Frankreich ist kein föderaler Staat, weswegen die Bedeutung von Regionalwahlen eigentlich überschaubar ist. Die Betonung liegt auf "eigentlich". Denn nun gibt es eine historische Ausnahme von der Regel. Der Erfolg des Front National (FN) könnte schließlich auch Auswirkungen auf ganz Europa haben.

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Am 13. Dezember entscheidet es sich: In zwei oder gar noch mehr der 13 Regionen Frankreichs könnte der rechtsextreme Front National dann die Regierung stellen.

Schon beim ersten Durchgang der Regionalwahlen am vergangenen Sonntag verzeichnete die Partei von Marine Le Pen einen großen Erfolg.

Mit landesweit 28 Prozent der Stimmen war der Front National die stärkste Partei, knapp vor den Konservativen um den ehemaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und etwas deutlicher vor dem Amtsinhaber François Hollande und seinen Sozialisten.

Frankreich als fragwürdiges Vorbild

"Es wäre das erste Mal in der Geschichte Frankreichs, dass eine rechtsradikale Partei die Verantwortung für eine Region bekommt", sagt die Frankreichexpertin Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

Das könne durchaus einen Effekt für rechte, rechtsextreme oder rechtspopulistische Parteien in anderen europäischen Ländern haben.

"Zu sehen, dass in einem Land wie Frankreich rechtsextreme Ideen salonfähig werden können, wird womöglich bei manchem Wähler die Bereitschaft erhöhen, für solche Parteien auch in ihrem Land zu stimmen."

Andererseits unterscheidet sich der FN von weiteren rechten Bewegungen in Europa, wie etwa der "Ukip" in Großbritannien oder den "Wahren Finnen".

Es gibt den Front schon lange und er hat eine gewisse Zeit der "Banalisierung" hinter sich, wie die Politikwissenschaftlerin Gisela Müller-Brandeck-Bocquet von der Universität Würzburg sagt.

"Der Front National tummelt sich schon lange auf der rechtsextremen Seite in Frankreich und ist seit Jahrzehnten dabei, sich zu banalisieren und mehr oder weniger gesellschaftsfähig zu werden."

Einer der letzten Schritte dieser Banalisierung: Marine Le Pen besteht nicht mehr auf einen Austritt Frankreichs aus der Euro-Zone.

"So ist sie auch für erweiterte Kreise der französischen Bürger wählbar geworden", sagt Müller-Brandeck-Bocquet.

Front im Vergleich zu AfD und FPÖ

Die meisten anderen rechten, rechtsextremen oder rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen in Europa, etwa die Alternative für Deutschland (AfD), sind jünger und nicht (so) etabliert.

Der Politik- und Wirtschaftswissenschaftler Henrik Enderlein sagt etwa über die AfD, sie sei mittlerweile von einer Bewegung deutscher Ökonomen gegen den Euro zu einem "Auffangbecken für fremdenfeindlichen Populismus" geworden, habe aber nicht in Deutschland Fuß gefasst.

Außerdem habe sie, anders als der FN, "weder Programm noch Linie", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Eine europäische Ausnahme bildet die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). "Die FPÖ ist durchaus mit dem FN vergleichbar, vor allem was die Langlebigkeit der Partei betrifft", sagt Müller-Brandeck-Bocquet.

Wie der FN habe sich die FPÖ über einen längeren Zeitraum zumindest in gewissem Maß gesellschaftsfähig gemacht.

Ob andere rechte Parteien vom Erfolg des FN profitieren werden oder nicht, ist aus Sicht von Müller-Brandeck-Bocquet aber gar nicht die wichtigste mögliche Konsequenz der Wahlen.

Belastung für die Beziehung zu Deutschland

"Wir haben große Krisen in der Europäischen Union. Und um die EU aus diesen Krisen herauszuführen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich nötig. Wenn Frankreich 2017 tatsächlich zu kippen droht, wäre das eine äußerst schwere Belastung für die Beziehung", sagt sie.

Beispiel Flüchtlingskrise: Wenn der FN bei den Regionalwahlen so erfolgreich ist, wie es sich derzeit andeutet, würde Präsident Hollande noch stärker unter Druck geraten.

Für eine deutsche Regierung wäre es dann sehr viel schwieriger, eine Übereinkunft über eine - in Frankreich ohnehin sehr umstrittene - Flüchtlingsquote zu erzielen.

Ganz unmittelbare Auswirkungen auf die deutsch-französischen Beziehungen werde der Ausgang der Regionalwahlen aber nicht haben, glaubt der Leiter des Pariser Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung, Stefan Dehnert.

Denn: "Die politischen Kompetenzen in den Regionen reichen nicht besonders weit." Vor allem nicht, betont Claire Demesmay von der DGAP, bei den Themen innere Sicherheit und Terrorismusbekämpfung, die im Wahlkampf so eine große Rolle gespielt haben.

Vielleicht werden diese Themen auch bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2017 wichtig sein. Die Regionalwahlen sind die letzten landesweiten Wahlen vor diesem Termin.

Zwar ist es immer noch unwahrscheinlich, dass Marine Le Pen dann gewinnen wird, aber ausgeschlossen scheint es nun auch nicht mehr.

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