• In Berlin ist es rund um die Silvesternacht zu zahlreichen Ausschreitungen und Angriffen auf Einsatzkräfte gekommen.
  • Mehr als 50 Polizisten und Feuerwehrleute wurden verletzt. Auch in weiteren Städten wurden Menschen durch Feuerwerk verletzt.
  • Politiker und Verbände fordern ein Verbot von Feuerwerkskörpern.

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Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie 2020 durfte am vergangenen Silvesterabend ohne Einschränkungen Feuerwerk gezündet werden. Neben der Freude über das Spektakel am Himmel stellte sich dabei aber auch Ärger über die Schattenseiten der Neujahrstradition ein.

Insbesondere in Berlin kam es zu zahlreichen Vorfällen, bei denen Randalierer Passanten mit Böllern beworfen oder Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr angegriffen hatten.

Wie die Berliner Feuerwehr berichtet, sollen Feuerwehrleute bei ihren Löscharbeiten mit Feuerwerkskörpern beschossen oder in einen Hinterhalt gelockt worden sein, um die Einsatzfahrzeuge zu plündern. Über 50 Verletzte zählen Polizei und Feuerwehr nach der Silvesternacht. 103 Verdächtige wurden festgenommen, mangels Haftgründen jedoch am 3. Januar wieder auf freien Fuß gesetzt.

Polizei und Feuerwehr fordern Böllerverbot

Der Sprecher der Berliner Polizeigewerkschaft GdP Benjamin Jendro forderte ein sofortiges Verkaufsverbot von Pyrotechnik und Feuerwerk zu Silvester. Berlins Kultursenator Klaus Lederer von der Linken schloss sich der Forderung an. Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sprach sich für eine bundesweite Debatte um ein Böllerverbot als Antwort auf die Ausschreitungen aus.

CDU und FDP stellen sich bisher gegen ein Verkaufsverbot von Feuerwerksartikeln.

Nicht nur in Berlin sorgte Pyrotechnik für schwere Verletzungen. In Otterwisch in Sachsen starb ein 17-Jähriger beim Versuch, Böller durch ein Rohr zu katapultieren, wie die "Bild"-Zeitung berichtete. Im Landkreis Gotha in Thüringen verlor ein 42-Jähriger durch die Detonation "einer Kugel- oder Rohrbombe" seine beiden Unterarme.

Im Landkreis Schleiz, ebenfalls Thüringen, habe laut Angaben der Polizei ein 21-Jähriger mit einer sogenannten Kugelbombe experimentiert, die unkontrolliert explodiert sei und ihm eine Hand abgerissen habe.

Pro Böllerverbot

Seit Jahren fordern Verbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ein Verbot des Verkaufs von Feuerwerk zu Silvester. Begründet wird eine solche Forderung neben der hohen Anzahl Verletzter durch Feuerwerk mit der hohen Umweltbelastung und erhöhten Feinstaubwerten.

So wurden 2017 nach Angaben des Verbands Kommunaler Unternehmen in den fünf größten deutschen Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main) rund 191 Tonnen Silvesterabfall entsorgt. Alleine in Berlin waren es am vergangenen Neujahrstag nach Informationen des "Tagesspiegel" 520 Kubikmeter Müll, den die Berliner Stadtreinigung einsammeln musste.

Die böllerfreien Jahre 2020 und 2021 hätten außerdem gezeigt, dass die Feinstaubbelastungen in München und Hamburg durch das ausbleibende Feuerwerk gesunken ist. Die Deutsche Umwelthilfe gibt an, dass in München die Feinstaubbelastung am vergangenen Neujahrstag um 911 Prozent gestiegen sei im Vergleich zum Vorjahr. Wie hoch die Feinstaubbelastung durch Feuerwerk genau ist, ist allerdings umstritten, es gibt keine belastbaren Zahlen für ganz Deutschland.

Schutz für Haustiere

Neben dem Schaden für die Umwelt wird von Befürwortern eines Verbots angeführt, dass Haustiere, aber auch Wildtiere durch die plötzlichen lauten Explosionsgeräusche traumatisiert würden. Vögel würden tot vom Himmel fallen, da sie in totale Panik versetzt werden und bis zur Erschöpfung fliegen. Hunde ließen sich nur schwer beruhigen und zeigten auch Tage später noch Stressreaktionen.

Die deutsche Umwelthilfe sieht sich durch die jüngsten Ausschreitungen in ihrer bisherigen Forderung bestärkt, ein dauerhaftes Böllerverbot umzusetzen. Gegenüber unserer Redaktion erklärt Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch: "Die Ereignisse der Silvesternacht haben leider unsere schlimmsten Befürchtungen übertroffen."

