• Die Zahlen der nach Deutschland geflohenen Menschen sind in diesem Jahr so hoch wie seit Jahren nicht.
  • Hierzu zählen die vielen Personen, die aus der Ukraine vor dem Krieg geflohen sind.
  • Aber auch aus anderen Ländern haben die Zahlen stark zugenommen. Hier die wichtigsten Fakten im Überblick.

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Wie entwickeln sich die Zahlen?

Im September dieses Jahres haben 18.720 Menschen in Deutschland um Asyl gebeten. Das sind 16 Prozent mehr, als im Monat davor. Dies ergeben Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Im gesamten Zeitraum von Januar bis September 2022 haben 134.908 Personen bisher einen Antrag auf Asyl gestellt. Auch dies sind wesentlich mehr, als im Vorjahr. Es handelt sich hier um eine Steigerung von 34,5 Prozent.

Hinsichtlich der Menschen, die einen Asylantrag stellten, sind dies im Vergleich zur später so genannten "Flüchtlingskrise" von 2015 weniger asylsuchende Menschen. Im Jahr 2015 stellten 441.899 Personen einen Asylantrag und im Folgejahr 2016 waren dies 722.370 Menschen. Da Menschen, die aus der Ukraine fliehen, jedoch keinen Asylantrag stellen müssen, tauchen diese in der Statistik der Asylanträge nicht auf.

Nach Auskunft eines Sprechers des Bundesinnenministeriums sind bis zum 12. Oktober 2022 bislang 1.004.026 aus der Ukraine kommende Menschen in Deutschland registriert worden. Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass in dieser Zahl auch Menschen umfasst sind, die durch Deutschland nur durchgereist sind und das Land mittlerweile wieder verlassen haben. Eine genaue Zahl, wie viele aus der Ukraine geflohene Menschen sich dauerhaft in Deutschland aufhalten, konnte das Ministerium nicht mitteilen.

Aus welchen Ländern kommen die Menschen?

Neben der mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine stammen die meisten der Menschen, die seit Januar 2022 nach Deutschland gekommen sind, mit 40.781 Personen aus Syrien. Gefolgt wird diese Gruppe von 22.705 Personen aus Afghanistan, sowie 11.604 aus der Türkei und 11.542 aus dem Irak.

Während der Anteil der Menschen aus Syrien im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant blieb, haben sich bei den aus anderen Ländern geflohenen Menschen Veränderungen ergeben. Der Anteil aus Afghanistan geflohener Menschen ist um 50 Prozent angestiegen, derjenige von Menschen aus der Türkei gar um 148 Prozent.

Weiter hinten rangieren Länder, die an die Ukraine angrenzen. Aus Moldau kommend, haben in diesem Jahr 1963 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Aus Belarus nur 263 Personen.

Was sind derzeit die stärksten Fluchtursachen?

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist gegenwärtig die größte Ursache für Menschen, ihr Land zu verlassen. Von diesem Umstand überlagert beschäftigt die EU-Innenminister aktuell noch eine andere Problematik. Serbien verfolgt gegenwärtig eine Praxis, in dem die dortige Regierung einreisenden Menschen leicht Visa zukommen lässt.

Dies führt dazu, dass diese Menschen einfach durch Serbien durchreisen können und so an die EU-Außengrenze gelangen. Diese Praxis hat Bundesinnenministerin Faeser zuletzt kritisiert. Sie forderte Serbien auf, ihre Einreisebestimmungen an diejenigen der EU anzupassen, wie der Tagesspiegel berichtete.

Die EU Grenzschutzagentur Frontex meldete in diesem Jahr bereits 228.240 illegale Grenzübertritte der EU-Außengrenze. Das entspricht einem Zuwachs von 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nach Angaben von RND, gelangten die meisten Menschen über die Südbalkanroute, oder über das Mittelmeer, in die EU.

Hat Deutschland aus der "Flüchtlingskrise" 2015 gelernt?

