Der Gesetzesentwurf zum Verbot von Öl- und Gasheizungen ist erst einmal eines: ein Entwurf. Das wurde am Sonntagabend bei "Anne Will" mehr als deutlich. Was hingegen nicht deutlich wurde, ist eine Antwort auf die Frage, wer die Heizungswende bezahlen soll. Vor allem ein Gast erklärte groß, dass etwas passieren muss – nur leider nicht was.

Christian Vock
Eine Kritik
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Kurz nach den ersten Meldungen über den Gesetzentwurf des Wirtschafts- und des Bauministeriums geisterten bereits Zahlen durch ein Boulevard-Medium, was das geplante Verbot neuer Gas- und Ölheizungen alles kosten würde. Das zitierte Wirtschaftsinstitut hat die in der Berichterstattung genannte Summe von 1.000 Milliarden Euro in der "taz" aber bereits in den richtigen Kontext gerückt, denn sie wurde seinerzeit mit Einschränkungen versehen.

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Anne Will versuchte nun eine seriösere Diskussion über den Gesetzentwurf und fragte am Sonntagabend: "Verbot von Öl- und Gasheizungen, Aus für den Verbrenner – Ist das wirklich durchdacht?"

Das Thema des Abends bei "Anne Will"

Das Thema des Abends war natürlich der Gesetzentwurf – mit vielem, was damit zu tun hat: Was über den Entwurf bekannt ist, was nicht bekannt ist, die Kosten, wer die Kosten übernehmen soll, die Umsetzbarkeit des Entwurfs, E-Fuels, Wasserstoff, Emissionshandel, Klimaschutz und die Versäumnisse der bisherigen Regierungen.

Mit diesen Gästen diskutierte Anne Will

  • Omid Nouripour (B’90/Die Grünen). Der Grünen-Parteivorsitzende versuchte die Aufregung ein wenig zu glätten und erklärte, dass der Gesetzesentwurf eben ein Entwurf ist, der nun wie jeder Entwurf erst einmal in der Koalition diskutiert werde. E-Fuels seien sinnvoll für Schifffahrt, Flugverkehr und schwerere Fahrzeuge, so Nouripour. Über den Einsatz bei Pkw sagte der Parteivorsitzende: "Es ist nun mal so, dass es bei den E-Fuels im Vergleich zum Elektromotor den achtfachen Strom braucht, um die E-Fuels herzustellen. Und deswegen glauben wir, dass es sich nicht rentiert."
  • Christian Dürr (FDP). Dürr ist Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion und sagte darüber, dass der Entwurf auf den Einbau von Wärmepumpen abziele: "Ich schlage vor, wir bleiben technologie-offen." Man solle noch Gasheizungen einbauen können, "wenn die H2-ready sind", man sie also auch mit Wasserstoff betreiben könnte. Über die Kosten sagte Dürr: "Das Ziel ist, Klimaschutz zu betreiben, und natürlich müssen wir ein Stück weit in so einer energiepolitisch schwierigen Situation auch auf Sicht fahren und vor allem dürfen wir die Haushalte nicht überfordern."
  • Stephan Weil (SPD). Der Ministerpräsident von Niedersachsen glaubte nicht, dass der Entwurf in dieser Form in ein Gesetz münden wird. Dennoch sei der Entwurf wichtig, um eine Diskussion über eine Heizwende in Gang zu bringen. "Wenn ich an die fünf Jahre unter Peter Altmaier denke – da ist in dieser Hinsicht so gut wie nichts geschehen und das muss sich ändern." Dennoch solle man nichts überstürzen, sondern mit den verschiedenen Branchen, die davon betroffen sind, überlegen: "Was geht eigentlich in welchem Zeitraum und wie machen wir das jetzt am besten?" Dass E-Fuels eine größere Rolle bei Pkw spielen werden, glaubt Weil nicht, da es bereits einen wirksameren Hebel bei der Flottenobergrenze gebe.
  • Gitta Connemann (CDU). Die CDU-Bundestagsabgeordnete ist Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion und kritisierte die Arbeitsweise der Ampel-Koalition: "Was wir hier erleben, ist, dass sich eine Liebesheirat in einen Rosenkrieg verändert." Connemann wünscht sich "etwas mehr Realismus" von der Regierung. Auch die Union habe Fehler gemacht, meinte Connemann über die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte, nun sei aber die Ampel-Regierung an der Reihe.
  • Henrike Roßbach. Roßbach ist stellvertretende Leiterin des Parlamentsbüros der "Süddeutschen Zeitung". Die Journalistin sagte über den Gesetzentwurf mit Blick auf die großen Versäumnisse der Vorgängerregierungen: "Ich glaube einfach nicht, dass man jetzt innerhalb weniger Monate, sozusagen mit der Brechstange, erzwingen kann, wofür vor 15 Jahren die Weichen nicht richtig gestellt worden sind." In Norwegen beispielsweise, sagte Roßbach, habe man Anfang der 1990er Jahre über eine CO2-Steuer angefangen, Stück für Stück Anreize für einen Wandel zu setzen.