Resch spricht von "fast schon bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Berlin und vielen weiteren Städten" und fordert Innenministerin Nancy Faeser auf, die Sprengstoffverordnung so zu ändern, dass Feuerwerk nicht mehr frei verkäuflich ist.

Contra Böllerverbot

Ingo Schubert vom Bundesverband Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk e.V. (BVPK) ist gegen ein allgemeines Verkaufsverbot von Pyrotechnik. Der Verband mahnt, dass ein Verbot des Verkaufs in Deutschland zu einem Anwachsen des Schwarzmarkts im Ausland führen würde. Gerade der sei verantwortlich für Verletzungen durch Sprengkörper.

Der BVPK macht auch illegale Pyrotechnik aus dem Ausland für die jüngsten Verletzungen verantwortlich. In einer Presse-Erklärung heißt es: "Jeder schwere Unfall durch illegales Feuerwerk zeigt, wie dringend der Kampf gegen illegal eingeführtes Feuerwerk ist. Davon gehen Gefahren aus, die nicht kalkulierbar sind." Statt legales Feuerwerk zu kriminalisieren, müsse der Kampf gegen illegales Feuerwerk intensiviert werden, so Schubert.

Komplettes Verbot würde Arbeitsplätze bedrohen

Der BVPK zieht eine positive Bilanz des ersten Jahreswechsels mit Feuerwerk seit Beginn der Corona-Pandemie 2020. "Silvesterfeuerwerk ist so beliebt wie selten zuvor", so Schubert weiter: "Der bunt erleuchtete Nachthimmel ist eindrucksvoller Beweis für den gesellschaftlichen Stellenwert eines farbenfrohen Jahreswechsels."

Auch in Sachen Umweltverschmutzung und Feinstaubbelastung würde das Silvesterfeuerwerk nicht so sehr ins Gewicht fallen wie oft behauptet. Lediglich zehn Stationen des Luftqualität-Messnetzes im gesamten Bundesgebiet hätten Mitternacht signifikant erhöhte Feinstaubkonzentrationen festgestellt.

2020 und 2021 war der Verkauf von Pyrotechnik aufgrund der Corona-Pandemie verboten. In den vergangenen beiden Jahren hatten Pyrotechnik-Hersteller nach eigenen Angaben Verluste in dreistelliger Millionenhöhe in Kauf nehmen müssen. Ein komplettes Verbot des Verkaufs von Pyrotechnik und Feuerwerk würde laut Angaben des BVPK rund 6000 Arbeitsplätze in ganz Deutschland bedrohen.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Kommt jetzt ein Böllerverbot?

Um ein Böllerverbot wirklich durchzusetzen, müsste der Verkauf von Feuerwerkskörpern auch an den Tagen rund um Silvester untersagt werden, so wie es an allen anderen Tagen im Jahr gilt. Damit ein Verkaufsverbot auch seine Wirkung entfalten könnte, müsste es zusätzlich bundesweit gelten, da sonst einfach in anderen Bundesländern Feuerwerkskörper gekauft würden.

Hierfür müsste die Sprengstoffverordnung geändert werden. Diesen Schritt hat Innenministerin Nancy Faeser am vergangenen Montag abgelehnt und darauf verwiesen, dass das geltende Recht ausreichend sei. Es sei Sache der Länder Verbotszonen einzurichten.

Lokal begrenzte Verbotszonen hatte es auch in diesem Jahr in Berlin und vielen anderen Städten gegeben, diese wurden auch größtenteils eingehalten, wie berichtet wurde, allerdings verlagerten sich die Ausschreitungen in andere Stadtteile.

Über die Experten:
Ingo Schubert ist Geschäftsführer des Bundesverband Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk e.V. (BVPK). Der Verband wurde 2007 gegründet. Inzwischen ist er nach eigenen Angaben der mitgliederstärkste Verband im Bereich Feuerwerk.
Jürgen Resch ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH). Der Verein versteht sich als Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutzorganisation. Bundesweite Bekanntheit erlangte er durch seine Rolle als Kläger im Zuge der Diesel-Affäre.

Verwendete Quellen:

  • Schriftliches Statement der Deutschen Umwelthilfe
  • Schriftliches Statement des Bundesverband Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk
  • bild.de: Junge (†17) hatte Abschuss-Rampe für Böller gebastelt
  • checkpoint.tagesspiegel.de: Tagesspiegel Checkpoint vom 3.1.2023
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