732 Milliarden Euro - so viel nimmt der Staat nach Schätzungen dieses Jahr an Steuern ein. Die Einnahmen sprudeln, dazu ist Wahlkampf, in dem den Bürgern zumeist Entlastungen versprochen werden. Welche Partei was plant - ein Überblick.

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Der Staat wird in diesem Jahr etwa 732 Milliarden Euro einnehmen – nur an Steuern.

Und die Prognosen stehen günstig, dass die gute Konjunktur auch in den kommenden Jahren für sprudelnde Steuereinnahmen sorgen wird.

Wolfgang Schäuble will sparen

Doch was tut der Staat damit? Aktuell ist dafür Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zuständig.

Der will vornehmlich sparen und nur eine kleine Steuersenkung. Doch das unterstützen inzwischen nicht mehr alle in der Union.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte schon 2016 die "größte Steuersenkung aller Zeiten" angekündigt.

Doch welche Forderungen stellt die Union? Und was planen die anderen Parteien mit den Steuer-Milliarden.

  • Union

Wenigstens in einem Punkt sind sich die Unionsparteien CDU und CSU einig: "Wir schließen Steuererhöhungen grundsätzlich aus".

Das formulierte die CDU auf ihrem Parteitag 2016 in Essen.

Bei Steuersenkungen beginnt der Dissens: Sie wurden debattiert, eine Einigung hinsichtlich konkreter Vorhaben gab es indes nicht.

Nun rechnet der Bund mit 50 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Schäuble äußerte sich dennoch vorsichtig und stellte bei der Vorstellung der Schätzungen lediglich eine maßvolle Entlastung der "kleinen und mittleren Einkommen" in Aussicht. Maximalvolumen: 15 Milliarden Euro.

Der Wirtschaftsflügel der CDU allerdings will die Steuerlast um 30 Milliarden Euro pro Jahr senken.

Carsten Linnemann, der Vorsitzende der CDU-Wirtschaft- und Mittelstandsvereinigung (MIT), sagte der "Welt": "So günstig wie in diesen Jahren war die Zeit für stärkere Entlastungen und eine echte Steuerstrukturreform noch nie."

Die CSU ist dabei auf der Seite des Wirtschaftsflügels der Schwesterpartei. "Mit uns wird es eine kräftige Entlastung der Bürger geben. Darauf können sich die Bürger verlassen", sagte der CSU-Chef Horst Seehofer nun zum Abschluss der zweitägigen Klausurtagung seiner Partei auf Schloss Schwarzenfeld in der Oberpfalz.

In der kommenden Legislaturperiode solle es eine "große, wuchtige Steuerreform" geben. Eine Summe nannte er nicht.

Als konkrete Maßnahmen hat die Partei aus Bayern bislang die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, höhere Pauschbeträge und den Kampf gegen die kalte Progression ausgemacht.

Generell sollen kleine und mittlere Einkommen entlastet werden. Eine Erhöhung des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes sollen Familien stärken.

Die Pläne der SPD sind noch unklar. In einer ersten Reaktion auf die aktuellen Steuerschätzungen hatte Kanzlerkandidat Martin Schulz in Bonn gesagt: "Das, was wir jetzt an Überschüssen erzielen, sind einmalige Überschüsse. Jetzt hinzugehen und sie dauerhaft zu verteilen, da muss man prüfen, wie weit ist das möglich."

Bereits zuvor hatte Schulz klassische sozialdemokratische Forderungen formuliert und eine stärkere Besteuerung von "Riesenvermögen" gefordert und eine Entlastung von kleinen sowie mittleren Einkommen in Aussicht gestellt.

Die Hinweise verdichten sich, dass diese Forderungen es so auch ins offizielle Wahlprogramm schaffen.

So gibt es beispielsweise 20 Thesen, welche die Sozialdemokraten aktuell auf ihrer Homepage formulieren.

Gleich als zweiten Punkt führt die SPD dort ein gerechtes Steuersystem an, das vor allem Familien entlasten solle.

"Wir brauchen keine Steuersenkungen mit der Gießkanne für alle. Sondern Entlastungen für die, die es nötig haben: Familien, Alleinerziehende und Menschen mit mittlerem und niedrigem Einkommen. Und besonders hohe Einkommen und Vermögen müssen mehr zum Allgemeinwohl beitragen," schreiben die Sozialdemokraten auf ihrer Internetseite.

Nach dem Parteitag Ende Juni wissen wir mehr.

  • Linke

Die Linken streben eine konsequente Umverteilung von oben nach unten an.

