Die Wahl von FDP-Politiker Thomas Kemmerich durch die Stimmen der AfD zum Thüringer Ministerpräsidenten feierte die Partei als großen Coup. Doch konnten die Rechtspopulisten von den anschließenden bundesweiten Diskussionen profitieren?

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Eine weitere Überraschung ist Thüringen am Mittwoch erspart geblieben. Am Ende wählte Rot-Rot-Grün im Erfurter Landtag Bodo Ramelow unspektakulär zum (Übergangs-)Ministerpräsidenten.

Die AfD hatte ihren Landeschef Björn Höcke aufgestellt, um die CDU- und FDP-Abgeordneten bloßzustellen. Doch die tappten diesmal nicht in die Falle. Kein Christdemokrat und kein Liberaler (die gaben erst gar nicht ihre Stimmen ab) votierte für Linken-Politiker Ramelow. Und ebenso bekam auch Höcke keinerlei Stimmen aus dem bürgerlichen Lager.

Anders bei der Wahl Anfang Februar: CDU und FDP wählten zusammen mit der AfD FDP-Mann Thomas Kemmerich zum (Kurzzeit-)Ministerpräsidenten. Aus Sicht etlicher Grünen- und Linken-Politiker ein "Tabubruch", der nicht nur das ostdeutsche Bundesland, sondern die halbe Republik in eine Krise stürzte.

Doch konnte die AfD diese Stimmung ummünzen in Unterstützung für sich? Hat die Debatte um die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen der Bundes-AfD langfristig eher genutzt oder geschadet?

Wahl in Thüringen: Nullsummenspiel für die AfD?

Eine repräsentative Exklusiv-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Redaktion zeigt nun: Die AfD konnte den Wählern zufolge nicht von der Krise profitieren.

In ihrer Beurteilung sind die Befragten allerdings gespalten: Etwas mehr als ein Drittel (38 Prozent) erklärte, dass die Debatte der Bundes-AfD langfristig schadet, ein weiteres Drittel (33 Prozent) meint hingegen, es hätte der Partei genutzt. Ein Viertel (25 Prozent) der Befragten antwortete mit "weder noch".

Die Civey-Umfrage fand am 5. und 6. März statt, Antworten von 5.010 Personen wurden für die repräsentative Stichprobe verwendet.

"Am Ende ist es vermutlich ein Nullsummenspiel für die AfD", sagt auch der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje auf Anfrage unserer Redaktion. "Die Mehrheit der AfD-Anhänger ist mit der Demokratie unzufrieden, ihnen dürfte die Sabotage demokratischer Prozesse durchaus gefallen." Mehr bürgerliche Wähler würde die AfD mit ihrer "Verächtlichmachung demokratischer Verfahren" allerdings nicht erreichen.

Zugleich betont Hillje aber: "Die Wahl Kemmerichs gegen Ramelow war der erste parlamentarische Erfolg der AfD in Deutschland." Bis dahin sei die AfD sowohl im Bundestag als auch in den Länderparlamenten "politisch vollkommen isoliert" gewesen.

Kritik aus AfD-Reihen

Kritik am Vorgehen der AfD in Thüringen kommt auch aus der Partei selbst. In einem Papier, aus dem der "Tagesspiegel" zitiert, schimpft der Berliner AfD-Fraktionschef Georg Pazderski über den "strategischen Kollateralschaden". Denn im Zuge der Diskussionen in den vergangenen Wochen hätten sich CDU und FDP stärker von der AfD abgegrenzt. Die Lage für die AfD selbst hätte sich deshalb insgesamt verkompliziert.

Auch andere Umfragen zeigen: Die aktuellen Zustimmungswerte der Wähler für die AfD sind im Vergleich zu Januar stagniert oder sogar leicht gefallen.

Die AfD konnte also weder aus dem Streit innerhalb der CDU um die Zusammenarbeit mit der Linkspartei, dem angekündigten Rücktritt Annegret Kramp-Karrenbauers noch aus dem schwammigen Kurs der FDP im Nachgang von Kemmerichs Wahl einen Vorteil ziehen. Eher im Gegenteil, wie die Hamburg-Wahl Mitte Februar zeigte. Nur knapp schaffte die AfD den Wiedereinzug in die Bürgerschaft.

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