• Oppositionsführer Friedrich Merz hat die Generaldebatte im Bundestag für einen rhetorischen Angriff gegen die Regierung genutzt.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte ungewöhnlich emotional. Kritik an zu langsamen Waffenlieferungen an die Ukraine sei "dahergeredetes Zeug".
  • Um die Inflation zu bekämpfen, will Scholz eine "konzertierte Aktion" mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern ins Leben rufen.

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Das Bundeskanzleramt kann in diesem Jahr rund 3,7 Milliarden Euro ausgeben. Das ist im Vergleich mit den großen Bundesministerien eher ein Klacks. Aber die Debatte über den kleinen Haushalt des Bundeskanzleramts ist traditionell ein wichtiger Termin im Bundestag: Jedes Jahr Anlass für einen Schlagabtausch über die Politik des amtierenden Kanzlers (oder früher der Kanzlerin) und der ganzen Bundesregierung.

Merz greift Scholz an: "Sie sagen unverändert nichts"

Oppositionsführer Friedrich Merz hat bei der diesjährigen Generaldebatte am Mittwochmorgen zuerst das Wort – und lobt zunächst die Zusammenarbeit mit der Regierung, vor allem aber einen eigenen Verhandlungserfolg. Seine CDU/CSU-Fraktion hat sich mit der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP auf eine Grundgesetzänderung geeinigt, um ein Sondervermögen für die Bundeswehr dort zu verankern. Merz sieht seine Fraktion als Gewinner: "Sie sind unseren Wünschen vollumfänglich nachgekommen."

Das war es dann aber auch mit der Harmonie. Merz wirft der Bundesregierung vor, dass die versprochenen schweren Waffen noch immer nicht in der Ukraine angekommen sind. Hinter den Ansprüchen der eigenen "Zeitenwende" bleibe Scholz zurück, alles "verdampfe und verdunste" im Unklaren, im Ungefähren. "Sie reden etwas mehr als sonst, aber Sie sagen unverändert nichts."

Scholz: Liefern Ukraine modernstes Flugabwehrsystem

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Lieferung weiterer Waffensysteme an die Ukraine angekündigt - unter anderem ein modernes Flugabwehrsystem und ein Ortungsradar. (Bild: Imago) © AFP

Scharf kritisiert Merz, dass der Kanzler zwar einerseits 80 Minuten mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert habe. Andererseits sei er nicht bereit, den ukrainischen Parlamentspräsidenten zu empfangen, der am Donnerstag in Berlin zu Gast ist. "Peinlich" und "unanständig" rufen Abgeordnete aus der Unionsfraktion.
Merz redet sich langsam aber sicher in Rage: Er prangert hohe Schulden, fehlende Reformbereitschaft bei der Rente an. "Es gibt nichts außer neuen Schulden, was Sie mit diesem Wort Zeitenwende ernsthaft verbinden."

Scholz schießt zurück: "Sie werden nicht damit durchkommen, immer nur Fragen zu stellen"

Üppige 30 Minuten hat der Kanzler danach für eine Antwort. Er reagiert ungewöhnlich emotional. "Sie sind hier durch die Sache durchgetänzelt und haben nichts Konkretes gesagt", sagt Scholz zu Merz. "Sie werden nicht damit durchgekommen, immer nur Fragen zu stellen und sich nie zu positionieren – und wenn Sie es dann machen, wird’s peinlich."

Der Regierungschef sagt der Ukraine die Lieferung eines modernen Flugabwehrsystems zu. Mit der öffentlichen Diskussion über Waffenlieferungen geht Scholz scharf ins Gericht. Dass Deutschland zu wenig und zu langsam liefere, sei "dahergeredetes Zeug", schimpft der Kanzler. Auch in Talkshows seien viele Falschbehauptungen geäußert worden. "Wo leben wir eigentlich und was macht das für einen Sinn?"

Scholz erinnert auch daran, dass CDU und CSU die vergangenen 16 Jahre für die Ausrüstung der Streitkräfte zuständig war. Die schlechte Zeit für die Bundeswehr habe begonnen, als ein "presseaffiner, sich in seinem Amt sonnender Verteidigungsminister Guttenberg sich entschieden hat, alles anders zu machen und die Wehrpflicht abzuschaffen", sagt Scholz. "Manchmal ist Sacharbeit wirklich eine nützliche Sache, Herr Merz."

"Konzertierte Aktion" gegen Inflation

Im Rest seiner Redezeit referiert der Kanzler noch einmal seine Politik – über ein Signal freuen sich besonders die liberalen Koalitionspartner: Scholz verspricht, die Schuldenbremse trotz zahlreicher staatlicher Aufgaben ab 2023 wieder einzuhalten. Da klatscht die FDP-Fraktion, während sich bei SPD und Grünen kaum eine Hand rührt.

Scholz hat aber auch eine Neuigkeit parat: Um die hohe Inflation zu bekämpfen, will er eine konzertierte Aktion zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ins Leben rufen. Mit ihnen will er Wege suchen, den Anstieg der Preise zu bremsen. Das erinnert an das "Bündnis für Arbeit", mit dem der frühere SPD-Kanzler Gerhard Schröder ab 1998 die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen wollte. "Wir brauchen eine gezielte Kraftanstrengung in einer außergewöhnlichen Situation."

Den Vorwurf der Zögerlichkeit will Scholz sich an diesem Tag offensichtlich nicht anhören. Er verspricht schnelle Schritte beim Ausbau der Energieunabhängigkeit und beim Erreichen der Klimaneutralität. Von Bedenkenträgern wolle er sich "nicht den Schneid abkaufen lassen", betont Scholz. "Dieses Jahr ist das Jahr der Entscheidung."

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Britta Haßelmann: "Wo waren Sie die letzten 16 Jahre?"

Die Koalitionspartner des Kanzlers führen die Angriffe auf die Opposition fort. FDP-Fraktionschef Christian Dürr greift den Vorschlag der Unionsparteien auf, das Bundeswehr-Sondervermögen über die Wiedereinführung einer Solidaritätsabgabe zu finanzieren: "Wie absurd ist das denn?", so Dürr.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann wirft CDU und CSU vor, der Ampel einen Berg an liegengelassenen Aufgaben hinterlassen zu haben. "Wo waren Sie eigentlich die letzten 16 Jahren, meine Damen und Herren?", ruft Haßelmann. "Wir haben Verantwortung in dieser Krise übernommen und tun unser Möglichstes."

Fundamentalkritik von der Opposition

Die kleinen Oppositionsparteien fällen erwartungsgemäß ein ganz anderes Zeugnis. "Dieser Haushalt ist ein Dokument der Abgehobenheit, der Realitätsverweigerung und der Ignoranz gegenüber dem Zustand des Landes und der Menschen", schimpft AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Die Regierung verteile Milliarden im Ausland, kümmere sich aber nicht um die eigenen Bürgerinnen und Bürger.

Für die Linke prangert Fraktionschefin Amira Mohamed Ali eine soziale Schieflage bei den Entlastungspaketen der Bundesregierung an. Die einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro gehe zum Beispiel nicht an die Rentnerinnen und Rentner. "Wie abgehoben kann man eigentlich sein?", fragt Mohamed Ali. Die Bundesregierung habe keine Antworten auf die vielen Krisen der Zeit: "So unsicher wie jetzt war das Leben hier zulande lange nicht mehr."

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