Maybrit Illner und ihre Gäste diskutieren - ein letztes Mal im Konjunktiv - über den Kampf um die CDU-Spitze. Ein Vertrauter des Bewerbers Friedrich Merz muss als Sparringspartner für einen Rundumschlag herhalten.

Eine Kritik

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Was weiß das ZDF, was wir nicht wissen? Im Programm wird schon die Sendung "Was nun, Herr Merz?" angekündigt – und Merz als neuer CDU-Chef vorgestellt.

Bei "Maybrit Illner" verblieb die Runde am Nikolausabend hingegen weiter im Konjunktiv – ein letztes Mal vor der Entscheidung auf dem Parteitag in Hamburg an diesem Freitag.

Das war das Thema

Aller guten Dinge sind drei – das gilt für die Kandidatenliste der CDU offenbar genauso wie für die Talkshows der Republik: Nach Frank Plasberg ("Wer gewinnt das Rennen um Merkels Erbe?") und Sandra Maischberger ("Wer übernimmt Merkels Thron?") diskutiert auch Maybrit Illner über den "Tag der Entscheidung – wer kommt nach Merkel?"

Diese Gäste diskutierten mit

Wenn es nach Franz Josef Jung (CDU) geht, heißt Merkels Nachfolger Friedrich Merz: "Er kann uns wieder über 40 Prozent führen." Von den schlechten Umfragewerten seines Wunschkandidaten lässt sich der Ex-Verteidigungsminister nicht beirren: "Ich bin von niemandem auf einen anderen Kandidaten angesprochen worden – nur auf Friedrich Merz."

Jung-Unternehmerin Diana Kinnert (CDU) stört sich an der Rückkehr des Andenpaktes, dem Unions-Männerbund, dem auch Jung und Merz angehören. "Man hat so das Gefühl, die Erneuerung der Partei wurde schon im Hinterzimmer ausgeklüngelt."

Während die Hoodie-Politikerin in ihren Statements immer wieder im Eiltempo die Parteilinie kreuzte, trug Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in einer kurzen Schalte diszipliniert Nichtigkeiten aus dem Pressebriefing vor. Es herrscht Aufbruchstimmung, die Delegierten entscheiden frei, der Sieger oder die Siegerin muss alle integrieren. Wer hätte es gedacht. Und damit danke nach Hamburg.

Ex-SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wehrte sich gegen Illners Vermutung, er bevorzuge Merz, weil er im Wahlkampf ein dankbarer Gegner sein könnte: "Egal, wer gewinnt, damit wird kein Problem der SPD gelöst." Tatsächlich bevorzuge er Merz, weil der "das ganze Feld" bespiele: "Viele Konservative haben wegen Merkel keine Heimat mehr in der CDU, es wäre gut, wenn sie wieder CDU wählen können und nicht die AfD."

Der Politologe Albrecht von Lucke bezeichnet Rückkehrer Merz als "reine Projektion": "Der Mann profitiert davon, dass er sich vor 15 Jahren verabschiedet hat." Diese Abwesenheit verschaffe ihm ein "Anti-Establishment"-Image, das aber nur innerhalb der Union ziehe: "Gerade unter Frauen sind seine Umfragewerte desaströs." Statt einer Polarisierung mit Merz müsse die CDU für das Projekt 40 Prozent Annegret Kramp-Karrenbauer wählen. "Sie ist die einzige, die die Mitte stärkt."

Die Publizistin Jana Hensel vermisst bei allen drei Kandidaten eine klare Positionierung. Weder hätten sie über ihre Biografie gesprochen noch über die Partei hinaus das Land adressiert. Von der viel beschworenen "Aufbruchstimmung" spürt sie nichts: "Die gilt nur für die Partei."

Das war der Schlagabtausch des Abends

Schade, dass sein eigentlicher Gegner Friedrich Merz verhindert war, aber Albrecht von Lucke legte sich seine Sparringspartner geschickt zurecht: "Merz bietet bisher reine Ankündigungsrhetorik. Sagen Sie doch mal, wo er in der Sozialpolitik steht", sagte er zu Franz Josef Jung. Der gehorchte und zitierte die Formel "wer arbeitet, soll mehr haben als der, der nicht arbeitet".

