Bundeskanzlerin Angela Merkel wendet sich in einer Rede ungewohnt deutlich gegen Donald Trump und wirbt für ein starkes Europa. Aber welche Probleme könnten diese Differenzen für die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und den USA mit sich bringen?

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Was viele Beobachter mit der Wahl von Donald Trump zum 45. US-Präsidenten befürchtet haben, tritt nun offenbar ein: Die USA und Europa driften politisch auseinander.

"Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem enttäuschenden G7-Gipfel in einer Bierzeltrede in München.

Sie sprach es nicht direkt aus, meinte aber US-Präsident Donald Trump. Dieser hatte die Europäer mit seiner sturen Haltung bei den Gesprächen im italienischen Taormina brüskiert.

"Deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen", meinte Merkel pathetisch. "Wir müssen selber für unsere Zukunft kämpfen, als Europäer, für unser Schicksal."

Doch welche Probleme könnten jetzt konkret akut werden?

  • Auf politischer Ebene: Donald Trump führt die USA in die Isolation

Isolation ist der Begriff, der gerade häufig fällt. Die Europäer erhöhen ihrerseits den Druck. "Eine stärkere Kooperation der europäischen Staaten auf allen Ebenen ist die Antwort an Donald Trump", sagte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dem ARD-Hauptstadtstudio.

Schulz wurde noch deutlicher: "Ich glaube, man hätte sich auch schon auf dem NATO-Gipfel, aber ganz sicher auf dem G7-Gipfel sehr deutlich positionieren müssen - gegen einen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, der ja andere demütigen will, der ja im Stile eines autoritären Herrschers auftritt."

Andere Europäer sind weniger entschieden. So werben die Portugiesen um eine Rolle als Vermittler. Doch Trump stellte sich nun gegen alle. Ein Vorgeschmack: Beim G7-Gipfel waren die großen Industrienationen mit dem Versuch gescheitert, ihm ein Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzvertrag abzuringen.

"Der amerikanische Schirm über Europa ist für immer weggezogen", schrieb der frühere US-Botschafter John Kornblum in einem Beitrag für die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland nach der Wahl Trumps.

Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gilt als Verfechterin dieser These. "Europa muss sich darauf einstellen, dass es sich besser selber vorsorgt", meinte die 59-Jährige damals in der ARD. Dazu gehöre auch ein höheres Verteidigungsbudget. Genau das setzt die Bundesregierung seit Längerem um.

Bereits im März 2016 hatte das Kabinett aus CDU- und SPD-Ministern beschlossen, dass der Verteidigungsetat in den kommenden vier Jahren um durchschnittlich rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr ansteigen soll.

Ein Beispiel für die Emanzipation von den USA ist die NATO-Battlegroup Lithuania, eine in Litauen stationierte Einheit des Verteidigungsbündnisses unter Führung der Bundeswehr. 450 deutsche Soldaten sind an der Grenze zu Russland stationiert, zu ihrer Ausrüstung zählen mehrere Schützenpanzer und schwere Leopard-Kampfpanzer.

Ihr Einsatz ist Teil der NATO Enhanced Forward Presence (eFP) zur Abschreckung Russlands. Neben Litauen sind NATO-Truppen auch in Estland und Lettland sowie in Polen stationiert. Dort zeigt sich das Problem besonders deutlich, denn die Amerikaner haben in Polen die Führung inne. Die Frage ist, inwieweit Oberbefehlshaber Trump Abmachungen nachkommt.

  • Auf wirtschaftlicher Ebene: Starke gegenseitige Abhängigkeit

Die USA seien größter Abnehmer deutscher Exporte, Deutschland sei der wichtigste Handelspartner der USA in Europa. In Deutschland liege der bilaterale Warenverkehr mit den USA an erster Stelle, listet das Auswärtige Amt auf und schreibt von einer "überragenden Bedeutung".

Die Abhängigkeit beider Länder voneinander ist riesig, im Fall der EU ist es allerdings nicht so ausgeprägt. Deutsche Unternehmen investierten demnach 2015 255 Milliarden US-Dollar in den USA, umgekehrt lagen die Investitionen bei 108 Milliarden US-Dollar. Es ist Geld, auf das beide Seiten nicht verzichten können, gekoppelt an viele Tausende Arbeitsplätze.

Weitere Beispiele: Im Jahr 2016 betrug der Wert deutscher Warenexporte in die USA laut dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) 106,9 Milliarden Euro und machte damit 8,9 Prozent der Gesamtexporte aus. Deutsche Unternehmen beschäftigen indes rund 672.000 Arbeitnehmer in den USA. Damit sind sie der drittwichtigste ausländische Arbeitgeber.

Die deutsche Industrie wirbt auffällig offensiv für den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen. Trumps oft unberechenbarer Kurs ist jedoch wieder härter. Das macht etwa die angedrohten Strafzölle gegen die deutsche Automobilindustrie wieder ein wenig realistischer.

Grundsätzlich gilt in diesen Tagen: Vieles ist vage, wohl nichts ausgeschlossen. Trump macht sich diese Taktik zunutze, weil Europa eben doch nicht ohne die USA kann.

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