Der Knackpunkt des Abends

Wer soll das bezahlen? Das ist die Frage, die nicht nur Eigentümer und Mieter, sondern auch die Koalition umtreibt. Erstaunlicherweise sagte hier Christian Dürr, stellvertretend für die FDP, dass man die Haushalte nicht überfordern darf. Dürr sagte aber auch: "Wir können nicht alles mit Steuergeld zuschütten." Neue Schulden müssten nämlich die Kinder bezahlen. Da stellt sich natürlich die Frage: Wer soll es dann finanzieren?

Diesen Umstand brachte Omid Nouripour auf den Punkt: "Die Leute schwimmen nicht im Geld, zumindest die allermeisten nicht, und können es sich nicht leisten. Gleichzeitig sollen wir als Staat nicht Geld in die Hand nehmen. Dann muss man erklären, wie man den Leuten hilft." Das laufe am Ende sonst darauf hinaus, dass - wer auch immer 2030 in der Koalition sitzt - man mal wieder darüber nachdenken wird, wie man wieder Milliardenpakete macht gegen die Inflation, "weil eben die Heizkosten immer weiter steigen werden".

Der Schlagabtausch des Abends

Das "Argument der 16 Jahre" sollte sich langsam abgenutzt haben, stellte CDU-Frau Connemann fest, als ihr Nouripour die Versäumnisse während der letzten CDU-Regierungszeiten vorwarf. Der wollte das aber nicht so schnell abgetan sehen und bohrte noch einmal nach: "Das Geschäftsmodell der letzten Jahre war, auf billiges Gas und Öl aus Russland zu setzen – das ist in der Luft aufgegangen. Jetzt werden die Leute deutlich höhere Kosten haben, weil es teurer wird, fossile zu haben."

"Auch, weil Sie aus dem Atomstrom aussteigen", warf Connemann ein. Da musste sich Nouripour kurz sammeln und antwortete dann: "Die Position der Union zur Atomkraft – ich komm' da nicht mehr mit. Ich weiß nicht, wie oft Sie die Position verändert haben in den letzten 20 Jahren. Das müssen Sie mit sich selber klären."

Das Fazit

"Klimaschutz geht nur mit den Menschen, nicht gegen sie", behauptete CDU-Politikerin Gitta Connemann am Sonntagabend. So einleuchtend dieser Satz klingt, so viele Haken hat er - und diese Haken piksten immer wieder in der Diskussion, ohne, dass tiefgehender auf sie eingegangen wurde. Ein Haken: Klimaschutz geht nie gegen den Menschen. Denn Klimaschutz ist in Wahrheit immer Menschenschutz, dem Klima ist die Klimakrise nämlich reichlich egal.

Von daher ist die Frage, die eigentlich im Raum steht: Wer soll das bezahlen? Die Frage ist beileibe nicht neu, doch die bisherigen Regierungen hatten sich entschieden, die Rechnungen durch Nicht-Handeln auf später zu verschieben. Doch Henrike Roßbach erinnerte mit ihrem Verweis auf Norwegen daran: Irgendwann ist Zahltag, wenn man die Klimaziele einhalten, also Menschen schützen will. Und je später man anfängt, umso teurer wird es.

Darauf verwies auch Stephan Weil bei der Diskussion über den Nutzen von E-Fuels: "Für mich ist interessant, dass am Ende des Tages der CO2-Ausstoß wesentlich reduziert wird." Er hätte auch sagen können: Mit der Klimakrise kann man nicht diskutieren. Entweder man handelt oder eben nicht. Und in diesem Zusammenhang waren dann auch die Äußerungen von Christian Dürr interessant: "Wir müssen schon sagen, was wir wollen." Doch vonseiten der FDP hört man genau das in Bezug auf Klimaschutz eben in der Regel nicht.

Stattdessen schwirren entweder Schlagworte wie "Technologie-Offenheit" durch den Raum oder aber es wird die immer gleiche Mär der grünen Verbotspartei hervorgeholt, wenn Robert Habeck und Co. einen Vorschlag machen. Hinter beiden FDP-Methoden steckt das gleiche Prinzip: Wir machen erst einmal nichts, verschieben mit Verweis auf vielleicht kommende Innovationen auf die Zukunft und holen uns Applaus, wenn wir das Handeln der anderen kritisieren.

Und genau an dieser Stelle fehlte am Sonntagabend Anne Will der Wille zum Konkreten und zum Hinterfragen von Schlagworten. Was genau sind denn die Pläne der FDP? Wie viel CO2 wird dadurch eingespart? Was genau bedeutet denn Technologie-Offenheit? Welchen Zeitrahmen gibt sich die FDP hier für Lösungen? Wie viel bringen die dann wirklich beim Erreichen der Klimaziele? An dieser Stelle war die jüngste Ausgabe von "Anne Will" leider blind.

Verwendete Quellen:

  • Bild.de: Habecks Wohn-Hammer kostet uns 1000 Milliarden Euro
  • taz.de: Falschmeldung der "Bild"-Zeitung: Habeck kostet uns keine Billion
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