• Die deutsche Nationalmannschaft enttäuscht beim WM-Auftakt gegen Japan, die ARD-Experten sprechen Klartext.
  • Während Thomas Hitzlsperger mit der Fifa abrechnet, spart Bastian Schweinsteiger im sportlichen Bereich nicht mit Kritik.
  • Der Weltmeister von 2014 zeigt sich als Experte deutlich verbessert.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Stüwe dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Während der WM-Auftakt der deutschen Nationalmannschaft mit der 1:2-Niederlage gegen Japan in einer bitteren Enttäuschung endete, erwischte die ARD bei ihrer Übertragung am Mittwochnachmittag einen richtig starken Tag. Was vor allem an den Expertinnen und Experten lag, die vor und nach dem Spiel Klartext redeten, wie man ihn in der Fußballbranche, wo oft und gerne Phrasen gedroschen werden, nur selten hört.

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"Ich habe einen großen Hals auf die Fifa, was die sich herausnehmen. Ich finde es unterirdisch, dass die Fifa so tut, als wäre sie ein wohltätiger Verband, als würden sie dem Spiel dienen. Es ist eine desolate, dysfunktionale Organisation, über die ich mich wirklich aufregen muss", ärgerte sich Thomas Hitzlsperger über den Weltverband, der das Tragen der One-Love-Kapitänsbinde unter der Androhung von Sanktionen verboten hatte.

"Mafiös passt vielleicht auch ganz gut", ergänzte Jessy Wellmer, die die Runde moderierte und den aus gesundheitlichen Gründen fehlenden Alexander Bommes gut vertrat. "Dem kann ich nicht widersprechen", antwortete Hitzlsperger. Die Mannschaft müsse nun abwägen zwischen ihrem Engagement für Menschenrechte und sportlichen Ambitionen, benannte Hitzlsperger das Dilemma der DFB-Kicker: "Das ist perfide."

ARD-Experten rechnen mit der Fifa ab

Sami Khedira, wie Hitzlsperger langjähriger Nationalspieler, nahm in der Diskussion auch den DFB in die Pflicht. "Wenn man die Fifa nicht ganz klar konfrontiert, hat man ein Problem. Da hat es sich der DFB eventuell zu einfach gemacht, der Druck auf die Spieler hat sich dementsprechend erhöht", sagte der Weltmeister von 2014: "Als Spieler nervt dich das. Die Spieler müssen es jetzt ausbaden."

Almuth Schult, die Dritte im Bunde und Olympiasiegerin mit der deutschen Nationalmannschaft 2016, beschwor den Zusammenhalt der europäischen Verbände gegen die Fifa. "Es wäre vielleicht die einzige Möglichkeit gewesen, dass sich die europäischen Verbände zusammenstellen und etwas gemeinsam unternehmen. Dafür wäre es meiner Meinung nach auch jetzt noch nicht zu spät", sagte Schult.

Die Expertenrunde analysierte das moralische Debakel der Fifa in einer Klarheit und Deutlichkeit, die einem großen Teil der politischen Talkshows der öffentlich-rechtlichen Sender unter der Woche gut zu Gesicht stehen würde. Währenddessen warteten im Khalifa International Stadium in Ar-Rayyan Esther Sedlaczek und Bastian Schweinsteiger, um vom Spielfeldrand zu berichten.

Schweinsteiger zeigt sich als TV-Experte deutlich verbessert

Bei der Europameisterschaft vor einem Jahr hatte Schweinsteiger als Experte an der Seite von Jessy Wellmer heftige Kritik einstecken müssen. Nach der Niederlage gegen England im Achtelfinale hatte es gewirkt, als sei der Weltmeister von 2014 noch zu nah an der Mannschaft dran und zu wenig kritisch. Anstatt mit dem Wissen aus seiner langen und außerordentlich erfolgreichen Karriere Analysen zu liefern, hatte er zu oft Phrasen bemüht. Wellmers flapsige Sprüche kamen ebenfalls nicht sonderlich gut an.

Am Mittwochnachmittag wurde deutlich, dass der 38-Jährige sich die Kritik offensichtlich zu Herzen genommen hat. Besonders nach Abpfiff nahm Schweinsteiger kein Blatt vor den Mund, auch nicht in Gegenwart von Bundestrainer Hansi Flick, der zum Interview bereitstand. Die Enttäuschung über den von Tom Bartels souverän kommentierten Auftritt des DFB-Teams war Schweinsteiger deutlich anzumerken.

"Die Japaner haben aufopferungsvoll gespielt, wir haben uns den Schneid abkaufen lassen", sagte Schweinsteiger und bemängelte, dass die Nationalmannschaft nicht in der Lage gewesen sei, auf die Auswechslungen und taktischen Umstellungen der Japaner zu reagieren. "Es ist enttäuschend, dass wir so ein Spiel verlieren. Aber es zeigt auch, wo wir stehen. Die Fehler, die wir heute gesehen haben, sind kein Zufall. Die hatten wir auch in den anderen Spielen", wurde Schweinsteiger angesichts des Defensivverhaltens des DFB-Teams deutlich.

Schweinsteiger kritisiert Süle und Goretzka

Seine Kritik machte Schweinsteiger sogar an Namen fest. Selbst Ilkay Gündogan habe Bälle verloren, erklärte er, vor allem das Abwehrverhalten von Niklas Süle und Leon Goretzka vor den Gegentoren kritisierte er deutlich. "In schwierigen Situationen zeichnen sich große Mannschaften und große Spieler aus. Das habe ich heute wieder vermisst", lautete Schweinsteigers bitteres Fazit. Im Gegensatz zum DFB-Team, dem ein ähnlich schwaches Abschneiden wie vor vier Jahren bei der WM in Russland droht, hat sich Schweinsteiger als TV-Experte deutlich verbessert und an Profil gewonnen.

Ein gutes Händchen bewies die ARD auch bei der Musikauswahl. Immer wieder wurde "One" der irischen Rockband "U2" eingespielt. Eigentlich passt der melancholische Song überhaupt nicht zu einer Fußball-WM. In diesem grauen November, während diesem ebenso seltsamen wie fragwürdigen Turnier in Katar, beschreibt er die Fußballstimmung in Deutschland aber ganz gut.

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