Natürlich spielte auch der Ukraine-Krieg am Dienstagabend bei "maischberger" eine zentrale Rolle, schließlich traf sich Wladimir Putin gerade mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping. Wesentlich spannender, weil informativer, war aber der Besuch des Ökonomen Hans-Werner Sinn. Denn der redete Klartext. Deutlich unangenehmer war da schon der Auftritt eines ehemaligen Parteichefs.

Christian Vock
Eine Kritik
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Zwischen der letzten Sendung "maischberger" in der vergangenen Woche und der jüngsten Ausgabe am Dienstagabend liegen vor allem zwei Ereignisse. Der Besuch des chinesischen Staatschefs Xi Jinping in Moskau und die Rettung der strauchelnden Schweizer Bank Credit Suisse. Beides dementsprechend die Hauptthemen bei Sandra Maischberger am Dienstag.

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Die Themen des Abends:

Mit Roderich Kiesewetter und Oskar Lafontaine geht Sandra Maischberger noch einmal den Ukraine-Krieg durch, mit dem Ökonomen Hans-Werner Sinn bespricht die Moderatorin den Fall der Credit Suisse. Was in der Woche sonst noch passiert ist, darüber spricht Maischberger mit Walter Sittler, Claudia Kade und Ulf Röller: Haftbefehl gegen Putin, mögliche Anklage von Donald Trump, die Lage der Ampel-Koalition, die Wahlrechtsreform, eine eventuelle Parteigründung von Sahra Wagenknecht und der Neubau am Kanzleramt.

Mit diesen Gästen diskutierte Sandra Maischberger:

  • Walter Sittler. Der Schauspieler glaubt, dass der Haftbefehl gegen Putin "ein Symbol an die westliche Allianz" sei. Niemand werde Putin tatsächlich verhaften können. Wenn DeSantis US-Präsident werde, könnte es, glaubt Sittler, zur Entfremdung mit Europa kommen und die USA mehr von Europa verlangen. Zur Empörung Markus Söders über die Wahlrechtsreform und eine angebliche Benachteiligung seiner CSU sagt Sittler: "Ich habe einen Beitrag gelesen, der sagt: 'Dann soll die CSU einfach bessere Politik machen, dann kriegen sie auch mehr Stimmen!' Und das gilt für die Linke genauso." Zum Verhalten der FDP in der Koalition sagt Sittler: "Sie blockieren absolut alles." Gerade Volker Wissing sei "ein würdiger Nachfolger der CSU-Bundesverkehrsminister", sagt Sittler und meint das nicht als Kompliment.
  • Claudia Kade. Die "Welt"-Journalistin mache sich bei einer Verhaftung Trumps "schon größere Sorgen". "Der Umgang mit dem Sturm aufs Kapitol und den Urteilen, die es da gab in der Trump-Anhängerschaft, hat ja gezeigt, dass die Institutionen keinerlei Autorität bei diesen Leuten haben." Für Kade deute Wagenknechts Verhalten in den vergangenen Monaten auf eine Parteigründung hin, "weil sie nämlich daran arbeitet, ihre Basis für so ein Projekt zu verbreitern. Sie hat sich ja bewusst nicht von den Rechtsaußen distanziert, die bei der Demonstration dabei waren". Die Ampel-Koalition, sagt Kade, sei in manchen Bereichen "nicht mehr koalitionsfähig". Scholz, so höre man es gerade, unterstütze derzeit Christian Lindner, weil er schon auf die nächste Bundestagswahl schiele und bei der habe Scholz mehr Angst vor dem Standing von Robert Habeck als vor dem von Christian Lindner.
  • Ulf Röller. Röller ist ZDF-Auslandskorrespondent und glaubt, dass China seine neutrale Zurückhaltung aufgegeben habe und sich nun in einer zweigeteilten Welt, hier der Westen, dort die Diktaturen, als Führungsmacht der Diktaturen präsentieren wolle. Chinas rote Linie sei eine drohende Niederlage Russlands. Dann könnte das Land auch Waffen an Putin liefern. In Brüssel sei man darauf nicht vorbereitet, meint Röller und sagt über Deutschland: "Wenn wir uns mit China anlegen, wird sich unser Wohlstand dramatisch verschlechtern." Zum generellen Plan Chinas sagt Röller: "Es geht nicht um die Ukraine; es geht immer um die Rückweisung Amerikas."
  • Oskar Lafontaine. Der ehemalige SPD- und Linken-Parteichef sagt über das Manifest seiner Frau, Sahra Wagenknecht: "Wir wollen nicht, dass Deutschland immer weiter in den Krieg hineingezogen wird und eines Tages wir nicht wissen, wieso es zu einem europäischen Krieg gekommen ist." Ansonsten breitet Lafontaine wieder die bekannte Argumentation aus, Russland habe nicht alleine schuld, die USA trügen eine Teilschuld am Krieg in der Ukraine.
  • Roderich Kiesewetter (CDU). Der Außenpolitiker verweist bei Lafontaines Forderung nach Verhandlungen auf seine Ukraine-Besuche und seinen Kontakt zu Ukrainern und sagt: "Die wollen nicht unter das russische Joch. Für die ist die Freiheit viel wichtiger als ein Diktat-Friede oder ein Waffenstillstand." Zu Lafontaines Vorwurf, es seien westliche Raketen an der Grenze zu Russland stationiert worden, was eine Provokation sei, sagt Kiesewetter: "Die Nato hat nicht reagiert auf die Stationierung von nuklearen Mittelstreckenraketen, die Kaliningrad seit etwa 2014 hat. Die haben eine Reichweite, nicht weiter als Paris, London oder Berlin, aber in zwei Minuten sind die in Berlin, in drei Minuten in Paris."
  • Hans-Werner Sinn. Sinn war unter anderem Chef des Ifo-Instituts und sagt über eine Gefahr für Sparer und Aktienbesitzer aufgrund der aktuellen Situation: "Natürlich ist es eine Gefahr. Aber die Frage ist: Wie wahrscheinlich ist es, dass da größere Ausfälle sind? Ich halte das jetzt nicht für den wahrscheinlicheren Fall, aber ich halte es nicht für unmöglich." Um einen Flächenbrand zu verhindern, würden die Zentralbanken mit "ihrer Zinserhöhungspolitik", die sie zur Bekämpfung der Inflation seit einiger Zeit betreiben, nun aufhören, so Sinn. Das Problem dabei sei, dass sie, um die Banken zu retten, nun die Inflation nicht bekämpfen könnten.