Ein Schnellschuss ein Tag vor der Wahl, wetterte von Lucke dagegen. "Weil er gemerkt hat, dass die Leute kein Geld haben sich Aktien zu leisten." Sprachs, und eilte vom Aktien-Sager über den Andenpakt hin zur Wahlempfehlung von Wolfgang Schäuble. "Es ist der Versuch der alten Männerriege, Merkel zu einem Betriebsunfall der Geschichte zu machen."

Anderer Gast, ähnlicher Trick: Ohne einen akuten Anlass fragt von Lucke Diana Kinnert, wie sie sich denn einen Parteivorsitzenden vorstelle - und gibt die Antwort selbst. "Wenn einer 40 Prozent der Bevölkerung nicht integrieren kann oder will, ist er als Chef einer Volkspartei untauglich."

Eine Anspielung auf die 40 Prozent der Deutschen, die keinen Cent auf der hohen Kante haben – vor allem nicht, um Aktien für die Altersvorsorge zu kaufen. "Merz hat sich von den Verhältnissen im Land maximal entfernt."

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Die Parteitagsregie der CDU konnte sich an diesem Donnerstagabend viel abschauen: Rein theoretisch kann ja jeder Delegierte in Hamburg eine Frage an die Kandidaten stellen, was die eigentliche Abstimmung in die Nachtstunden verschieben könnte.

Straffe Führung ist da gefragt - und genau die legte Maybrit Illner mit einem typischen Illner-Kniff an den Tag: Sie beendete die Sätze ihrer Gäste und nahm ihnen damit quasi das Wort aus dem Mund.

Hart an der Grenze zur Unhöflichkeit, aber effektiv.

Das sind die Erkenntnisse des Abends

So sehr sich CDU und SPD in der GroKo auseinandergelebt haben, ein Schicksalsband eint sie noch: Franz Josef Jung beschwor die Verdienste der Volksparteien für die Demokratie, und meinte damit ausdrücklich CDU und SPD. "Mit diesen Parteien sind wir gut gefahren in Deutschland. Die Zersplitterung hat uns nicht gutgetan."

Für ihn ist Friedrich Merz nicht nur ein Hoffnungsträger für die Union, sondern auch für die SPD.

Die Journalistin Jana Hensel machte die Runde auf eine Leerstelle in der Debatte um die Nachfolge von Angela Merkel aufmerksam: "Alles dreht sich nur um die konservativen Wähler. Als Volkspartei muss man sich an Frauen wenden, an Migranten, an Ostdeutsche.

Hensel wirft der Partei außerdem vor, ein fatales Signal an die Gesellschaft zu senden: "Es sieht so aus, als glaube eine Volkspartei, es sich nicht leisten zu können, dass eine Frau auf eine Frau folgt."

Falls Merz gewinnt, wird die Union wieder von Männern dominiert - und was für welchen, meint Albrecht von Lucke: "Das Zukunftspaar heißt dann Merz und Söder, die beiden möchte ich mal attraktiv gemacht sehen für die Frauen in diesem Land."

Das Versprechen, die AfD zu halbieren, nimmt Lucke Merz nicht ab – schon gar nicht in Ostdeutschland, wo die Kombination aus Finanzindustrie und "Systempolitiker" nicht gut ankomme. "Er ist doch die Inkarnation des Feindbildes der AfD, die warten auf so eine Figur."

Auch die SPD habe auf einen wie Merz gewartet, jedoch ist sie - so von Lucke in all seiner Gnadenlosigkeit - momentan "nicht kanzlertauglich mit 15 Prozent". Und alle drei CDU-Kandidaten haben selbst für CDU-Nachwuchsfrau Kinnert ein Defizit: "Die fehlende gesellschaftspolitische Liberalität. Ich sehe nur christliche Sittlichkeit, die sie homophob äußert."

Ein Grund, warum sie vermutet, ein anderer Kanzlerkandidat hätte bei Neuwahlen gute Chancen: Robert Habeck. Aber mit dem muss sich die Union erst nach Hamburg beschäftigen. Oder, um es mit Jana Hensel zu sagen: Am Montag fangen die Probleme bei der CDU erst an.

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