Die USA und Russland haben ihren Rückzug aus dem INF-Vertrag angekündigt. Zwischen Union und SPD herrscht noch keine Einigkeit darüber, wie Deutschland und Europa mit der neuen Realität umgehen sollen. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wirft führenden SPD-Politikern nun Naivität vor, sie würden mit ihren Äußerungen "Putin in die Hände" spielen. Indes haben Abgeordneter beider Parteien einen Vorschlag gemacht, der nuklearen Wettrüstens in Europa verhindern soll.

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Im Koalitionsstreit über Konsequenzen aus dem bevorstehenden Aus des INF-Vertrages zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen verschärft sich der Ton. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak warf führenden SPD-Politikern nun Naivität vor.

"Sozialdemokraten wie Lars Klingbeil und Stephan Weil schüren mit ihren Äußerungen Misstrauen gegenüber der NATO und spielen mit ihren naiven Sprüchen [dem russischen Präsidenten Wladimir] Putin in die Hände", sagte Ziemiak der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Der SPD-Generalsekretär Klingbeil hatte sich gegen die Stationierung neuer atomarer NATO-Mittelstreckenraketen in Europa ausgesprochen, Ministerpräsident Heil forderte eine neuen Friedensbewegung.

Die NATO müsse geschlossen bleiben, forderte Ziemiak. "Auch Deutschland muss deutlich machen, dass alle Optionen auf dem Tisch bleiben. Russlands Verletzung des INF-Vertrages darf am Ende des Tages nicht durch naive deutsche Außenpolitik belohnt werden."

SPD-Politiker wollen Wettrüsten verhindern

SPD-Generalsekretär Klingbeil hatte im Kurznachrichtendienst Twitter erklärt: "Die Union warnt unseren Außenminister davor sich der Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Deutschland und Europa entgegenzustellen. Das ist der falsche Weg."

Deutschland werde sich von US-Präsident Donald Trump und Putin nicht treiben lassen. "Ich will keine neue atomare Aufrüstungsspirale."

Klingbeil reagierte auf Unionsfraktionsvize Johann David Wadephul (CDU), der Außenminister Heiko Maas (SPD) gewarnt hatte, eine Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen der NATO in Europa auszuschließen. Wenn Russland nicht zum Verzicht auf sein neues Raketensystem mit der Bezeichnung 9M729 bereit sei, müsse die NATO sich auch diese Option vorbehalten.

Es dürfe keinen deutschen Sonderweg geben. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte erklärt: "Ein neues Wettrüsten muss unbedingt verhindert werden. Wahrscheinlich brauchen wir eine neue Friedensbewegung."

Abgeordnete schlagen Verlegung von Marschflugkörper vor

Abgeordnete von CDU und SPD haben unterdessen einen neuen Vorschlag an die USA und Russland gemacht, der die Gefahr eines nuklearen Wettrüstens in Europa bannen soll.

Der CDU-Parlamentarier Roderich Kiesewetter und der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich regten in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" an, dass Russland seine umstrittenen neuen Marschflugkörper vom Typ SSC-8 so weit nach Osten verlegt, dass sie Europa nicht mehr erreichen können.

Im Gegenzug sollten die USA eigene Abschussanlagen in Europa für russische Kontrollen öffnen, schlugen Kiesewetter und Mützenich vor. Dies betreffe die Startrampen für defensive Abfangraketen in Rumänien und in Zukunft auch in Polen. Von diesen behauptet Russland, sie könnten auch für Angriffswaffen genutzt werden.

Mützenich sagte, ein Kontrollangebot bei diesen US-Einrichtungen werde eine "vertrauensbildende Basis" für neue Rüstungskontrollverhandlungen schaffen. Zugleich müsse die Verlegung der russischen Raketen nach Osten durch ein "striktes und andauerndes Verifikationsregime" gesichert werden, sagte Kiesewetter. Es müsse "gewissermaßen neben jeder einzelnen Waffe permanent ein Beobachter stehen". Die russische Seite hat wirksame Kontrollen bisher nicht zugelassen.

USA hat Russland über Kündigung informiert

Die USA hat sich am Freitag aus einem der wichtigsten Abrüstungsverträge mit Russland zurückgezogen. "Die USA können nicht länger an den Vertrag gebunden sein, während ihn Russland offen bricht", erklärte US-Außenminister Mike Pompeo am Samstag.

Inzwischen wurde Moskau offiziell von der Kündigung in Kenntnis gesetzt. Auch Moskau hat am Samstag seinen Rückzug aus dem INF-Abkommen erklärt und wirft der USA Vertragsbruch vor. Russlands Außenminister Sergej Lawrow betonte, die USA würden den Vertrag seit 1999 verletzen. Zudem verstoße Washington mit dem Einsatz von Raketenabwehrsystemen in Europa gegen das Abkommen.

Kremlchef Putin sagte bei einem Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Samstag, weitere Verhandlungen mit den USA solle es zu dem Thema vorerst nicht geben. Er kündigte an, dass Russland nun auch an neuen, landgestützten Hyperschall-Mittelstreckenraketen arbeiten werde. Moskau werde aber nur dann Mittelstreckenraketen aufstellen, wenn Washington dies tue.

US-Präsident Donald Trump hatte tags zuvor erklärt, er könne sich Gespräche über einen neuen Vertrag vorstellen. Dann müsse aber auch China mit an den Tisch. (ff/jwo/dpa/AFP)

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