Das Gespräch des Abends:

Es ist in puncto Erkenntnisgewinn der schwächste Moment des Abends. Kiesewetters Sicht auf den Ukraine-Krieg ist bekannt. Der CDU-Politiker fordert eine weitere und starke Unterstützung der Ukraine, um das Land in eine gute Ausgangsposition für Verhandlungen zu bekommen, die letztlich zur Freiheit führen sollen. Lafontaine hingegen fordert einen Waffenstillstand. Zudem schwingt beim ehemaligen Chef der Linken immer die grundsätzliche Tendenz mit, mit dem Finger auf die USA zu zeigen.

Als Maischberger etwa auf Lafontaines Behauptung eingeht, der Westen, insbesondere die USA, trage durch die Stationierung von Raketen an der Grenze zu Russland eine Teilschuld am Krieg, fragt Maischberger Lafontaine: "Ist das eine gute Rechtfertigung, ein anderes Land zu überfallen und ein Jahr lang mit Bomben und Raketen zu überziehen, wie Russland es jetzt mit der Ukraine tut?"

Lafontaine kommt kein klares "Nein" über die Lippen, er hält die Antwort allgemein: "Ich bin gegen alle völkerrechtswidrigen Kriege. Ich bin auch dafür, dass man diejenigen, die Verantwortung tragen, zur Rechenschaft zieht", erklärt Lafontaine, kann den Satz aber nicht ohne Relativierung stehenlassen: "Aber ein Grundsatz der westlichen Wertegemeinschaft muss sein: gleiches Recht für alle", ergänzt Lafontaine und meint damit den Krieg der USA gegen den Irak unter George W. Bush.

