Eine neue Euro-Krise stehe vor der Tür: Dieses Schreckensszenario malen Pessimisten angesichts der Ankündigungen der neuen italienischen Regierung an die Wand. Besonders AfD-Gründer Bernd Lucke drückte bei Maybrit Illner auf den Alarmknopf. Gut, dass Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz hanseatisch-pragmatisch bleibt.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die neue italienische Regierung aus Fünf-Sterne-Partei und der rechten Lega führt - noch bevor sie überhaupt erste Maßnahmen ergriffen hat - zu Sorge in Europa und an den Finanzmärkten.

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Was war das Thema bei Maybritt Ilnner?

Trotz einer Staatsverschuldung von über 130 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts - in absoluten Zahlen sind das Schulden von rund 2,2 Billionen Euro - will die Regierung der drittgrößten europäischen Volkswirtschaft Wahlversprechen im niedrigen dreistelligen Milliardenbereich umsetzen - darunter ein Grundeinkommen, Steuersenkungen und eine Anhebung des Renteneintrittsalters.

Bringt das neues Wachstum? Oder ist Italien auf einem Crashkurs, der auch Europa mit in den Abgrund zieht, fragt Maybritt Illner.

Wer sind die Gäste?

  • Olaf Scholz (SPD): Der Bundesfinanzminister und Vizekanzler gab sich hanseatisch-pragmatisch - und verhalten optimistisch. Italien werde nicht scheitern, eine neue Euro-Krise ziehe nicht herauf - zumindest wenn es die neue Regierung schaffe, Wirtschaftswachstum zu generieren.
  • Ulrike Guérot: Die Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung beklagte die deutsche Hochnäsigkeit gegenüber Italien. Von der deutschen Regierung erwartet sie mehr Bemühungen, den Euro zu reformieren und nicht nur Schuldzuweisungen.
  • Paul Ziemiak (CDU): Der Vorsitzende der Jungen Union gab die Losung aus, Europa "gegen die Populisten von Links und Rechts" zu verteidigen. Grundsätzlich bemühte er sich wie Olaf Scholz darum, keine Panik zu verbreiten.
  • Bernd Lucke (Liberal-Konservative Reformer): Der Wirtschaftsprofessor und Gründer der AfD war der personifizierte Alarm-Knopf. "Italien spielt kühl lächelnd mit dem Feuer!", war einer der Sätze, mit dem Lucke vor einer neuen Euro-Krise warnte.
  • Sebastian Dullien: Der Professor für Allgemeine Volkswirtschaftslehre drehte den Spieß um. Er sagte, dass auch Deutschland nicht vor einer Staatspleite gefeit sei. "Wenn mit der Automobilindustrie etwas massiv schiefgeht, dann ..."
  • Giovanni Di Lorenzo: Der Journalist und Autor hat den deutschen und italienischen Pass. Er wies darauf hin, dass Ratschläge in Italien "genau das Gegenteil erzeugen" würden. Di Lorenzo klagte aber auch über die Neigung einiger italienischer Politiker, "Deutschland und Frankreich, vor allem Angela Merkel, zum Sündenbock zu machen".

Was war das Rede-Duell des Abends?

Das Verbal-Scharmützel von CDU-Mann Ziemiak und Politikprofessorin Guérot. Als der Christdemokrat von hausgemachten italienischen Problemen sprach, bei deren Lösung die Deutschen helfen müssten, wurde Guérot ungehalten. "Wir müssen ein bisschen aufhören mit der deutschen Arroganz! Davon haben die Italiener echt die Nase voll."

Guérot griff zu einem bildhaften Vergleich: "Wir stehen wie mit Stöckelschuhen den anderen Ländern auf dem Fuß herum, und wenn die dann vor Schmerz verzerrte Gesichter haben, dann fragen wir: Habt ihr ein Problem?"

Sie begründete dies unter anderem mit deutschen Leistungsbilanz-Überschüssen, die den anderen Volkswirtschaften schaden würden.
Ziemiak blieb dennoch bei seiner Linie - und forderte, dass die Italiener ihr Land reformieren müssten.

Was war der Moment des Abends?

Als Lucke von Finanzminister Olaf Scholz eine seiner Zahlen bestätigt haben wollte.

Wenn Italien zahlungsunfähig werde, kämen auf Deutschland enorme Milliarden-Belastungen zu, sagte der AfD-Gründer. "150 Milliarden Euro!" Dabei blickt er Scholz an und fragte: "Stimmen die Zahlen?"

Der Minister ließ sich auf dieses Spielchen nicht ein. "Sie haben eine völlig falsche Zusammenrechnung gemacht, weil es natürlich überhaupt nicht eine solche Situation geben wird", erwiderte der Hanseat. "Und das weiß auch jeder!"

Lucke ließ nicht locker und rechnete weiter vor. Scholz konterte, dass diese Schwarzmalerei "unverantwortlich" sei.

Wie hat sich Maybrit Illner geschlagen?

Illner war inhaltlich auf der Höhe und hakte kritisch nach. Sie sorgte aber auch für einen fast schon vergessenen Fauxpax: Scholz war plötzlich Schulz, jener Ex-Kanzlerkandidat und Ex-SPD-Chef, der aktuell einfacher Abgeordneter ist.

"Der Name ist mir in der Kehle steckengeblieben ...", entschuldigte sie sich bei Olaf Scholz. Der nahm es locker: "Alles in Ordnung. Alles gute Namen."

Was ist das Ergebnis?

Noch ist Italien gar nicht auf Crashkurs, deswegen ist auch das Stellen der Frage nach einer neuen EU-Krise verfrüht. Erstmal muss abgewartet werden, wie die neue Links-Rechts-Koalition in dem EU-Gründungsland überhaupt regieren wird.

Olaf Scholz gab sich jedenfalls zuversichtlich. "Die Realität sieht oft anders aus als das Wahlprogramm!"

Andererseits: Ein Blick in die Zukunft - gerade wenn diese Sorgen macht - ist erlaubt. So wäre bei Luckes Nachfrage nach möglichen Kosten einer italienischen Zahlungsunfähigkeit mehr Tiefgang wünschenswert gewesen.

Die kühle Reaktion von Scholz und sein Bemühen, keine Alarmstimmung zu verbreiten, sind letztlich aber auch verständlich. Denn mit der Griechenland-Krise ist die Lage in Italien bislang nicht zu vergleichen. Darauf haben auch immer wieder die Experten hingewiesen.

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