Markus Söder musste sich bei Caren Miosga für seine harte Rhetorik gegenüber den Grünen rechtfertigen. Beim Thema Kanzlerkandidatur 2025 äußerte sich der CSU-Ministerpräsident von Bayern widersprüchlich. Anekdoten über Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) sorgten dagegen für Erheiterung.

Eine Kritik
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Das war das Thema

Die Zeiten für Spitzenpolitiker in Deutschland waren schon mal einfacher. Krise reiht sich an Krise, hinzu kommen hausgemachte Probleme in der Ampel-Regierung – wie die schwierige Haushaltslage oder der Dauerzoff zwischen Grünen und FDP. Die Proteste auf den Straßen – oft gegen die Politik der Koalition gerichtet – nehmen immer schärfere Formen an, was an gestörten Parteiveranstaltungen oder Drohungen gegen Mandatsträger zu sehen ist. Das Thema bei Caren Miosga am Sonntagabend: "Wie geht Politik in ernsten Zeiten, Herr Söder?"

Das waren die Gäste

  • Markus Söder: Der Ministerpräsident Bayerns sollte die zunehmende Polarisierung im Land anhand seiner Beziehung zu den Grünen erklären. Der Vorwurf: Auch durch Söders Rhetorik (Die Grünen "gehören nicht zu Bayern") habe sich ein Klima entwickelt, das hasserfüllte Übergriffe begünstigt. Söder vermied in der Sendung neuerliche Frontalangriffe auf die Partei, die er 2020 noch als möglichen Koalitionspartner gelobt hatte. Stattdessen riet er ihnen, "in sich zu gehen, mal überlegen, was man anders machen kann" und warum ihre Politik auf so große Ablehnung stößt. Söder selbst habe von den Grünen auch schon viel einstecken müssen, sagte er. Er wehrte sich gegen die Kritik an seiner Grünen-Kritik, gegen einen "Sprach-Moral-Kodex" und sogenannte Political Correctness, gegen Debatten darüber, wie sehr man die Grünen angreifen dürfe. Kategorisch ausschließen wollte er die erste schwarz-grüne Regierung auf Bundesebene nach der Bundestagswahl 2025 auf Nachfrage Miosgas nicht. Es sei aber extrem unwahrscheinlich, dass es nicht für eine der anderen Optionen (FDP oder SPD) reichen würde, so Söder, der auch Humor beweis. Anhängern der Cannabis-Legalisierung riet er: "Wer ein totaler Kiffer-Fan ist: nach Berlin und nicht nach Bayern." Er will das Gesetz, das am 1. April in Kraft treten könnte, "total restriktiv" anwenden.
  • Mariam Lau: Die Journalistin kritisierte, dass manche Politiker, auch Markus Söder, mit einigen derben Sprüchen in Bezug auf die Grünen "eine Art Notwehrsituation" herbeiziehen würden. Das wird von Einzelnen als Rechtfertigung für Gewalt verstanden. Eine Grafik zeigte, dass die politische Gewalt gegen die Grünen seit ein paar Jahren sprunghaft gestiegen ist. "Sie sind so ein bisschen dabei, die auszubürgern aus der politischen akzeptablen Landschaft", sagte sie direkt an Söder gewandt. Lau warnte die Union darüber hinaus vor "Bedenkenlosigkeit". Sich total hinter die Bauernproteste zu stellen, könnte nach hinten losgehen. In den Niederlanden haben die Bauern eine eigene Partei gegründet, die bei den Wahlen zu den Provinzparlamenten im März 2023 fast 20 Prozent der Stimmen geholt und die Christdemokraten massiv geschwächt hat.
  • Julia Reuschenbach: Die Politikwissenschaftlerin analysierte, dass die Themen, die die derzeitige Polarisierung prägen, grüne Themen sind: Klimaschutz, Mobilität, Wohnen, Landwirtschaft. Sie kritisierte jene Kräfte, die sich die Polarisierung zu eigen machen und sie in Kampagnen politisch instrumentalisieren. Für sie sind Söder-Begriffe wie "Zwangveganisierung" und "grüne Verbotskaskaden" ebenfalls problematisch. "Das Problem ist, dass wir ständig politischen Aschermittwoch haben", sagte Reuschenbach. Diese ideologischen Grabenkämpfe würden vor allem auf das Konto derer einzahlen, "die es nicht gut meinen mit der Demokratie" – die AfD. Sie beobachtet eine "mangelnde Debattenfähigkeit" bei den Parteien der demokratischen Mitte. Für diese Analyse gab es lauten Applaus vom Publikum.

Das war der Moment des Abends

Will er nochmal oder will er nicht? Würde sich Markus Söder, der sich 2021 nicht gegen den schwachen CDU-Kandidaten Armin Laschet durchsetzen konnte, CDU-Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz herausfordern und Kanzlerkandidat der Union werden? Söders Botschaft war nicht ganz klar. "Sollte die Koalition halten, ist das eine sehr, sehr lange Zeit" bis zur nächsten Wahl. Das sollte wohl heißen: Bis dahin kann noch viel passieren. Derzeit liegt die CDU in den meisten Umfragen bei rund 30 Prozent. Friedrich Merz müsste sich den Koalitionspartner nur aussuchen, wenn am Sonntag abgestimmt werden würde.

Söder als Kanzler? "Möglicherweise theoretisch könnte der eine theoretische Option sein", stammelte der Bayer. Ein zweites Mal sei so ein Versuch aber "extremst unwahrscheinlich". Ob er sich zumindest vorstellen könnte, Bundesverteidigungsminister zu werden? "Nein", sagte Söder. Als bayerischer Ministerpräsident sei man "ausbefördert". Es wäre nicht das erste Dementi, das in der Politik später wieder einkassiert wird.

