst 2020 präsentiert
  • Stuttgarter Nachrichten: So schneidet der VfB Stuttgart im Mitgliederranking ab
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