Deutschland und Frankreich sind eigentlich der Motor Europas. Doch zur Zeit dominieren die Misstöne. Das hat auch mit dem französischen Präsidenten zu tun: Emmanuel Macron will Führungsstärke beweisen. Nach außen wie nach innen.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat derzeit zwei große Feindbilder: den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den französischen rechtspopulistischen Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Jordan Bardella. Und den jüngsten Sticheleien nach zu urteilen, ist er auch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ziemlich genervt.

All dies trägt dazu bei, dass Macron sich im Ukraine-Krieg zunehmend zu einem der verbal angriffslustigsten Politiker Europas entwickelt.

Gereizte Stimmung zwischen Berlin und Paris

Frankreich hat bislang deutlich weniger Militärhilfe für die Ukraine geleistet hat als viele andere Staaten. Trotzdem beansprucht Macron zunehmend eine Führungsrolle mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Es käme bald der Moment, in dem es notwendig sei, "nicht feige zu sein", sagte Macron nach einem Treffen mit dem tschechischen Präsidenten Petr Pavel am Dienstag in Prag.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) reagierte gereizt. Es sei nicht an der Zeit, um über "mehr oder weniger Mut" zu diskutieren, beschied er. Dringendere Probleme seien zu lösen, etwa die Herstellung von Munition. Bei einer von Frankreich vorgeschlagenen Videokonferenz zur Ukraine am Donnerstag wollte Pistorius sich vertreten lassen - ob aus Termingründen oder wegen diplomatischer Verschnupfung blieb offen.

Die Idee, dass Deutschland und Frankreich irgendwann wieder gemeinsam eine Führungsrolle einnehmen, scheint derzeit angesichts der Spannungen unrealistisch.

Ein bewusster Kopfstoß

"Dass es dem Kanzler und Präsidenten zum wiederholten Male nicht gelingt, über den eigenen Schatten zu springen und gemeinsam nach außen zu kommunizieren - das ist sicher ein großes Problem", sagt Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Macron setzt Scholz - der eine Taurus-Lieferung weiter ablehnt - mit seiner Koalition für Mittel- und Langstreckenraketen derzeit unter Druck. Auf der Pariser Ukraine-Konferenz Anfang vergangener Woche hatte Macron Deutschland - ohne es zu nennen - als Neinsager hingestellt und über diejenigen gelästert, die anfangs "Schlafsäcke und Helme" in die Ukraine schicken wollten.

Die von Macron angestoßene Diskussion über westliche Bodentruppen in der Ukraine kam in Berlin besonders schlecht an. Doch Macron nimmt es bewusst in Kauf, die Partner vor den Kopf zu stoßen. "Ich denke, dass das nötig ist", sagte er in Prag. Er stehe dazu, zu einem neuen Schub aufgerufen zu haben.

"Macron will mit dieser Haltung unter anderem auf die Kritik reagieren, Frankreich tue nicht genug für die Ukraine", sagt Yann Wernert vom Jacques Delors Centre in Berlin. Außerdem wolle er "Führung und Stärke nach innen demonstrieren".

Macron innenpolitisch unter Druck

Die Ukraine ist in Frankreich auch innenpolitisch derzeit ein wichtiges Thema. Macron lud zu diesem Thema die Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande in den Elysée und will sich am Donnerstag mit sämtlichen Parteichefs dazu beraten. In der kommenden Woche ist eine Ukraine-Debatte in beiden Kammern des Parlaments geplant.

Manche sehen auch einen Zusammenhang mit der anstehenden Europawahl, bei der die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) mit Abstand vorn liegt. Macron will den RN unter anderem damit vorführen, dass er der Partei ihre Nähe zu Russland vorwirft. Die frühere Parteichefin Marine Le Pen hatte sich von Putin empfangen lassen, ihre Partei hatte von einer tschechisch-russischen Bank einen Millionen-Kredit bekommen.

Allerdings zählte Macron selber zu Beginn des Krieges zu denjenigen, die dafür warben, Putin nicht zu "erniedrigen" und Russland "Sicherheitsgarantien" zuzugestehen.

RN-Spitzenkandidat Bardella wirft Macron seinerseits vor, in der Ukraine-Politik zu weit zu gehen. Macron habe "Frankreichs Position geschwächt, indem er die Spannungen innerhalb Europas öffentlich gemacht hat", sagte er. "Damit spielt er Putin in die Hände", fügte er hinzu.

Auch die konservativen Republikaner mahnen zu mehr Besonnenheit: "Bei Themen, die schwerwiegende Folgen für unser Land und Europa haben könnten, sollte man nicht mit dem Feuer spielen", mahnte Parteichef Eric Ciotti. Frankreich habe sich durch Macrons harte Haltung innerhalb Europas "isoliert". (afp/fab)

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