Das war das Rededuell des Abends

Auch beim Rededuell ging es um Söders schwierige Beziehung zu den Grünen. "Sie haben nach Biberach gesagt: Die Grünen haben sich das selber zuzuschreiben, diese Affekte, die da gegen sie losgetreten werden. Ich finde, das muss man sich echt gut überlegen, wo wir da hinkommen, wenn wir sagen, diese Art von Nötigung auf der Straße (…) Das geht einfach nicht, da muss der Staat rein", gab Mariam Lau mit gedämpfter Stimme zu bedenken. Der Politische Aschermittwoch der Grünen in Biberach war wegen der schwierigen Sicherheitslage nach aggressiven Bauernprotesten abgesagt worden.

Söder gab Lau recht und betonte, dass Bayern solche Veranstaltungen natürlich schützen müsse und auch schütze. Wobei das ja in diesem Fall gerade nicht ausreichend geschehen ist, ansonsten wäre eine Absage nicht nötig gewesen. Dann wiederholte Söder seinen Rat an die Öko-Partei: "Denkt mal selber über euch nach." Das klang wieder wie: Sowas kommt von sowas – selber schuld!

Lau widersprach dem CSU-Chef nun vehementer. "Die Grünen werden für eine Politik gehasst, die sie sich seit Jahren nicht mehr zu machen trauen." Söder schaute überrascht. Sie nannte dann ein paar Beispiele für pragmatische grüne Politik entgegen der alt-grünen Orthodoxie. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat kürzlich die umstrittene Speicherung von CO₂ vor Deutschlands Küsten befürwortet. Auch bei den Waffenlieferungen an die Ukraine gehen die Grünen in der Ampel voran – früher völlig undenkbar.

Was war noch Thema bei Caren Miosga?

Markus Söder ist als bayerischer Ministerpräsident qua Amt kanzlerfähig. Jemand wie er muss sich auch zu den großen Krisen, die das Land bewegen, jederzeit äußern können. Thema Russland: "Bei den Russen ist, glaub' ich, gar nichts Zufall", sagte Söder zum ungeklärten Tod des Oppositionellen Alexej Nawalny, der auf der Münchener Sicherheitskonferenz am Tag der Rede seiner Frau Julija Nawalnaja bekannt wurde. Söder vermisst bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den anderen Unterstützern Kiews eine klare Ukraine-Strategie. Deutschland sei zweitgrößter Waffenlieferant und habe auch schon Panzer geliefert. Warum dann nicht auch die Taurus-Marschflugkörper, die die Ukraine benötigt, um die derzeitige Unterlegenheit gegenüber der russischen Armee zu verringern? "Es ist für mich empörend", sagte Söder, "dass wir uns in so einer Situation zurückziehen könnten".

So hat sich Caren Miosga geschlagen

Punkten konnte die Gastgeberin wieder mit den persönlichen Gesprächsinhalten im Eins-zu-eins-Interview zu Beginn der Sendung. In Erinnerung blieb die Frage an Söder nach dem frühen Tod seiner Eltern, die er immer wieder gern um Rat fragen würde. "Wenn die Eltern noch leben, sollte man sich drum kümmern. Es ist auch für einen selber gut." In der Pandemie, als viele schwierige Entscheidungen zu treffen waren, hätten seine Eltern gefehlt. Nur Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) habe da als Ratgeber getaugt. Es kam auch mal "'ne Konfuzius-SMS ("Bleib ruhig")", erinnerte sich Söder. Oder eine Udo-Jürgens-SMS ("Immer wieder geht die Sonne auf").

Das ist das Fazit

Markus Söder und die Grünen: Es ist und bleibt eine schwierige Beziehung. Der bayerische Ministerpräsident verpasste bei Caren Miosga die Gelegenheit, ein wenig Schärfe aus der Auseinandersetzung zu nehmen. Er hätte beispielsweise die Bauern ganz direkt ansprechen und einfordern können, dass Veranstaltungen der Grünen künftig nicht mehr gestört werden sollen. Oder er hätte sagen können, dass die Grünen trotz inhaltlicher Unterschiede als Partei der demokratischen Mitte natürlich nach Bayern passen.

Insofern war es für Söder eine Sendung der verpassten Gelegenheit. Dass alle politischen Veranstaltungen in Bayern geschützt werden sollen, ist selbstverständlich. Das hätte er nicht extra erwähnen müssen.

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Auch Söders Aussage, dass Deutschland Optimismus fehle, wirkte etwas schräg. Oder verbindet irgendjemand die Amtszeit von Angela Merkel, die das Land bis 2021 als Regierungschefin 16 Jahre führte, mit Aufbruchstimmung und guter Laune? Am Ende waren doch alle froh, dass die Zeit der Großen Koalition endlich vorbei war.

Dass die Ampel sich dem Dauerzoff hingibt, ist angesichts dessen umso tragischer. Julia Reuschenbach beobachtet auch deswegen einen weiteren Vertrauensverlust in die Politik bei Menschen, die die Politik sowieso schon kritisch beäugen. "Es muss vor allen Dingen mal ums Tun gehen", forderte sie. Probleme seien da, um auch gelöst zu werden. Das war an die Adresse aller Parteien gerichtet, nicht nur an die Ampel-Koalition.

Allerdings könnte das wegen der schwierigen finanzpolitischen Situation kompliziert werden. Reuschenbach befürchtet zwei weitere Saure-Gurken-Jahre. Dann hieße der Bundeskanzler vielleicht schon Friedrich Merz. Oder doch Markus Söder? "Keine Sorge", sagte Söder, als er nach seinen Kanzlerambitionen gefragt wurde, direkt in die Kamera an Merz gerichtet. Sonderlich authentisch wirkte diese Szene allerdings nicht.

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