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So schlug sich Sandra Maischberger:

Wüsste man nicht, dass Sandra Maischberger zwar sehr höflich, aber auch sehr durchsetzungsfähig sein kann, hätte man an diesem Abend wahrscheinlich Mitleid mit ihr gehabt. Ihr Problem: Oskar Lafontaine scheint nicht gekommen zu sein, um eine aufrichtige Diskussion zu führen. Bei einer Diskussion, die einem Erkenntnisgewinn dienen soll, zeigt man sich offen, hört sich die Meinung des anderen an, reflektiert und gibt sich bestenfalls selbst die Chance, etwas dazuzulernen.

Was man aber auf keinen Fall macht, ist, die Moderatorin des Abends ein ums andere Mal glattzubügeln und einfach weiterzureden, selbst wenn sie um ein Ende bittet. Aber genau das tut Oskar Lafontaine in unangenehmer Weise und erdreistet sich sogar noch, Maischberger anzugehen, sie möge ihn doch bitte nicht ständig unterbrechen. Da wünscht man sich, Maischberger hätte im Dienste der Zuschauer einen Moment auf ihre gute Kinderstube gepfiffen und Lafontaine in die Schranken gewiesen.

Der "Schlagzeilen"-Moment des Abends:

Mit dem Ökonomen Hans-Werner Sinn geht Sandra Maischberger eine drohende Bankenkrise durch. Sinn hat zwar wenig Aufmunterndes zu sagen, aber das, was er sagt, ist immerhin Klartext, sodass fast jeder Satz eine Schlagzeile Wert wäre. Sinn hatte bei der Finanzkrise von 2007/2008 von "Casino-Kapitalismus" gesprochen. Bei Maischberger meint Sinn, dass die Banken immer noch mit "chronisch viel zu wenig Eigenkapital" arbeiten würden. Die Lage habe sich zwar durch staatliche Sicherungsvorschriften gebessert, aber, so Sinn: "Das ist Casino ist nach wie vor geöffnet."

Dass so etwas möglich ist, liege laut Sinn daran, dass Banken und Gesellschaften grundsätzlich unterschiedliche Interessen hätten und die Demokratien die Banken hier nicht genügend in die Schranken gewiesen hätten. Über den Grund, aus dem die Credit Suisse in Schwierigkeiten geraten ist, sagt Sinn: "Das ist eben auch eine gewisse Zockerei. Man geht in riskante Geschäfte und hofft, dass es gutgeht." Hier sei das Zinsänderungsrisiko falsch eingeschätzt worden.

Nachdem die UBS die Credit Suisse übernommen hat, sei, so Maischberger, eine Bank entstanden, die "too big to fail" sei, also zu groß, als dass man sie pleitegehen lassen könne. Da korrigiert Sinn, denn die Bank sei nicht "too big to fail", sondern "too big to bail", also zu groß, um sie retten zu können. Die UBS etwa sei bezogen auf ihre Bilanzsumme zweieinhalbmal so groß wie das Sozialprodukt der Schweiz. "Die kann man gar nicht retten. Wer soll sie denn retten, wenn sie in Schwierigkeiten käme?"

Das Fazit:

Es war ein durchwachsener Abend. Der erste Teil profitierte von der langjährigen Expertise von Ulf Röller und seinen Einschätzungen zu Chinas Sicht auf den Ukraine-Krieg. Hier hätte man sich fast eine längere Diskussion gewünscht, gerne auch mit Röller in einem Einzelgespräch. Sparen können hätte man sich hingegen die Diskussion zwischen Roderich Kiesewetter und Oskar Lafontaine. Zum einen inhaltlich, denn Kiesewetters Ansichten dürften inzwischen bekannt sein, die Lafontainsche Erzählung von der Schuld der USA noch viel mehr.

Noch störender als der fehlende Erkenntnisgewinn war allerdings das Benehmen Lafontaines, der sich in einer unangenehmen Mischung aus Arroganz, Renitenz und Unhöflichkeit Sandra Maischberger gegenüber verhielt. Da spielte es auch keine Rolle, ob man näher bei den Argumenten von Lafontaine oder von Kiesewetter ist - so ein Diskussionsstil gehört sich nicht.

Angenehmer, zumindest in der Art der Diskussionsführung, war das Gespräch mit Hans-Werner Sinn. Der hatte zwar keine frohen Botschaften zu verkünden, wusste aber immerhin, wie man miteinander spricht.

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