Große Vermögen und Einkommen sollen entsprechend höher besteuert werden, kleine und mittlere entlastet werden.

Die Mehreinnahmen sollen sozial Schwachen entgegenkommen. Ein Werkzeug dazu ist ein höherer Spitzensteuersatz.

Er soll nach dem Willen der Linken 53 Prozent betragen, gültig bei einem Jahreseinkommen von mindestens 70.000 Euro.

Neu wäre die Einführung einer Reichensteuer: Wer mindestens 260.000 Euro jährlich verdient, soll 60 Prozent Steuern zahlen.

Bei einem Einkommen von mehr als einer Million Euro sollen ganze 75 Prozent an den Staat fließen.

Der Steuer-Freibetrag hingegen soll kräftig steigen von aktuell etwa 8.800 Euro auf 12.600 Euro.

Mit den Zusatzeinnahmen plant die Linke einen stärkeren Ausbau öffentlicher Einrichtungen.

"Wir wollen die Infrastruktur wieder in einen Zustand versetzen, dass sich Bürger nicht länger für ihre Stadt schämen müssen", sagte Parteivize Axel Troost dem Berliner "Tagesspiegel".

Kapitalerträgen sollen nicht geringer besteuert werden als solche aus Arbeit.

  • Grüne

Beim Thema "Steuergerechtigkeit" sind die Forderungen der Grünen nahe bei der Linkspartei.

Sie streben eine höhere Besteuerung von Reichen und eine Vermögensteuer für Menschen mit sehr hohen Einkünften an.

Am Begriff "Superreiche" jedoch scheiden sich die Geister: Von welchem Vermögen an jemand als "superreich" gilt, darum windet sich die Partei bisher.

Einig ist sich die Partei jedoch hinsichtlich der Entlastung von Familien um exakt zwölf Milliarden Euro.

Kinder sollen beispielsweise höhere Hartz-IV-Regelsätze bekommen, Paare doppelte Grundfreibeträge erhalten.

Und auch das Thema Altersarmut soll steuerlich bekämpft werden: mit einer Garantierente für langjährig Versicherte.

Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zeigen: Die FDP ist wieder da. Ihre Umfragewerte sind konstant hoch und Parteichef Christian Lindner tönt wie einst Guido Westerwelle.

Erst jüngst attestierte er dem Staat "kleptokratische Züge" hinsichtlich der Geldmengen, die er einfordert.

"Angesichts der Mehreinnahmen sind 30 bis 40 Milliarden Euro jährliche Entlastung bis Ende des Jahrzehnts erreichbar", sagt er als direkte Reaktion auf die jüngsten Steuerschätzungen der Experten.

Ähnlich wie die CSU vertritt auch der wirtschaftsliberale CDU-Flügel Positionen, die denen der FDP nahekommen: eine stärkere Steuersenkung, als sie Schäuble beispielsweise vorschlägt.

Die FDP will allerdings im Gegensatz zur Union nach Ende des Solidarpakts für den Osten 2019 den Solidaritätszuschlag auf einen Schlag abschaffen – und nicht schrittweise absenken.

Ansonsten alles FDP: Die Steuern müssen sofort sinken, so die Forderung. 30 Milliarden Euro stehen im Raum.

Familien sollen in den Genuss von höheren Kinderfreibeträgen und voll absetzbaren Betreuungskosten kommen.

Insgesamt fordert die FDP, dass Steuern und Sozialabgaben in keinem Fall mehr als die Hälfte des Einkommens ausmachen dürfen.

  • AfD

Die AfD ist hinsichtlich ihres Ansatzes nahe bei der FDP: Auch die Rechtspopulisten wollen das Steuersystem auf den Kopf stellen.

Als Basis dessen formuliert die AfD in ihrem Parteiprogramm ein Stufensystem der Einkommensteuer.

Damit sollen vor allem niedrige und mittlere Einkommen entlastet werden.

Dabei bleibt die AfD konkret in der These, aber vage in der Umsetzung: Weder die exakte Anzahl der Stufen ist genannt noch gibt die Partei in ihrem Programm eine Antwort auf die Frage, von welchen Summen an welche Sätze greifen.

Ansonsten will die AfD den Grundfreibetrag erhöhen, eine sogenannte Steuer- und Abgabenbremse für den Staat einführen und die Erbschaftsteuer abschaffen.

Insgesamt klingen die Vorhaben der Rechtspopulisten ambitioniert, bleiben aber im Detail abstrakt.

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