Franz Beckenbauer ist tot. Der einstige Weltstar des FC Bayern München hinterlässt viele Geschichten. Sein einzigartiger Kultstatus lebt fort. Auch, wenn er immer wieder in die Kritik geriet.

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Es sind Bilder, die im deutschen Fußball-Gedächtnis unvergessen sind. Tief in sich gekehrt spazierte Franz Beckenbauer am 8. Juli 1990 im Olympiastadion Rom über den Rasen. Gerade hatte er das DFB-Team zum Weltmeister gemacht, ringsherum Ekstase pur. Nur der "Kaiser" blieb sachlich.

Franz Beckenbauer: Ikone des FC Bayern München ist tot

Spätestens an jenem lauen Sommerabend manifestierte er seinen Ausnahmestatus. Doch jetzt ist der "Kaiser" tot. Er verstarb im Alter von 78 Jahren, nachdem er sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Denn: Fußball-Deutschland und die "Lichtgestalt" fremdelten am Ende seines Lebens.

Auch, weil er im Ausland und nicht mehr in München lebte. Hier, in der bayerischen Landeshauptstadt, wurde Beckenbauer am 11. September 1945 geboren. Er wuchs als Kind im kernigen Arbeiterviertel Giesing auf. Beim SC München von 1906 lernte er als Bub das Fußballspielen. Der Sportplatz liegt direkt vor seinem Geburtshaus in der Zugspitzstraße.

1959 klopfte der FC Bayern an, der damals nur die Nummer zwei in der Isarmetropole war. Beinahe wäre Beckenbauer beim Stadtrivalen TSV 1860 München gelandet. Nachdem er in einem Spiel gegen die "Löwen" eine Ohrfeige bekam, soll er seine Pläne aber geändert haben, schreibt die "Abendzeitung". Es ist eine von vielen Anekdoten.

Franz Beckenbauer: Vom Jungen aus München zum Weltstar

Sein Profidebüt war prompt ein Indiz dafür, wohin seine Karriere führen kann. Der erst 18-Jährige erzielte am 6. Juni 1964 direkt sein erstes Pflichtspieltor - beim 4:0 gegen St. Pauli in der Bundesliga-Aufstiegsrunde. Beckenbauers Stärke: Er interpretierte seine Rolle als Libero offensiv, im Stile eines Spielmachers. In 423 Bundesliga-Spielen kam er so auf 44 Treffer und 70 Tor-Vorlagen - auch heute wäre das eine starke Quote.

In der Saison 1968/69 führte er die Bayern so zur ersten Bundesliga-Meisterschaft. Zwischen 1972 und 1974 folgten drei weitere, gekrönt durch den WM-Sieg mit dem DFB-Team im eigenen Land - in seiner Heimatstadt München. Beckenbauer spielte auf seinem Zenit.

Mit den Bayern holte er zwischen 1974 und 1976 dreimal in Folge den Europapokal der Landesmeister - den Vorgänger der Champions League. Symptomatisch: Im Finale gegen AS St.-Étienne bereitete Beckenbauer am 12. Mai 1976 das Siegtor durch Franz "Bulle" Roth vor. Es war sein letzter Höhepunkt im FCB-Dress. National hatte Gladbach den Münchnern den Rang abgelaufen. Beckenbauer wechselte im Sommer 1977 zu New York Cosmos in die USA - seinen legendären Beinamen im Gepäck.

Franz Beckenbauer: Alle nannten die Bayern-Ikone den "Kaiser"

Erzählungen zufolge bekam er diesen im August 1971, als die Bayern ein Freundschaftsspiel bei Austria Wien hatten. Der Fotograf Herbert Sündhofer platzierte Beckenbauer in der Wiener Hofburg neben einer Büste des Kaisers Franz I. - geboren war der Fußball-Kaiser. Fußballstil, Spitzname, Amerika-Engagement - Beckenbauer setzte stets neue Maßstäbe. Er wirkte zu dieser Zeit unantastbar. Trotz der Kritik, die ihn im zweiten Abschnitt seiner Laufbahn immer wieder begleitete, nachdem er die Nationalmannschaft 1984 als Teamchef übernommen hatte - nur ein Jahr nach seiner Spielerkarriere.

Der damalige Bayern-Trainer Udo Lattek warf ihm vor, die Nationalspieler würden von seinem "Glanz" erdrückt. Auch die Kritik an seiner angeblichen Steuerflucht ins Ausland verstummte erst, als er Deutschland mit dem WM-Sieg in kollektiven Freudentaumel versetzte. Das zweite Mal, diesmal als Trainer. Doch: Dass selbst ein "Kaiser" sich irren kann, bewies die Pressekonferenz danach. "Wir sind jetzt die Nummer 1 in der Welt und schon lange die Nummer 1 in Europa. Jetzt kommen die Spieler aus Ostdeutschland noch dazu. Ich glaube, dass die deutsche Mannschaft über Jahre hinaus nicht zu besiegen sein wird", sagte er zu seinem Abschied.

Franz Beckenbauer: 15 Jahre Präsident des FC Bayern

Das Schlusswort gehörte eben immer Beckenbauer, nicht nur, als er zwischen 1994 und 2009 Präsident des FC Bayern war. Sondern auch, als er als Experte die Champions League kommentierte. Damals war er der Elder Statesman des deutschen Fußballs. Immer gut gekleidet, braun gebrannt und locker leicht auf dem Golfplatz unterwegs. So holte er als Orga-Chef die Fußball-WM 2006 nach Deutschland. Es war ein Turnier, das alles ändern sollte. Das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtete im Oktober 2015 von angeblichen Ungereimtheiten bei der Vergabe der Weltmeisterschaft. Beckenbauer bestritt die Vorwürfe bis zuletzt. Sie setzten ihm zu.

Der Bild erzählte er im September 2020 vor seinem 75. Geburtstag, dass es ihm "den Umständen entsprechend" gehe. "Was da alles war in den letzten Jahren. Mit all den Operationen und auch mit der Geschichte 2006. Das hat mich schon sehr mitgenommen", erklärte er: "Ich sehe zwar, dass mittlerweile akzeptiert wird, dass da nichts war, aber die letzten Jahre waren schon hart." Was war noch passiert? 2013 hatte Beckenbauer für Aufregung gesorgt, als er mit Blick auf die Fußball-WM 2022 meinte: "Ich habe noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen."

Franz Beckenbauer: Der "Kaiser" erlebte Schicksalsschläge

Vor allem nahmen die persönlichen Schicksalsschläge zu. Im Juli 2015 verstarb sein Sohn Stephan im Alter von nur 46 an einem Hirntumor. 2016 hatte Beckenbauer selbst eine erste Herz-Operation, 2017 eine zweite. 2019 folgte eine dritte OP wegen eines Augeninfarkts. "Ich trinke seit der Herz-OP keinen Alkohol mehr. Einmal habe ich damit wieder angefangen, da kam sofort das Herzflimmern", erzählte er der Bild im Herbst 2020. "Ich bewege mich viel, ich darf mich aber nicht mehr belasten. 75 ist ein Alter, da kannst du das Ende erahnen. Ich hoffe, dass mir vom lieben Gott noch viele Jahre gegeben werden. Aber du weißt es nicht." Jetzt hat der "Kaiser" das irdische Stadion verlassen, in dem er immer ein Hauptdarsteller war.

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