Bei der Aufnahme und Unterbringung sind vor allem die Kommunen und Bundesländer gefragt. Weil für Menschen aus der Ukraine keine aufwändigen Asylverfahren gelten würden, erleichtere dies die Integration in Arbeits- und Wohnungsmarkt, sagt Herbert Brücker, Direktor des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM). Diese Maßnahme habe die unmittelbaren Nachbarstaaten entlastet und irreguläre, häufig risikoreiche Fluchtwege mit vielen Todesopfern vermieden.

"Es senkt am Ende auch die Kosten für Deutschland als Aufnahmeland der Geflüchteten," so Brücker. Während im Jahr 2015 alle Geflüchteten in Erstaufnahmeunterkünften unterkommen mussten, können sie sich heute selbst Wohnungen suchen oder privat unterkommen. Dadurch müssten nur noch etwa ein Drittel dieser Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden, sagt Migrationsforscher Brücker.

Bei den Geflohenen aus anderen Ländern als der Ukraine stellt sich die Lage etwas anders dar. Denn bei jenen muss nach wie vor ihr Aufenthaltsstatus geklärt werden. Migrationsforscher Brücker geht davon aus, dass gemäß der bisherigen Praxis von den vielen aus Syrien und Afghanistan geflohenen Menschen etwa 75 Prozent einen Schutzstatus erhalten werden.

Auch hier sieht der Forscher Fortschritte. Etwa bei der Geschwindigkeit der Anerkennung der Verfahren. Zudem sei auch das Angebot von Sprachkursen und Arbeitsmarktprogrammen besser entwickelt als noch im Jahr 2015.

Wo gibt es noch Verbesserungsbedarf?

Die hohe Zahl von aus der Ukraine stammenden allein reisenden Frauen, die Kinder oder ältere Menschen betreuen, sei eine Herausforderung, sagt Migrationsforscher Herbert Brücker. Die Frage der Kinderbetreuung werde für die Lösung des Problems entscheidend sein. Bei Menschen, die nicht aus der Ukraine stammen, würde "häufig geltendes Recht unterlaufen", erklärt Brücker. Dabei komme es zu illegalen Zurückweisungen von Schutzbedürftigen an den Grenzen und zudem gäbe es nach wie vor keinen fairen Verteilungsmechanismus für die Übernahme der Kosten innerhalb der EU.

Aufseiten der deutschen Städte herrscht große Besorgnis vor. Der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung, schlug kürzlich Alarm: "In vielen Städten sind alle Aufnahmeeinrichtungen voll belegt und dies schon vor dem Winter". Bereits zum aktuellen Zeitpunkt müssten die ersten Städte auf Notunterkünfte zurückgreifen. Jung warnte zudem davor, möglicherweise nicht alle unbegleiteten Minderjährigen unterbringen zu können. Zudem forderte der Vizepräsident des Städtetages vom Bund, die Verteilung der Geflohenen besser zu koordinieren. Gegenwärtig bestehe noch ein "Ungleichgewicht zulasten der großen Städte", so Jung.

Auch Migrationsforscher Brücker sieht die Gefahr, dass bei der Verteilung der Geflohenen ähnliche Fehler gemacht würden wie 2015. Damals wurden viele dieser Menschen in überdurchschnittlich strukturschwache Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit untergebracht. Vielmehr müsse bei der Verteilung auf die "Kapazitäten der Wohnungsmärkte, die Arbeitsmarktlage und die Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen" geachtet werden.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Herbert Brücker, Direktor des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM)
  • Statement von Burkhard Jung, Vizepräsident des Deutschen Städtetages, zum Spitzengespräch zur Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten
  • Stellungnahme eines Sprechers des Bundesministeriums des Innern und für Heimat
  • Bundesamt für Flüchtlinge und Migration
  • rnd.de: Frontex: Zahl illegaler Grenzübertritte um 70 Prozent gestiegen
  • tagesspiegel.de: Steigende Flüchtlingszahlen auf der Balkanroute: Die neue Härte der Nancy Faeser
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