Am Sonntagabend diskutierte Anne Will mit ihren Gästen über den Fahrplan in Sachen Klimaschutz. Dabei sorgten E-Fuels, Porsche-Fans und der Einigungswille der Ampel für hitzige Debatten. Während eine Journalistin den FDP-Politiker Konstantin Kuhle bei der Diesel-Besteuerung in die Zange nahm, wies eine Wissenschaftlerin auf einen Grundfehler der Energiewende hin.

Eine Kritik
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Die Nerven in der Koalition scheinen ziemlich angespannt zu sein. Es könne nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition "nur ein Partner für den Fortschritt verantwortlich ist", sagte Grünen-Politiker Robert Habeck jüngst. Und dann kommt auch noch Kritik aus der EU: Eigentlich schien das Verbrenner-Aus für Neuwagen ab 2035 schon klar, doch kurz vor der finalen Abstimmung blockierte Deutschland – die FDP hatte eine Ausnahme für E-Fuels verlangt.

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Das ist das Thema bei "Anne Will"

Streit über den Einigungswillen in der Ampel-Regierung und die Klimaziele im Nacken. "Schluss mit Gas, Öl, Diesel und Benzin. Hat die Ampel dafür einen Plan?", betitelte Anne Will am Sonntagabend ihre Sendung. Mit den Gästen im Studio diskutierte sie, wie viel Klimaschutz die Bundesregierung eigentlich will. "Was soll und darf er kosten?" stand ebenso zur Debatte wie "Wie fährt und heizt Deutschland in Zukunft?"

Das sind die Gäste

  • Jürgen Trittin (Grüne): "Noch steigen die Emissionen im Verkehr", erinnerte der frühere Umweltbundesminister. Es gebe einen "schrecklichen Nachholbedarf" bei der E-Mobilität. Ihn anzugehen sei im Interesse des Klimaschutzes und der deutschen Automobilindustrie. Die Photovoltaik-Industrie sei aus Deutschland vertrieben worden und inzwischen in China monopolisiert. "Wir wären viel weiter, wenn nicht 16 Jahre eine Regierung, an der immer die CDU beteiligt war, dieses komplett ausgebremst hätte", so Trittin.
  • Konstantin Kuhle (FDP): Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende sagte: "Die FDP hat erreicht, dass eine zusätzliche Technologie für den Klimaschutz zur Verfügung steht." E-Mobilität werde im Zentrum der Verkehrswende stehen. "Wir werden synthetische Kraftstoffe brauchen", war sich Kuhle sicher.
  • Jens Spahn (CDU): Es sei falsch, Technologien zu verbieten, man gefährde damit Arbeitsplätze in Europa, meinte Spahn. "Keiner weiß, wie der Technologiestand in fünf oder zehn Jahren ist", meinte er. "Wir sind weltweit führend bei Verbrenner-Technologie. Warum sich diese Option selbst abschneiden?", fragte er. Man müsse auf die Akzeptanz in der Bevölkerung achten, diese erreiche man nicht mit "bevormundenden Vorschlägen".
  • Lamia Messari-Becker: Die Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik sagte: "Was deutlich wird in der Debatte ist, wie FDP und Grüne etwas Unterschiedliches unter Klimaschutz verstehen." Auf der einen Seite sehe man Ordnungspolitik und wirtschaftliche Steuerung, auf der anderen Technologieoffenheit. Aus ihrer Sicht spiele der Ausbau des ÖPNV eine entscheidende Rolle. "Wir müssen schauen, dass wir vom Verkehrsaufkommen insgesamt runterkommen", sagte sie.
  • Petra Pinzler: "Was wir im Moment erleben, ist, dass Herr Lindner versucht, diesen Streit in die nächste Runde zu tragen", sagte die Journalistin der "Zeit" über das Verbrenner-Aus. Er habe angekündigt, dass E-Fuels für Luxusautos steuerbegünstigt werden sollen. "Das finde ich sehr merkwürdig", kommentierte Pinzler.

Das ist der Moment des Abends bei "Anne Will"

Wissenschaftlerin Messari-Becker beschrieb aus ihrer Sicht den "Grundfehler" in der Diskussion um die Energiewende: "Wir haben eine stromfokussierte Energiewende", erklärte sie. Im Wärmebereich betrage der Anteil von erneuerbaren Energien nur 16 Prozent. "Im Verkehrsbereich sind wir blank mit gerade einmal sieben Prozent", fuhr sie fort. Man könne Gebäude zwar mit Strom heizen, aber man könne nicht Gebäude, Industrie und Verkehr nur noch mit Strom versorgen. "Es wird nicht reichen, für all diese Sektoren nur mit Strom zu agieren", mahnte sie.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Es ging um Anreize im Steuersystem für Klimaneutralität. "Wenn Kraftstoffe besser behandelt werden, als andere Kraftstoffe, die klimaschädlicher sind, dann ist das, glaube ich, ein Vorschlag, über den man sprechen kann, sprechen muss", sagte Kuhle. Pinzler fragte: "Also Sie sind für die Abschaffung des Dieselprivilegs?". Kuhle entgegnete: "Nein, ich finde den Vorschlag von Christian Lindner gut", als Pinzler ihn unterbrach: "Das müssten Sie aber logischerweise sein!".

Es sei absurd, dass immer gefordert werde, man müsse über die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen sprechen und wenn der Finanzminister einen konkreten Vorschlag mache, sei es "Teufelszeug". "Das kann nicht sein", so Kuhle. Pinzler ließ nicht locker. "Da können Sie sich jetzt nicht wegdrücken! In dieser Logik können Sie doch nicht okay finden, dass der Diesel weniger besteuert wird – der klimaschädlich ist – als Benzin." Kuhle argumentierte mit einem Emissionshandel "in den alle Bereiche integriert werden", es sei doof "immer alles rauszugreifen".

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So hat sich Anne Will geschlagen

Anne Will fragte bissig: "Was außer großer Verärgerung der versammelten EU hat die FDP jetzt eigentlich erreicht?" oder "Wer außer Feuerwehrleuten und 911er-Fans soll von diesen Steuererleichterungen profitieren?". Das heizte die Debatte ziemlich an. Auf ein sachlicheres Level holte Will sie dann wieder mit Fragen wie: "Ist es richtig, sich auf eine stromgetriebene Technologie zu fixieren?" oder "Wie sinnvoll sind E-Fuels?"

Das ist das Ergebnis bei "Anne Will"

In der aufgeheizten Stimmung zwischen Kritik an Porsche-Fans, Altlasten einer CDU-Regierung und finanziellen Förderungen mit der Gießkanne überraschten angenehm die Einlassungen von Wissenschaftlerin Messari-Becker: Man dürfe beispielsweise im Wärmebereich nicht alles durch den "Flaschenhals Wärmepumpe" drücken.

Dadurch würde diese Technologie sehr teuer und angesichts des Fachkräftemangels könne man nicht genug Pumpen verbauen. So bringe jeder Euro dem Klimaschutz viel weniger, als wenn man auf mehrere Technologien setze. Außerdem schlug sie vor, den Blick nicht auf das einzelne Gebäude, sondern auf das Quartier zu richten. Gleichzeitig konstatierte sie: "Die Wärmewende hätte hier vor 30 Jahren beginnen sollen."

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