• Mehr als hundert Menschen sind nach den Silvesterkrawallen in Berlin festgenommen worden.
  • Jetzt wurden die Tatverdächtigen wieder freigelassen, da es keine Haftgründe gebe, heißt es seitens der Berliner Polizei.
  • Die Debatte über Konsequenzen dauert an.

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Mehr als hundert der nach den Silvesterkrawallen in Berlin festgenommenen Tatverdächtigen sind wieder auf freiem Fuß. 103 in der Silvesternacht Festgenommene seien wieder frei, weil es keine Haftgründe gebe, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei am Dienstag. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung darüber berichtet.

Die Personen seien nach Feststellung der Identität freigelassen worden, teilte die Polizei auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Insgesamt hatte die Polizei 159 Festnahmen gemeldet. Ob die übrigen Verdächtigen ebenfalls wieder frei sind, konnte eine Polizeisprecherin zunächst nicht sagen.

In der Neujahrsnacht waren Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen worden, unter anderem mit Böllern und Raketen. Die Polizei machte auf Nachfrage noch keine Angaben dazu, um wen es sich bei den mutmaßlichen Tätern handelt oder wo in der Stadt es zu den meisten Zwischenfällen kam.

Die Auswertungen seien im Gange, noch habe man keine weiteren Erkenntnisse, sagte ein Sprecher. Am Sonntag hatte die Polizei nur mitgeteilt, dass unter den ersten 103 Festgenommenen 98 Männer und fünf Frauen waren.

Unklar war auch, wie viele der 41 im Einsatz verletzten Polizisten zeitweise dienstunfähig waren. Der Sprecher sagte nur, ein Polizist, der schwere Brandverletzungen erlitten hatte, sei inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen.

Ermittlungen wegen Verstößen in der Silvesternacht

Gegen die Verdächtigen wird überwiegend wegen Brandstiftungsdelikten, Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz, Landfriedensbruchs sowie tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte ermittelt.

In der Silvesternacht waren Einsatz- und Rettungskräfte auch in anderen Städten massiv angegriffen worden. Zum Teil musste die Polizei ausrücken, um Feuerwehrleute beim Löschen von Bränden gegen Angriffe zu schützen. Allein in der Hauptstadt gab es demnach 33 verletzte Einsatzkräfte. Die gewalttätigen Angriffe auf Einsatzkräfte lösten eine Debatte über Konsequenzen wie ein Böllerverbot aus.

Strafvorschriften "gegen Chaoten und Gewalttäter" müssten mit aller Konsequenz angewandt und durchgesetzt werden, forderte etwa Bundesinnenministerin Nancy Faeser. "Empfindliche Freiheitsstrafen können damit verhängt werden."

Gewerkschaft der Polizei fordert Runden Tisch und bessere Integration

Um Angriffe auf Einsatzkräfte wie in der Silvesternacht in Zukunft zu verhindern, braucht es aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) rasch einen Runden Tisch mit Politikern und Praktikern sowie neue Ansätze in der Integrationspolitik.

"Wir brauchen diese Debatte sofort, und wir brauchen Ergebnisse, klare Konzepte und einen Plan, wer was umzusetzen hat", sagte der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke. Eine Einsatznacht mit schockierenden Vorfällen wie in der Nacht auf Sonntag dürfe sich zum nächsten Jahreswechsel nicht wiederholen, betonte er, "somit ist der Zeitrahmen gesetzt".

In vielen Fällen hätten "gruppendynamische Prozesse, Alkoholmissbrauch, Sozialisationsdefizite und die Verfügbarkeit pyrotechnischer Gegenstände zu dieser bestürzenden Eskalation" geführt, sagte Kopelke. Gleichzeitig warnte er davor, "Menschen pauschal abzustempeln und als verloren zu erklären". Die Menschen in den betroffenen Stadtteilen müssten die Übergriffe verurteilen und Wege finden, solche Taten in Zukunft zu verhindern. Die Polizei könne dabei beraten, lösen könne sie die Probleme jedoch alleine nicht.

Der GdP-Chef forderte: "Die Bundesregierung muss ihrem Koalitionsvertrag gerecht werden und Integrationspolitik auf Bundesebene neu angehen." An dem von ihm vorgeschlagenen Runden Tisch sollten sich neben Politikern und Polizei auch Rettungskräfte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Sozialarbeiter und Integrationsbeauftragte beteiligen.

Forderung nach harten Strafen für "Silvester-Chaoten"

Sollte es angesichts der Angriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht künftig ein generelles Böllerverbot geben? Nein, meinen viele. Doch, meint der Bürgermeister von Berlin-Neukölln, wo die Attacken besonders heftig waren.

Verband der pyrotechnischen Industrie wehrt sich gegen Kritik: "Nicht Knallkörper sind das Problem, sondern Knallköpfe"

Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) verurteilt Gewaltausbrüche – die Branche verteidigt sich gegen Kritik. Vor allem der Einsatz von Feuerwerkskörpern gegen Feuerwehr und Polizei sei schockierend, teilte der Verband der Hersteller von Böllern und Feuerwerk mit. Vorstandsmitglied Richard Eickel sagte: "Nicht Knallkörper sind das Problem, sondern Knallköpfe, die sie missbrauchen."

Ein Verbot von legalen Feuerwerkskörpern lehnt der Verband daher ab. Illegales Feuerwerk hingegen sei "kein Spaß, sondern eine Bedrohung für Leib und Leben", betonte der VPI-Vorstandsvorsitzende Thomas Schreiber. Allein in den letzten Monaten seien wieder Hunderte Tonnen illegaler Produkte von der Polizei sichergestellt worden – "das sollte zu denken geben". Der Verband unterstütze auch die von Vertretern der Einsatzkräfte geforderte Ausrüstung mit Dash- und Bodycams zum Filmen von Gewalttätern.

Der Bundesvorsitzende des Arbeiter-Samariter-Bundes, Knut Fleckenstein, sagte in einer Mitteilung: "Die Ereignisse in der Silvesternacht sind trauriger Höhepunkt einer seit Jahren beobachtbaren Verrohung und Respektlosigkeit gegenüber Einsatzkräften." Sie müssten Konsequenzen haben – die Täter sollten ermittelt und bestraft werden, forderte der Chef des Rettungsdienstes.

Berlin ist keine Ausnahme bei Gewaltexzessen

Der Spitzenverband der Versicherer von Feuerwehrleuten und Rettungskräften sieht vor allem Politiker in der Verantwortung, damit sich Gewaltexzesse wie in der zurückliegenden Silvesternacht nicht wiederholen. "Die Ausschreitungen in Berlin waren extrem. Die Hauptstadt ist damit jedoch keine Ausnahme", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Stefan Hussy.

Kräfte der Feuerwehren und Hilfeleistungsorganisationen klagten bereits seit Jahren über zunehmende verbale und körperliche Gewalt bei Einsätzen. (AFP/dpa/tas/sbi)

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